Leitsatz (amtlich)

Für die Begründung einer Haftung des Erstehers für noch offene Beiträge aus dem Vorjahreswirtschaftsplan, die neben die Haftung des Voreigentümers aus dem Wirtschaftsplan tritt, fehlt den Miteigentümern die Beschlusskompetenz. Der Ersteher haftet nur für die sogenannte Abrechnungsspitze (Anschluss an BGH NJW 1999, 3713).

 

Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 12.02.2010; Aktenzeichen 482 C 1346/09 WEG)

 

Tenor

I. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 12.02.2010 wird dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 1.344,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.08.2009 zu bezahlen, und die Klage im übrigen abgewiesen wird.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Das Urteil des Amtsgerichts wird im Kostenausspruch aufgehoben. Die Kosten beider Instanzen trägt die Beklagte.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.346,48 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Von einer Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II, 313a I 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft nicht in Betracht kommt: Die Revision wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 62 Abs 2 WEG n. F. ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Streitigkeit nach § 43 Nr. 2 WEG handelt (Spielbauer/Then, WEG, § 62 Rz. 6).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung hat weit überwiegend Erfolg. Die Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Wohngeldzahlung aus der Jahresabrechnung für 2007 in Höhe von 1.344,44 EUR. Lediglich in Höhe von 2,04 EUR war die Klage abzuweisen.

1. Die Beklagte hat das Wohnungseigentum durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung erworben und war vom 23.04.2008 bis zum 31.10.2008 und also zur Zeit des Beschlusses über die Jahresabrechnung für 2007 am 11.06.2008 Miteigentümerin der Klägerin.

2. Grundsätzlich gilt, dass der Ersteher in der Zwangsversteigerung nicht für die noch offenen Beiträge aus dem Wirtschaftplan für das Vorjahr (hier 2007) haftet (BGH NJW 1999, 3713 Ls. 3), sondern nur für eine darüber hinausgehende Abrechnungsspitze (BGH NJW 1999, 3713, 3715 a.E.; LG Bonn ZMR 2009, 476).

a) Ein Anspruch gegen den Ersteher auf Bezahlung der noch offenen Beiträge aus dem Vorjahreswirtschaftsplan (2007) besteht nicht.

(1) Aus dem Wirtschaftplan für das Vorjahr bzw. dem Beschluss, durch den dieser genehmigt wurde, ergibt sich eine Haftung des Erstehers nicht. Daran ändert § 10 IV WEG nichts (so BGH NJW 1999, 3713, 3715 für § 10 III WEG a.F.; a.A. Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 28 Rz. 152).

Zwar gilt der Wirtschaftplanbeschluss nach dieser Norm auch gegenüber dem Ersteher, obwohl dieser erst nach der Beschlussfassung das Miteigentum erworben hat.

Jedoch begründet der Wirtschaftsplanbeschluss zunächst einmal lediglich eine Haftung des jeweiligen Miteigentümers (LG Bonn ZMR 2009, 476; Spielbauer/Then, WEG, § 28 Rz. 19; Bärmann/Merle, WEG, 11. Aufl., § 28 Rz. 147; Abramenko, in: Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 28 Rz. 38; Niedenführ, in: Niedeführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 143): Nach § 16 II WEG knüpft die Wohngeldschuld an diese Miteigentümerstellung. Das ist bis zum Zuschlag ausschließlich der Voreigentümer. Erst danach ist das der Ersteher. Erwirbt der Ersteher erst im Jahr 2008, haftet er mithin nicht mehr für die Wohngelder, die gemäß dem Wirtschaftsplan 2007 im Jahr 2007 fällig geworden sind.

§ 10 IV WEG vermag daran nichts zu ändern. Denn die Norm erklärt lediglich den Beschluss über den Wirtschaftplan auch für den neu hinzugekommenen Ersteher für verbindlich, lässt dabei aber den Inhalt des Beschlusses unberührt.

(2) Auch aus dem Beschluss über die Jahresabrechnung ergibt sich kein Wohngeldanspruch gegen den Ersteher bezüglich der noch offenen Beiträge aus dem Vorjahreswirtschaftsplan. Das ergibt die objektive Auslegung des Beschlusses (BGH NJW 1999, 3713, 3714).

(a) Wegen ihrer Wirkung gegenüber Rechtsnachfolgern (§ 10 IV WEG) sind Beschlüsse der Eigentümerversammlung objektiv auszulegen. Maßgeblich ist der Wortlaut und Sinn des Beschlusses, wie sie sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergeben (BGH NJW 1998, 3713, 3714; Spielbauer/Then, WEG, § 23 Rz. 26). Dabei ist im Zweifel, bei Fehlen konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Eigentümer keinen rechtswidrigen Beschluss fassen wollten (BGH NJW 1999, 3713, 3715; LG Nürnberg-Fürth NZM 2010, 791 f.; Spielbauer/Then, WEG, § 28 Rz. 70).

(b) Nach diesen Grundsätzen ergibt die Auslegung des Beschlusses, durch den ohne weitere Zusätze die Jahresabrechnung genehmigt wird, dass damit eine Haftung des Erstehers für noch offene Beiträge des Rechtsvorgängers aus dem Wirtschaftsplan des Vorjahres nicht begründet werden sollte. Weder kann in dem Beschluss eine befreiende Schuldübernahme durch den Ersteher zugunsten des Voreigentümers gesehen werden (aa) noch die Begründung eines kumulativen Schul...

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