Leitsatz (amtlich)

1. Aus mündlichen Absprachen im Vorfeld des Abschlusses eines Bühnenaufführungsvertrages (mit formularmäßigem Schriftformvorbehalt) kann eine wirksame Einwilligung des Verlages in - voraussehbare - Werkänderungen (gemäß einer mitgeteilten Inszenierungsidee) folgen, wenn

a) der Aufführende erkennbar eine klärende und verbindliche Vorentscheidung vor Abschluss des schriftlichen Vertrages erreichen wollte und

b) der Verlag nicht spätestens bei Abschluss des schriftlichen Vertrages ausdrücklich und individuell (und nicht nur formularmäßig) seine mündlichen Erklärungen als unverbindlich bezeichnet oder sich eine konkrete Einwilligung noch vorbehält.

2. Ist das Begehren des Klägers im Antrag nur auf ein Verbot der konkreten Verletzungshandlung gerichtet, aber in der Begründung auf mehrere - in ihrer Tragweite unterschiedliche - rechtliche Begründungen gestützt, so ist im Zweifel (den das Gericht grundsätzlich durch eine Befragung zu beheben hat) von einem weiten einheitlichen Streitgegenstand mit alternativen (nicht kumulativen oder nachrangigen) Begründungen auszugehen. Schon eine einzelne durchgreifende Begründung rechtfertigt dann regelmäßig das Verbot insgesamt und eine volle Kostentragungslast des Beklagten.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 16 O 708/04)

 

Tenor

1. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

2. Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 25.000 EUR.

 

Gründe

A. Die Antragsstellerin verfügt als Verlag aufgrund eines Vertrages mit dem Urheber über die ausschließlichen urheberrechtlichen Bühnenrechte an dem Werk "Die Weber" von Gerhart Hauptmann, der am 6.6.1946 verstorben ist. Der Antragsgegner ist Träger des Theaters "Staatsschauspiel Dresden".

Am 6./16.7.2004 schlossen die Parteien einen schriftlichen Aufführungsvertrag. Der Antragsgegner führte ab dem 30.10.2004 eine Bühnenfassung des Werkes "Die Weber" auf, in der u.a. sog. "Chorszenen" neu eingefügt wurden, in denen Laiendarsteller Texte sprachen, die auf aktuelle politische Verhältnisse Bezug nahmen. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner deshalb wegen vertragswidriger und gleichzeitig urheberrechtsverletzender Aufführung des von ihr lizenzierten Werkes durch das Staatsschauspiel Dresden auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Mit Beschlussverfügung vom 23.11.2004 hat das LG Berlin dem Antragsgegner untersagt, das Werk "Die Weber" von Gerhart Hauptmann (mit den im Einzelnen genannten Texten der Chorszenen) aufzuführen. Auf den Widerspruch des Antragsgegners hin hat das LG mit dem hier angefochtenen Urt. v. 11.1.2005 die Beschlussverfügung (mit an die tatsächliche Aufführung angepassten Texten der Chorszenen) bestätigt: Das Stück "Die Weber" sei - was zwischen den Parteien nicht im Streit ist - als Sprachwerk i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG gem. § 64 UrhG bis zum Ablauf von 70 Jahren nach dem Tod des Autors - mithin auch noch zur Zeit - urheberrechtlich geschützt. Die von dem Antragsgegner eingefügten Chorszenen stellten eine unzulässige Werkveränderung dar, der die Antragstellerin als Inhaberin der entsprechenden Rechte nicht (unmissverständlich und wirksam) zugestimmt habe.

Mit seiner am 31.1.2005 eingelegten und am 24.3.2005 begründeten Berufung hat der Antragsgegner begehrt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beschlussverfügung aufzuheben und den Unterlassungsantrag zurückzuweisen.

B. Der Senat hat mit Verfügung vom 22.4.2005 den Antragsgegner darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO in Betracht komme und hierzu ausgeführt:

Das LG hat i.E. zu Recht die konkrete Verletzungshandlung (gemäß dem landgerichtlichen Tenor) nach § 9b S. 1 des Aufführungsvertrages der Parteien (AS 3 - nachfolgend AV) und §§ 97 Abs. 1 S. 1, 19 Abs. 2, 23 S. 1, 39 Abs. 1 UrhG untersagt.

I. Neben dem vertraglichen Anspruch stehen der Antragstellerin - als Nutzungsberechtigte nach dem Urheber und dessen Erben - auch die gesetzlichen Unterlassungsansprüche nach §§ 97 ff. UrhG zu.

1. Zwar ist der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts nicht bereits aufgrund dieser Rechtsstellung befugt, die letztlich auf dem Urheberpersönlichkeitsrecht beruhenden Ansprüche aus §§ 97 ff. UrhG wegen Verletzung des Änderungsverbots geltend zu machen. Ihm muss vielmehr vom Urheber durch einen eigenen - wenn auch möglicherweise stillschweigend vorgenommenen - Rechtsakt die Befugnis zur Geltendmachung auch urheberpersönlichkeitsrechtlicher Ansprüche erteilt werden (BGH v. 1.10.1998 - I ZR 104/96 - Treppenhausgestaltung, MDR 1999, 623 = GRUR 1999, 230 [231]; ohne Problematisierung noch BGH - Maske in Blau, BGHZ 55, 1 [3 ff.]). Eine solche Befugnis ist in der Regel konkludent mit dem Verwertungsvertrag erteilt, wenn dieser die umfassende Wahrnehmung der Rechte des Urhebers - unter Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte - vorsieht (BGH v. 29.4.1999 - I ZR 65/96 - Laras Tochter, MDR 1999, 1454 = GRUR 1999, 984 [985]; Schricker/Wild, UrhG, 2. Aufl., § 97 Rz. 33). Auf eine ausdrückliche Ermächt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge