Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 13.02.2008; Aktenzeichen 9 O 7835/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.11.2009; Aktenzeichen VI ZR 219/08)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München I vom 13.2.2008 dahin abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin verlangt Geldentschädigung wegen Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Roman ... im Folgenden: ..., dessen Autor der Beklagte zu 2) und dessen Verlegerin die Beklagte zu 1) ist.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird mit folgender Maßgabe Bezug genommen: In den Unterlassungsverfahren (sowohl im Verfügungs- als auch im Hauptsacheverfahren) war beklagte Partei nur die Beklagte zu 1). Neben der Klägerin des streitgegenständlichen Verfahrens war in jenen Verfahren auch deren Mutter Klägerin (im Folgenden: ehemalige Klägerin zu 2)).

Nachdem das OLG München mit Urteil vom 23.7.2003 (21 U 2918/03) das die einstweilige Unterlassungsverfügung vom 3.3.2003 bestätigende und sich auf die Urfassung von ... beziehende Urteil des LG München I vom 24.4.2003 (9 O 3969/03) wegen fehlender Wiederholungsgefahr aufgehoben hatte, veröffentlichte die Beklagte zu 1) im August 2003 die sog. geweißte Fassung von ... (Anlagen K 7 und B 6). In dieser sind einige Auslassungen, aber keine Abänderungen enthalten.

Das - hinsichtlich der Klägerin rechtskräftige - im Hauptsacheverfahren ergangene stattgebende Unterlassungsurteil des LG München I vom 15.10.2003 (9 O 11360/03) betrifft ... i.d.F. laut Verpflichtungserklärung der Beklagten zu 1) vom 18.8.2003, mit der sich die Beklagte zu 1) zu mehreren Änderungen des Romans verpflichtete, u.a. zur Ersetzung des Begriffs "Nobelpreis" durch "Karl-Gustav-Preis" und des Begriffs "Bundesfilmpreisträgerin" durch "Fritz-Lang-Preisträgerin". Hinsichtlich der ursprünglichen Fassung von ... stellte das LG München I - hinsichtlich der Klägerin ebenfalls rechtskräftig - fest, dass sich die zulässige und begründete Unterlassungsklage durch die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Beklagten zu 1) vom 18.8.2003 erledigt hat.

Mit einem am 5.12.2007 verkündeten Endurteil hat das LG München I im streitgegenständlichen Verfahren die Beklagten kostenpflichtig verurteilt, samtverbindlich an die Klägerin eine Geldentschädigung i.H.v. 50.000 EUR zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.5.2006 zu zahlen. Hinsichtlich eines kleinen Teils der Zinsen ist die Klage abgewiesen worden.

Zur Begründung führte das LG im Wesentlichen aus: Die Voraussetzungen für eine Geldentschädigung lägen dem Grunde nach vor. Die Klägerin sei in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht durch die Veröffentlichung der Urfassung und der geweißten Fassung von ... verletzt, da sie in beiden Fassungen wegen zahlreicher Identifikationsmerkmale für einen mehr oder weniger großen Bekanntenkreis erkennbar sei.

Sie sei in ihrer Intimsphäre betroffen, da ihr Intimleben zum Gegenstand öffentlicher Spekulation gemacht werde, denen sie nicht ohne Preisgabe ihres Intimlebens begegnen könne. Die Klägerin sei schwerwiegend in der Mutter-Kind-Beziehung betroffen, da mehrere - im landgerichtlichen Urteil im Einzelnen dargestellte - Aspekte des Verhältnisses der Romanfigur ... zu ihren Kindern den Verdacht des Realitätsbezugs erweckten.

Die Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin sei rechtswidrig, da die Kunstfreiheit nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin überwiege. Unabhängig von der Wahrheit der Schilderungen seien weder das Intimleben noch die Mutter-Kind-Beziehung legitime Gegenstände öffentlicher Erörterung.

Die Beklagten hätten schuldhaft gehandelt. Aus der Widmung des Beklagten zu 2) ergebe sich, dass ihm die Erkennbarkeit der Klägerin bewusst gewesen sei. Dass sich der Beklagte zu 2) hinsichtlich der Mutter-Kind-Beziehung zumindest der Gefahr der Erkennbarkeit bewusst gewesen sei, ergebe sich aus dem Zusatz zur Widmung. Dass die Beklagte zu 1) vom Beklagten zu 2) über die Bezüge des Romans zur Realität getäuscht oder im Unklaren gelassen worden sei, sei nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund sei auch für die Beklagte zu 1) die Beeinträchtigung der Intimsphäre und der Mutter-Kind-Beziehung erkennbar gewesen. Spätestens nach der ersten außergerichtlichen Aufforderung, den Roman nicht mehr zu vertreiben, habe auch die Beklagte zu 1) von den Übereinstimmungen zwischen der Klägerin und der Romanfigur ... Kenntnis gehabt. Ein Verbotsirrtum liege nicht vor. Die Beklagten könnten sich nicht darauf berufen, dass das BVerfG und der BGH den in der "Mephisto-Entscheidung" geprägten Erkennbarkeitsbe...

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