Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob es wettbewerbsrechtlich zulässig ist, zur Werbung von Kunden für sog. "Pre-Selection-Verträge" Passanten im öffentlichen Verkehrsraum gezielt und individuell anzusprechen bzw. ansprechen zu lassen.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 7

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3-11 O 109/00)

 

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Telekommunikationsdienstleistungen. Sie streiten über die Frage, ob es wettbewerbsrechtlich zulässig ist, zur Werbung von Kunden für Pre-Selection-Verträge Passanten im öffentlichen Verkehrsraum gezielt und individuell anzusprechen bzw. ansprechen zu lassen.

Eine Kundin der Klägerin, die Zeugin Z1, wurde am 26.5.2000 und am 2.6.2000 im Eingangsbereich des Warenhauses "A" in der ... Straße in O1 vor einem Werbestand der Beklagten von Werbern mit dem Ziel angesprochen, sie für den Abschluss eines Pre-Selection-Vertrages mit der Beklagten zu gewinnen. Der genaue Ablauf der beiden Vorfälle ist streitig.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken sei unter dem Gesichtspunkt des belästigenden Anreißens wettbewerbswidrig.

Mit Urteil vom 22.12.2000 (Bl. 133 ff. d.A.) hat das LG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes i.H.v. bis zu 500.000 DM ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft - zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern der persönlich haftenden Gesellschafterin - zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen der Akquise von Pre-Selection-Kunden Passanten auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufszentren oder Geschäftspassagen gezielt und individuell anzusprechen und/oder ansprechen zu lassen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie hat eingewandt, der Klageantrag sei zu unbestimmt; außerdem erfasse der Antrag nicht die vorgetragenen Vorfälle. In der Sache hat die Beklagte die Meinung vertreten, die angegriffene Werbeform könne aufgrund geänderter Gepflogenheiten und Wertmaßstäbe mittlerweile nicht mehr generell als wettbewerbswidrig angesehen werden.

Die Beklagte hat beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage - auch in der im Berufungsverfahren modifizierten Form - abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verurteilt werden möge, es bei Meidung der genannten Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen der Akquise von Pre-Selection-Kunden Passanten auf öffentlichen Straßen, Plätzen, Märkten, Bahnhöfen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufszentren oder Geschäftspassagen gezielt und individuell anzusprechen und/oder ansprechen zu lassen, die weder ausdrücklich noch konkludent das Interesse an dem Angebot der Beklagten zum Ausdruck gebracht haben.

Zur Begründung dafür, dass für ein gezieltes und individuelles Ansprechen durch die Beklagte auf anderen öffentlichen Plätzen als dem Eingangsbereich eines Warenhauses jedenfalls Erstbegehungsgefahr bestehe, hat die Klägerin weitere Vorfälle vom 26.5.2000, 5.9.2000, 18.4.2000 vorgetragen und zusätzlich Werbeaktionen der Firma B GmbH angeführt, deren Pre-Selection-Geschäft die Beklagte offenbar übernommen habe. Die Klägerin hat klargestellt, dass ihr Klageantrag auf ein generelles Verbot des gezielten und individuellen Ansprechens von Passanten auf öffentlichen Straßen etc. gerichtet ist, nicht hingegen auf ein Verbot spezieller Einzelfälle aufgrund insoweit möglicherweise gegebener besonderer Umstände.

Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 7.2.2002 (Bd. I, Bl. 290 ff. d.A.), auf das wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung Bezug genommen wird, das Urteil des LG abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision der Klägerin hat der BGH mit Urteil vom 9.9.2004 zurückgewiesen, soweit die Klage auch darauf gerichtet ist, der Beklagten die beanstandeten Werbemaßnahmen in öffentlichen Verkehrsmitteln zu untersagen. Im Übrigen hat der BGH das Berufungsurteil vom 7.2.2002 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Auf das Revisionsurteil (Bd. II, Bl. 42 ff. d.A.) wird in vollem Umfang Bezug genommen.

Nach Zurückverweisung der Sache trägt die Klägerin vor, dass die Werber für die Zeugin Z1 bei den Vorfällen am 26.05. und 2.6.2000 nicht von vornherein eindeutig als Werber erkennbar gewesen seien. Die Klägerin behauptet, die Werber hätten "Zivilkleidung" getragen und sie hätten dem Werbestand, der im Übrigen nicht als C-Stand gekennzeichnet gewesen sei, in dem Moment der werblichen Ansprache nicht zugeordnet werden können, weil sie sich nicht hinter sondern vor dem Werbestand befunden hätten.

Die Klägerin beschränkt nunmehr ihr Unterlassungsbegehren auf ein we...

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