Verfahrensgang

AG Bad Saulgau (Beschluss vom 07.08.2003; Aktenzeichen 1 F 11/03)

 

Tenor

I. Der Beschluss des AG – FamG – Bad Saulgau vom 7.8.2003 wird aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass der Scheidungsantrag zurückgenommen und das Verfahren – auch hinsichtlich der Folgesachen elterliche Sorge und Versorgungsausgleich – als nicht anhängig geworden anzusehen ist.

III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Beschwerdewert: 4.400 Euro.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob das seit 16.6.1998 zwischen ihnen rechtshängige Scheidungsverfahren durch Antragsrücknahme beendet ist. Das FamG hat durch Beschluss vom 7.8.2003, den Parteien formlos mitgeteilt, festgestellt, dass die Klagrücknahme der Antragstellerin wegen Verweigerung der Zustimmung des Antragsgegners nicht wirksam geworden ist, und prozessleitende Verfügungen getroffen. Gegen den Beschluss hat die Antragstellerin Rechtsmittel eingelegt, das am 18.8.2003 beim FamG einging. Das FamG hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt.

Die Antragstellerin beantragt, entgegen dem Ausspruch im angefochtenen Beschluss festzustellen, dass das Verfahren durch Antragsrücknahme beendet ist. Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen. Ein Kostenantrag ist beiderseits nicht gestellt worden.

II. Verfahrensgang:

Die Antragstellerin hat den Scheidungsantrag, verbunden mit einem Antrag auf Übertragung des Sorgerechts für drei gemeinsame Kinder als Folgesache, am 20.5.1998 beim FamG eingereicht. Dieses hat nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Zustellung des Antrags verfügt und gleichzeitig Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 24.6.1998 anberaumt. In diesem Termin hat die Antragstellerin, vertreten durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten den Scheidungsantrag gestellt. Der Antragsgegner, der nicht anwaltlich vertreten war, hat dem Antrag zugestimmt. Beide Parteien wurden nach § 613 ZPO angehört.

Sie haben dem FamG gemeinsam vorgeschlagen, das Sorgerecht für die drei Kinder auf die Antragstellerin zu übertragen. Die Sitzung wurde mit dem Bemerken geschlossen, dass im Einverständnis beider Parteien im Scheidungsverfahren eine Entscheidung nach Eingang der Rentenauskünfte ergehen sollte.

In der Folgezeit geriet das Verfahren durch Nichtbetreiben in Stillstand. Mit Schriftsatz vom 3.1.2003, beim FamG eingegangen am 7.1.2003, zeigten die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin deren Vertretung an und nahmen in ihrem Namen und Auftrag den Scheidungsantrag zurück. Die Erklärung wurde dem Antragsgegner formlos zugeleitet, verbunden mit einer Aufforderung des Gerichts zur Stellungnahme binnen zwei Wochen, ob der Rücknahme zugestimmt werde. Nachdem keine Erklärung einging, verfügte das Gericht durch „Beschluss” vom 14.7.2003 das erneute Weglegen der Akten wegen Nichtbetreibens und brachte zum Ausdruck, dass die Antragsrücknahme mangels Zustimmung des Antragsgegners nicht wirksam geworden sei. Die Antragstellervertreter baten hierauf, den Beschluss vom 14.7.2003 im Hinblick auf die Regelung des § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO erneut zu überprüfen. Dieser Schriftsatz wurde dem Antragsgegner zugestellt, verbunden mit dem Hinweis, dass seine Zustimmung zur Antragsrücknahme unterstellt werde, sofern er binnen zwei Wochen keine anderweitige Erklärung abgebe. Hierauf zeigte der jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners (erstmals) dessen Vertretung an, bat um Akteneinsicht und erklärte sodann mit Schriftsatz vom 5.8.2003, beim Gericht eingegangen am 6.8.2003, dass der Antragsrücknahme nicht zugestimmt werde. Hierauf erließ das FamG den jetzt angefochtenen Beschluss.

III. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde zulässig nach § 269 Abs. 5 S. 1 ZPO, weil der vom FamG mit Beschluss vom 14.7.2003 festgesetzte Streitwert für die Ehescheidung und die Folgesachen die Berufungssumme (§ 511 ZPO) übersteigt. Es hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 269 Abs. 1 ZPO, der gem. § 608 ZPO auch auf das Scheidungsverfahren Anwendung findet, kann die Klage (hier: der Scheidungsantrag) bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Antragsgegners zur Hauptsache ohne dessen Einwilligung zurückgenommen werden. Beide Vorschriften galten schon bei Rechtshängigkeit des Verfahrens unverändert.

Die mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen (§ 137 Abs. 1 ZPO, alter wie neuer Fassung). Anträge stellen kann jedoch nur eine postulationsfähige Partei, das heißt im Anwaltsprozess: ein beim Gericht zugelassener Rechtsanwalt; die Vornahme der Prozesshandlung (Antragstellung) durch die nicht anwaltlich vertretene Partei selbst ist unwirksam (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 78 Rz. 3). In Ehesachen und Folgesachen herrscht Anwaltszwang, d.h., die Parteien müssen (und mussten schon zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 24.6.1998 in vorliegender Sache) sich bei der Abgabe von Prozesserklärungen in mündlicher Verhandlung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge