Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 09.06.2009; Aktenzeichen 43 O 2217/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 21.07.2011; Aktenzeichen IV ZR 42/10)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG Ingolstadt vom 9.6.2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin war im Zeitraum vom 1.8.2000 bis 31.7.2005 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Rechtsanwältin mit einer Berufshaftpflichtversicherung als Einzelpolice versichert.

Die Klägerin war in diesem Zeitraum als angestellte Rechtsanwältin in der Rechtsanwaltskanzlei M., St. und Kollegen in I. tätig.

Im Verfahren 3 O 824/06 vor dem LG Ingolstadt wurde die Klägerin von einem ehemaligen Mandanten, Herrn O. L., als Scheinsozia wegen von den Rechtsanwälten M. und St. unterschlagenen Fremdgeldern auf Schadenersatz i.H.v. EUR 111.044,11 in Anspruch genommen. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich, in dem sich die Klägerin verpflichtete, zur Abgeltung der dortigen Klageforderung bei monatlicher Ratenzahlung i.H.v. EUR 200 einen Betrag i.H.v. EUR 55.000 zu bezahlen. Die Klägerin hat bislang EUR 4.400 bezahlt.

Im Wege der Deckungsklage beantragt die Klägerin Feststellung, dass die Beklagte ihr Deckungsschutz zu gewähren hat, sowie Erstattung der bereits auf den Vergleich geleisteten Teilzahlungen und ihrer außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

Dem Versicherungsvertrag lagen die von der Beklagten als Anlage B 3 vorgelegten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten (mit Risikobeschreibung) - AVA-A (im Folgenden: AVB) zugrunde. Die maßgeblichen Vorschriften lauten auszugsweise:

"§ 4 Ausschlüsse

Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche

...

3. wegen Schaden durch Veruntreuung durch Personal, Sozien oder Angehörige des Versicherungsnehmers;

...

5. wegen Schadenverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung. Der Versicherungsnehmer behält, wenn dieser Ausschlussgrund nicht in seiner Person und auch nicht in der Person eines Sozius vorliegt - unbeschadet der Bestimmungen des § 7 IV 2 - den Anspruch auf Versicherungsschutz."

"§ 12 Sozien

I.1. Als Sozien gelten Berufsangehörige, die ihren Beruf nach außen hin gemeinschaftlich ausüben, ohne Rücksicht darauf, ob sie durch Gesellschaftsvertrag oder einen anderen Vertrag verbunden sind.

...

III. Ein Ausschlussgrund nach § 4, der in der Person eines Sozius vorliegt, geht zu Lasten aller Sozien."

Die weiteren Einzelheiten des Versicherungsvertrags und der AVB ergeben sich aus den Anlagen B 2 und B 3.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LG Ingolstadt vom 9.6.2009 Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO)

Das LG Ingolstadt hat die Beklagte durch Endurteil vom 9.6.2009 antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, § 12 I 1und § 12 III der AVB der Beklagten seien nach § 305c I BGB unwirksam. Zudem seien sie inhaltlich unangemessen, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werde, nicht zu vereinbaren seien und auch wesentliche Rechte und Pflichten einschränken würden, wodurch die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet werde (§ 3078 II Nr. 1 und Nr. 2 BGB). Hinsichtlich der weitern Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils (S. 8/16L Bl. 49/57 d.A.) Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit ihrer Berufung. Nach ihrer Rechtsauffassung sei der Begriff des Sozius in den Versicherungsbedingungen eindeutig definiert. Die verschuldensunabhängige Haftung von Sozien und Scheinsozien auch für Veruntreuungen dritter Personen sei keine Frage der versicherungsvertraglichen Deckung, sondern ergebe sich aus der Haftpflichtrechtsprechung des BGH. Die Sozienklausel des § 12 I 1 AVB sei unbedingt erforderlich, um den Gleichlauf der Haftung im Außenverhältnis einerseits und der versicherungsvertraglichen Deckung andererseits sicherzustellen. Die Klausel sei nicht überraschend. Dass Versicherungsschutz wegen Schäden durch Veruntreuung durch Personal, Sozien oder Angehörige des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sei, entspreche der Regelung in § 51 BRAO. Es treffe auch nicht zu, dass ein angestellter Anwalt weniger Einfluss auf die Organisation der Kanzlei und Kontrollmöglichkeiten habe. Denn auch ein echter Sozius habe faktisch keine Möglichkeit, sich gegen Veruntreuungen durch andere Sozien zu schützen. Dass die Klägerin nicht Gesellschafterin sonder...

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