Leitsatz (amtlich)

Bei einer der CMR unterliegenden Beförderung bleibt der für die Ablieferung vorgesehene Ort als Gerichtsstand erhalten, wenn das Gut im Hinblick auf seine Beschädigung nicht abgeliefert, sondern zurückbefördert wird.

 

Normenkette

CMR Art. 1a, 31

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 25.06.2001; Aktenzeichen 13 U 32/01)

LG Arnsberg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG Hamm v. 25.6.2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, nimmt die in Österreich ansässige Beklagte aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz aus einem Transportvertrag in Anspruch.

Die ebenfalls in Österreich ansässige Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragte die Beklagte mit dem Transport von Computerfestplatten von G. (Österreich) zu der Firma A. in S. . Die Beklagte über-nahm am 20.2.1998 mit Frachtbrief Nr. als erste Partie zwei Paletten zu einem deklarierten Warenwert von 199.820 US$. Die Paletten wurden am 23.2.1998 zunächst in das Lager der T. GmbH in D. und von dort aus am 25.2.1998 nach S. gebracht. Da die Verpackung der einen Palette beschädigt war, verweigerte die Firma A. die Annahme der Sendung. Die beiden Paletten wurden daraufhin zurück zu der T. GmbH nach D. verbracht. Die von der Beklagten über die Annahmeverweigerung unterrichtete Versicherungsnehmerin der Klägerin erteilte die Weisung, die Sendung nach G. zurückzubefördern.

Am 3.3.1998 übernahm die Beklagte von der Versicherungsnehmerin der Klägerin als zweite Partie mit Frachtbrief Nr. eine weitere Palette mit einem deklarierten Wert von 134.752 US$ zum Transport von G. nach S. .

Auf Grund der Weisung der Versicherungsnehmerin der Klägerin beauftragte die Beklagte die T. GmbH am 5.3.1998 mit der Rücksendung der Sendung v. 20.2.1998. Die Paletten wurden neu foliert und zusammengefasst und mit neuem Frachtbrief Nr. nach G. zurückbefördert. Versehentlich wurde dabei die zwischenzeitlich eben-falls in D. eingetroffene Sendung v. 3.3.1998 der Sendung v. 20.2.1998 beigegeben.

Nach dem Eintreffen der Sendung am 11.3.1998 reklamierte die Versicherungsnehmerin der Klägerin den Verlust einer Palette mit 500 Festplatten aus der Sendung v. 20.2.1998 und von 40 Festplatten aus der Sendung v. 3.3.1998. Die Beklagte zahlte daraufhin an die Versicherungsnehmerin der Klägerin den von ihr auf der Grundlage des Art. 23 Abs. 3 CMR berechneten Haftungshöchstbetrag von 9.703,80 US$.

Die Klägerin geht von einem Gesamtschaden i. H. v. 80.077,60 US-$ aus und hat an ihre Versicherungsnehmerin daher weitere 70.373,80 US-$ gezahlt. Diesen Betrag verlangt sie im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten ersetzt.

Nach der Auffassung der Klägerin ist das von ihr angerufene LG Arnsberg international, örtlich und sachlich zuständig. Der Beklagten sei ein grobes Organisationsverschulden anzulasten. Diese habe die beiden Partien vollständig und unbeschädigt übernommen und mit Schreiben v. 17.3.1998 den Verlust von 540 Festplatten in ihrem Gewahrsam anerkannt.

Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, sie habe mit der Versicherungsnehmerin der Klägerin seit Anfang 1994 auf der Grundlage der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) zusammengearbeitet, gemäß deren § 65 Buchst. b der Ort der Handelsniederlassung der Beklagten als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart sei. Da der Schaden nach der Behauptung der Klägerin auf dem Rücktransport von D. nach W. ein-getreten sei, habe sich der Ablieferungsort im Übrigen nicht in S. , sondern in G. befunden.

Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat das LG für zuständig erachtet. Es hat dessen Urteil aufgehoben und die Sache gem. § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a. F. zur weiteren Verhandlung an das LG zurückverwiesen (OLG Hamm v. 25.6.2001 - 18 U 33/00, OLGReport Hamm 2001, 333 = TranspR 2001, 397 = VersR 2002, 338).

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die Zuständigkeit des LG Arnsberg bejaht und hierzu ausgeführt:

Die internationale Zuständigkeit folge aus Art. 31 Abs. 1 Buchst. b CMR, der nicht durch Art. 57 EuGVÜ verdrängt werde. Maßgebend sei danach der vertraglich vereinbarte Ort der Ablieferung. Gemäß Art. 12 Abs. 1 CMR verbleibe die Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Transportgutes allerdings bis zur Ablieferung beim Absender, wobei dieser auch einen anderen Ort der Ablieferung bestimmen könne. Eine entsprechende Änderung sei im Streitfall jedoch nicht erfolgt. Zwar habe die Beklagte, wie in Art. 15 Abs. 1 CMR vorgesehen, im Hinblick auf die Ablieferungshindernisse nach der Ankunft des Transportgutes am Bestimmungsort Weisungen der Absenderin eingeholt. Diese habe daraufhin jedoch keinen neuen Ablieferungsort mitgeteilt, sondern den Rücktransport des Transportgutes angeordnet. Damit sei es bei dem ursprünglich nach dem Vertrag vorgesehenen Ablieferungsort in S. verblieben. Die Vorschrift des Art. 31 CMR enthalte eine ausschließliche und nach Art. 41 CMR nicht abdingbare Zuständigkeitsbestimmung. Im Hinblick darauf sei § 65 Buchst. b AÖSp nicht anwendbar und damit das LG Arnsberg gem. Art. 1a CMR örtlich und sachlich zuständig.

II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Zuständigkeit des LG zu Recht bejaht.

1. Das Revisionsgericht ist befugt, die deutsche internationale Zuständigkeit zu überprüfen. Die Vorschrift des § 549 Abs. 2 ZPO a. F., die hier gem. § 26 Nr. 7 S. 1 EGZPO anzuwenden ist, gilt nicht für die internationale Zuständigkeit (vgl. BGH v. 21.11.1996 - IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127 [129 f.] = MDR 1997, 288).

2. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Anwendung des Art. 31 CMR im Streitfall nicht durch Art. 57 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 20 EuGVÜ ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urt. v. 27.2.2003 - I ZR 58/02, MDR 2003, 1068 = BGHReport 2003, 1037 = TranspR 2003, 302 [303] = NJWRR 2003, 1347 m. w. N.; vgl. auch Urt. v. 20.11.2003 - I ZR 102/02, BGHReport 2004, 322, Umdr. S. 6 f.). Mit Recht hat es auch angenommen, dass § 65 Buchst. b AÖSp wegen Unvereinbarkeit mit der ausschließlichen und nicht abdingbaren Zuständigkeitsbestimmung in Art. 31 CMR insgesamt nicht anwendbar ist (vgl. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Art. 31 CMR Rz. 6) und daher der sich aus Art. 1a CMR (Zustimmungsgesetz) ergebenden Zuständigkeit des LG Arnsberg nicht entgegensteht.

3. Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass der Absender gem. Art. 12 Abs. 1 CMR bis zur Ablieferung des Gutes über dieses verfügen und daher insbesondere den Ort der Ablieferung (Art. 6 Abs. 1 Buchst. d CMR) ändern kann. Dieser wird grundsätzlich durch den Beförderungsvertrag bestimmt, kann aber durch im Rahmen des Art. 12 CMR liegende Weisungen des Absenders nachträglich geändert werden (Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Art. 31 CMR Rz. 4; Helm, GroßKomm HGB, 4. Aufl., Anh. VI nach § 452 CMR Art. 12 Rz. 13, 15). Der für die Ablieferung vorgesehene Ort bleibt aber dann als Gerichtsstand erhalten, wenn das Gut im Hinblick auf seine Beschädigung nicht abgeliefert, sondern zurückbefördert wird (OLG Karlsruhe v. 20.12.1995 - 9 U 281/94, TranspR 1996, 203 [204]; Cour d'appel de Poitiers BullT 1971, 168 [169]; Basedow in MünchKomm/HGB, Art. 31 CMR Rz. 22 Fn. 55; Helm, GroßKomm HGB, CMR Art. 31 Rz. 41 Fn. 151m. umfangr. N.). Soweit Koller (Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Art. 31 CMR Rz. 4) der gegenteiligen Auffassung ist, erkennt er zwar an, dass der Frachtführer in seinem Vertrauen auf einen Gerichtsstand im Staat des ursprünglichen Ablieferungsortes grundsätzlich schutzwürdig ist, meint aber, dass sein Interesse durch das Recht zur Ausladung gem. Art. 16 Abs. 2 CMR ausreichend geschützt ist. Er berücksichtigt dabei aber nicht genügend, dass die Ausladung für den Frachtführer gemäß Art. 16 Abs. 2 S. 2 und 3 CMR auch mit nicht unerheblichen Verpflichtungen verbunden ist und daher für diesen möglicherweise keine Alternative darstellt, die geeignet ist, die sich für ihn aus dem Verlust eines Gerichtsstands ergebenden Nachteile auszugleichen.

III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1124887

BGHR 2004, 767

EBE/BGH 2004, 4

NJW-RR 2004, 762

MDR 2004, 762

VersR 2004, 1027

TranspR 2004, 169

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