Normenkette

AGBG § 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 30.04.2002; Aktenzeichen 9 O 158/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels – das am 30.4.2002 verkündete Urteil des LG Berlin – 9 O 158/01 – geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Bürgschaftsurkunde Nr. … der R + V Allgemeine Versicherung AG i.H.v. 157.600 DM herauszugeben, jedoch nur Zug um Zug gegen

a) Übergabe der Gewährleistungsbürgschaftsurkunde Nr. … der R + V Allgemeine Versicherung AG i.H.v. 53.600 DM,

b) Übergabe einer unbedingten selbstschuldnerischen Bürgschaft i.H.v. 24.000 Euro.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 90.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten (wegen der Kosten) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil durch die Beklagte beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Sicherheit darf durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts geleistet werden.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe der dieser im Rahmen eines Bauwerkvertrags übergebenen Vertragserfüllungsbürgschaft. Wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Grundlagen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil.

Ergänzend ist festzustellen:

In den EVM (B) BVB zum Vertrag heißt es unter 6.1.

„Als Sicherheit für die Vertragserfüllung nach Nr. 32.1 ZVB/E hat der Auftragnehmer eine Bürgschaft nach dem Formblatt EFB-Sich 1 i.H.v. 5 v.H. der Auftragssumme einschl. der Nachträge zu stellen.

Leistet der Auftragnehmer die Sicherheit nicht binnen 18 Werktagen nach Vertragsabschluss (Zugang des Auftragsschreibens) bzw. der Nachtragsvereinbarung), so ist der Auftraggeber berechtigt, die Abschlagszahlungen einzubehalten, bis der Sicherheitsbetrag erreicht ist.”

Die von der Klägerin überreichte Bürgschaft war auf dem Formblatt EFB-Sich 1 gestellt. In dem Formblatt verpflichtet sich die Bürgin auf erstes Anfordern.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, dass Verzug zum Zeitpunkt der Kündigung durch die Klägerin nicht vorlag, weil es auf die Leistungshandlung ankomme und nicht auf den Zahlungseingang. Die Leistungshandlung müsse vor dem 20.3.2000, dem Tag des Eingangs der Zahlung, auf dem Konto der Klägerin gelegen haben.

Mit Schreiben vom 21.11.2002 hat die Beklagte die Herausgabe der in der Verurteilung bestimmten Bürgschaftsurkunde angeboten, Zug um Zug gegen Aushändigung einer unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft über 157.600 DM.

Die Klägerin hat ihre Anschlussberufung zurückgenommen, die sie mit dem Ziel eingelegt hat, im Wege der Klageerweiterung eine Verurteilung ohne Zug-um-Zug-Verurteilung zu erreichen, wie vom LG auf die Klage hin tenoriert.

Die Beklagte erstrebt mit der Berufung in der Hauptsache die Abweisung der Klage, hilfsweise eine Verurteilung Zug um Zug gegen Übergabe einer unbefristeten selbstschuldnerischen Bürgschaft. Die Klägerin begehrt die Zurückweisung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). In der Sache hat sie nur teilweise Erfolg.

1. In der Hauptsache ist die Berufung unbegründet. Die Klage ist schon deswegen begründet, weil der Klägerin ein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaft aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB zusteht. Denn die Klausel in den Vertragsbedingungen 6.1. der EVM (B) BVB ist gem. § 9 Abs. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 S. 1 n.F. BGB) unwirksam, weil das Verlangen nach einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern den Auftragnehmer entgegen Treu und Glauben übermäßig benachteiligt (BGH, Urt. v. 18.4.2002 – VII ZR 192/01, BGHReport 2002, 672 = MDR 2002, 1058 = NJW 2002, 2388; Urt. v. 4.7.2002 – VII ZR 502/99, MDR 2002, 1365 = BGHReport 2002, 913 = NJW 2002, 3098).

Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist nach der Rspr. des BGH unangemessen i.S.v. § 9 Abs. 1 AGBG (§ 307 Abs. 1 S. 1 n.F. BGB), wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH v. 5.6.1997 – VII ZR 324/95, MDR 1997, 929 = NJW 1997, 2598; v. 8.7.1993 – VII ZR 79/92, MDR 1993, 1083 = NJW 1993, 2738).

Durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern sollen dem Gläubiger sofort ...

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