Verfahrensgang

AG Kerpen (Aktenzeichen 54 F 142/99)

 

Gründe

1) Das Ablehnungsgesuch, über das der Senat als Familiensenat gem. § 45 II ZPO zu entscheiden hat, ist statthaft, in der Sache aber unbegründet.

Nach § 45 II ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es für die Beurteilung darauf an. Ob es aus der Sicht der Partei hinreichende vernünftige Gründe für die Besorgnis der Befangenheit gibt.

Diese Voraussetzungen einer Ablehnung sind im Streitfall zu verneinen.

2) Die Prozeßleitung des Richters begründet grundsätzlich kein Ablehnungsrecht, es sei denn, die Fehlerhaftigkeit beruhe auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür (OLG Köln FamRZ 1998, 562 m.w.N.).

Es stellt insbesondere keinen Ablehnungsgrund dar, daß der Richter in einem Verfahren betreffend ein Kind, das in einer Pflegefamilie lebt, die Herausgabe des Kindes an die leiblichen Eltern noch am gleichen Tag zum Zweck der Begutachtung in der Herkunftsfamilie anordnete, denn FGG-Entscheidungen zur Herausgabe sind sofort vollstreckbar. Ebenso kann aus der verfahrensleitenden Anordnung der erneuten Begutachtung nach einer Aufenthaltszeit bei der Herkunftsfamilie kein Ablehnungsrecht hergeleitet werden. Von einer "getarnten" Endentscheidung kann keine Rede sein. Für eine unsachliche Einstellung des Richters bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

3) Eine Befangenheitsbesorgnis ergibt sich auch nicht aus den veröffentlichten Rechtsansichten des Richters oder aus seinem Verhalten nach dem Termin vom 08.12.1999, insbesondere der Mitwirkung an Fernsehsendungen.

a) Die frühere Äußerung einer Rechtsansicht des Richters oder einer wissenschaftlichen Meinung zu einer Rechtsfrage einschließlich ihrer Publikation in Fachzeitschriften, auch hinsichtlich noch nicht publizierter aber zur Veröffentlichung vorgesehenen Beiträge, begründet kein Ablehnungsrecht (BSG NJW 1993, 2262; Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl. (1999)m § 42 Rdnr. 33).

Wie das Bundessozialgericht (aaO.) mit Recht hervorgehoben hat, setzt unsere Rechtsordnung den wissenschaftlich arbeitenden Richter voraus, der sich ständig Meinungen zu Rechtsfragen bilden muß und diese auch veröffentlichen darf. Er trägt damit zur notwendigen Diskussion von Rechtsfragen, aus der sich erst die richtige Lösung ergeben kann, bei. Wollte man bei Veröffentlichungen einen Ablehnungsgrund annehmen, würde das notwendig zu einem Veröffentlichungsverbot für Richter führen. Inder Konsequenz müßte auch der Richter abgelehnt werden können, der sich ohne eigene Veröffentlichung schon in einer Entscheidung zu einer Rechtsfrage in einer bestimmten dem Ablehnenden nachteiligen Weise geäußert hat. Es liegt auf der Hand, daß dies nicht richtig sein kann, weil es eine geordnete Rechtsprechung - in allen Instanzen - unmöglich machen würde. Wer eine Rechtsansicht des Richters, mag sie veröffentlicht sein oder nicht, nicht für richtig hält, kann dagegen Argumente im Rechtsstreit vorbringen oder die Entscheidung mit den gesetzlichen vorgesehenen Rechtsmitteln angreifen.

Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Richter sich wegen seiner geäußerten Rechtsmeinung mit der anstehenden Sache nicht mehr unvoreingenommen befassen würde. Das Gegenteil belegt im Streitfall die außerordentlich eingehende Befassung mit der Sache, denn der Richter hat vor Erlaß seiner vorläufigen Entscheidung insgesamt drei ausführlichen Termine mit den Verfahrensbeteiligten durchgeführt.

b) Ebenso stellen die Mitwirkung des Richters an Fernsehsendungen nach dem Termin vom 08.12.1999, seine Erklärungen gegenüber der Presse sowie die dort abgegebenen Stellungnahmen keinen Ablehnungsgrund dar.

Als Behördenleiter war der Richter für die Information der Presse zuständig, da beim Amtsgericht Kerpen kein besonderer Pressedezernent bestellt ist (§ 4 I LPG NW, §§ 1, 5 I der Richtlinien für die Zusammenarbeit mit der Presse, AV des Justizministers NW vom 25.06.1981, geändert durch AV vom 21.12.1984 und 01.04.1985). Allerdings soll nach § 5 III der Richtlinien ein Richter in Angelegenheiten, die zu seinen Dienstpflichten gehören, nicht mit der Unterrichtung der Presse betraut werden, wie er auch nach der § 14 II b) nicht an Fernsehsendungen mitwirken soll, die Fälle betreffen, mit denen er befaßt ist, war oder voraussichtlich sein wird.

Bei Amtsgerichten, bei denen kein Pressedezernent bestellt ist und bei denen in aktuellen Fällen auch nicht ein dafür zuständiger Richter bestellt werden kann, ist der Behördenleiter durch diese Vorschriften, die nur Soll-Vorschriften sind und nur den Rechtscharakter einer Allgemeinen Verfügung haben, aber nicht an einer Presseinformation gehindert, da dem Interesse der Allgemeinheit und der Justiz an einer sachgerechten Berichterstattung Rechnung getragen werden muß (vgl. auch § 6 betreffend Auskünfte an die Presse und § 14 I der Richtlinien betreffend die Mitw...

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