Verfahrensgang

LG Paderborn (Urteil vom 12.07.2010; Aktenzeichen 4 O 66/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 30.09.2011; Aktenzeichen V ZR 17/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.7.2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, den auf dem Grundstück der Gemarkung G, Flur X, Flurstück X gelegenen und in der Anlage des vor dem Notar Dr. V zu UR.-Nr. ###/#### beurkundeten Vertrages vom 4.11.2008 grün markierten Weg auf der gesamten Länge von 175 m in einer Breite von 3 m in Bitumen herzustellen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Herstellungsverpflichtung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 30.000,00 € leistet.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die klagende Stadt verlangt von dem beklagten Bauern Rückabwicklung eines notariellen Grundstückstauschvertrages vom 4.11.2008, weil das vom Beklagten zu übertragende, durch Einzeichnung in einen Plan definierte Grundstück - das die Klägerin zur Renaturierung eines Baches erwerben wollte - um ca. ein Drittel kleiner ist als die im Vertrag sowohl für dieses als auch für das zu tauschende Grundstück angegebene "ca."-Quadratmeterzahl. Der Beklagte macht widerklagend eine vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Herstellung eines Weges geltend.

Das Landgericht hat der Klage auf Rückübertragung des von der Klägerin erhaltenen Grundstücks unter dem Gesichtspunkt des Fehlens der Geschäftsgrundlage, wegen dessen die Klägerin berechtigterweise vom Vertrag zurückgetreten sei, nach Beweisaufnahme mit dem Hauptantrag (hilfsweise war Zahlung eines Wertausgleichs beantragt) bis auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Dass beide Parteien beim Vertragsschluss von einer vergleichbaren Größe der beiden Tauschgrundstücke ausgegangen seien, ergebe sich aus den identischen Zahlenangaben im Vertragstext. Die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des beurkundeten Textes habe der Beklagte nicht dadurch widerlegt, dass er ein Bewusstsein der Parteien von einem erheblichen Größenunterschied nachgewiesen habe. Die Zeugin I vom Landwirtschaftsverband, Beraterin des Beklagten, habe zwar bekundet, dass er keine genauen Vorstellungen von der Größe gehabt und daher auch kein "1:1"-Tauschverhältnis angenommen habe. Die Aussage sei aber nicht überzeugend, weil sie einem Schreiben der Zeugin widerspreche, in dem sie dem Beklagten gerade zur Aufnahme der konkreten Größenangabe in den Vertrag geraten habe, weil dieser sogar eine flächenmäßige Übervorteilung befürchtet habe. Die übrigen Zeugen hätten keine Gespräche über Größenverhältnisse bestätigt bzw. sogar im Gegenteil bekundet, dass die Klägerin auf eine Flächengleichheit Wert gelegt und die geringere Fläche des Beklagtengrundstücks erst nachträglich erfahren habe. Soweit sich der Beklagte auf ein am Anfang der Vertragsverhandlungen stehendes Schreiben der Klägerin vom 5.3.2008 berufe, wonach sie für die geplanten Maßnahmen eine geringere Fläche benötige als sie ihm ihrerseits in Aussicht zu stellen bereit sei, gebe es keinen sicheren Anhaltspunkt dafür, dass sie auch noch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereit gewesen sei, ihm ein größeres Grundstück ohne Geldausgleich zu übertragen, zumal sie zusätzlich die in dem Schreiben noch nicht erwähnte Herstellung des Weges übernommen habe. Die Fehlvorstellung der Parteien sei wegen der Differenz von über 10.000 qm auch wesentlich i. S. d. § 313 BGB gewesen. Angesichts dessen sei ein Festhalten am Vertrag unzumutbar. Die Möglichkeit einer bloßen Vertragsanpassung hindere den Rücktritt nicht, weil der Beklagte die Anpassung verweigert habe. Ihre vorgerichtlichen Anwaltskosten könne die Klägerin jedoch nicht erstattet verlangen; Verzug mit der Rückabwicklung habe nicht bestanden, weil die vorherigen Mahnungen nur auf Anpassung gerichtet gewesen seien. Die mit der Widerklage begehrte vertragsgemäße Herstellung des Weges schließlich könne wegen der Rückabwicklung des Vertrages nicht mehr verlangt werden.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Feststellungen und Erwägungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten. Über das Verhältnis der Tauschleistungen und damit auch der Grundstücksgrößen sei vor Vertragsschluss ausgiebig verhandelt worden. Dabei habe er selbst stets das Ziel eines für ihn günstigeren ...

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