Leitsatz (amtlich)

Eine fehlerhafte Auswahl der richterlichen Mitglieder eines Richterwahlausschusses führt nicht dazu, dass von diesem gewählte und dann ernannte Berufsrichter nicht gesetzliche Richter sein können und der Spruchkörper, dem sie angehören, nicht ordnungsgemäß besetzt ist.

Es kann regelmäßig keine Erstattung von Kosten verlangt werden, die ein Prozessbevollmächtigter späterer Instanz für die Anfertigung von Ablichtungen von Bestandteilen von Gerichtsakten verauslagt hat, über welche die Handakten eines früheren Prozessbevollmächtigten nach § 50 Abs. 1 BRAO ein geordnetes Bild geben müssen.

 

Normenkette

GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; ZPO § 91 Abs. 2 S. 1 1. Halbs., § 579 Abs. 1 Nr. 1; BRAGO § 27 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Brandenburgisches OLG (Beschluss vom 24.06.2004; Aktenzeichen 6 W 11/04)

LG Frankfurt (Oder)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 6. Zivilsenats des OLG Brandenburg v. 24.6.2004 aufgehoben, soweit hiermit die auf Grund des Urteils des BGH v. 7.1.2003, berichtigt durch Beschluss v. 12.3.2003, von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten zweiter Instanz auf mehr als 14.075,78 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 14.2.2003 festgesetzt worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird der die Kosten zweiter Instanz betreffende Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 70,04 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist durch am 12.3.2003 berichtigtes Urteil des Senats v. 7.1.2003 verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Auf Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten hin hat der Rechtspfleger des LG die von der Klägerin dem Beklagten zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens auf insgesamt 14.153,47 EUR festgesetzt. In diesem Betrag sind 77,69 EUR für die Fertigung von Fotokopien der erstinstanzlichen Gerichtsakte (320 Seiten) enthalten. Wegen der Festsetzung auch dieses Betrags hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt. Nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger hat das OLG die Ablichtung von insgesamt 277 Seiten als berechtigt anerkannt, so dass sich insoweit ein festzusetzender Betrag von 70,04 EUR ergebe, und den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG entsprechend neu gefasst.

Die Klägerin verfolgt nunmehr mit der Rechtsbeschwerde ihr Begehren nach vollständiger Zurückweisung des das Berufungsverfahren betreffenden Kostenfestsetzungsantrags weiter, soweit dieser wegen der Fertigung von Fotokopien aus der erstinstanzlichen Gerichtsakte gestellt ist.

II. Die vom OLG zugelassene und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit der festgesetzte Erstattungsbetrag 14.075,78 EUR nebst Zinsen übersteigt.

1. Keinen Erfolg hat allerdings die Verfahrensrüge der Klägerin, an dem angefochtenen Beschluss des OLG habe mindestens ein Richter mitgewirkt, der von einem Wahlausschuss gewählt worden sei, der nicht dem Richtergesetz des Landes Brandenburg entsprechend besetzt gewesen sei. Dabei kann dahinstehen, ob der von der Klägerin unter Hinweis auf Verlautbarungen des zuständigen Ministeriums und der Presse erhobene Vorwurf, Brandenburgs Richterstellen seien wegen eines Widerspruchs der für die Wahl von Richtern erlassenen Verordnung mit dem Richtergesetz des Landes seit 1993 "formal falsch besetzt" worden und mindestens einer der am angefochtenen Beschluss mitwirkenden Richter sei hiervon betroffen. Denn der behauptete Fehler bedeutet weder, dass die Klägerin entgegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden ist, noch, dass der beschließende Senat des OLG Brandenburg nicht vorschriftsmäßig besetzt war.

a) Damit ein mitwirkender Richter - abgesehen von weiteren hier nicht interessierenden Voraussetzungen - gesetzlicher Richter ist, muss er wirksam zum Richter bestellt sein (BVerfG, Beschl. v. 10.5.1992 - 2 BvR 528/92, DtZ 1992, 281, unter Hinweis auf Art. 92 GG). Bei einem Berufsrichter reicht dazu nach § 17 DRiG aus, dass er durch Aushändigung einer entsprechenden Urkunde ernannt ist. Ein bloßer Mangel des Auswahlverfahrens, wie er hier geltend gemacht ist, entzieht damit grundsätzlich niemand seinem gesetzlichen Richter (BGH, Beschl. v. 16.9.2004 - III ZR 201/03, MDR 2004, 1448 = BGHReport 2005, 203 = NJW 2004, 3784; BVerfG, Beschl. v. 27.10.1996 - 2 BvR 1375/96; BGHSt 38, 47). Etwas Anderes kann erst gelten, wenn vorgekommene Fehler die Zusammensetzung der Richterbank im Einzelfall als manipuliert erscheinen lassen können (BVerfG, Beschl. v. 27.10.1996 - 2 BvR 1375/96). Sieht das Richtergesetz des betreffenden Landes als die Ernennung vorbereitende Maßnahme eine Wahl durch einen Richterwahlausschuss vor, mag diese Ausnahme gegeben sein, wenn von einer Wahl im Rechtssinne überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann (BGHSt 26, 206). Davon kann hier jedoch nicht die Rede sein, weil ein - wie gesetzlich vorgesehen - aus Richtern, Landtagsabgeordneten und einem Rechtsanwalt bestehender Wahlausschuss die betreffenden Richter gewählt hat, die richterlichen Mitglieder des die Richterwahl durchführenden Ausschusses ihrerseits nach Maßgabe der einschlägigen Landesverordnung gewählt sind und nur in Frage steht, ob deren Wahl auch den Vorgaben des Richtergesetzes des Landes Brandenburg entspricht.

b) Entsprechendes gilt für die Rüge nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Senats des OLG, der den angefochtenen Beschluss getroffen hat. Der geltend gemachte Mangel des Verfahrens bei der Auswahl der zu ernennenden Berufsrichter kann auch die ordnungsgemäße Besetzung dieses Gerichts nicht in Frage stellen (BGHZ 38, 47), weil das beanstandete Geschehen für die Bestimmung der konkret zuständigen Richter nur vorbereitende Bedeutung hat.

2. In der Sache ist die Rechtsbeschwerde jedoch begründet.

a) Die allein streitigen Kosten für die Fertigung von Ablichtungen aus der erstinstanzlichen Gerichtsakte macht der Beklagte als Teil des an seinen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zu zahlenden Betrags geltend. Die Erstattungsfähigkeit richtet sich deshalb - entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde - nicht nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, sondern nach § 91 Abs. 2 S. 1 1. Halbs. ZPO (BGH, Beschl. v. 4.2.2003 - XI ZB 21/02, MDR 2003, 596 = BGHReport 2003, 513 = NJW 2003, 1532). Hiernach gelten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei stets als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (BGH, Beschl. v. 27.3.2003 - V ZB 50/02, Umdr. S. 4; Beschl. v. 4.2.2003 - XI ZB 21/02, MDR 2003, 596 = BGHReport 2003, 513 = NJW 2003, 1532). Wird Erstattung von Fotokopiekosten verlangt, die der Prozessbevollmächtigte der obsiegenden Partei verauslagt hat, ist deshalb allein zu prüfen, ob der Prozessbevollmächtigte ggü. der von ihm vertretenen Partei Anspruch auf deren Ersatz hat.

b) In Anbetracht des Zeitpunkts, zu dem der Beklagte seinen zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beauftragt hat, richtet sich das im Streitfall nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (§ 61 RVG). Hiernach ist maßgeblich, ob die Herstellung der streitigen Ablichtungen zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Das ist aus der Sicht zu beurteilen, die ein verständiger und durchschnittlich erfahrener Prozessbevollmächtigter (OVG NW BauR 2002, 530; LSG Thür. JurBüro 2004, 430) haben kann, wenn er sich mit der betreffenden Gerichtsakte beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der dann noch erforderlichen eigenen Bearbeitung der Sache auftreten können (LSG Rh.-Pf. NZS 1998, 2007; BayVGH NVwZ-RR 2001, 413, m.w.N.). Wenn deshalb im Rahmen der Festsetzung der von dem unterlegenen Gegner zu erstattenden Beträge und deren Überprüfung auch kein kleinlicher Maßstab angelegt werden darf (BayVGH NVwZ-RR 2001, 413, m.w.N.), sind gleichwohl nicht erstattungsfähig nicht nur - wie das OLG meint - Kosten für die Ablichtung von Aktenbestandteilen, die für das weitere Vorgehen des Rechtsanwalts von vornherein irrelevant sind, sondern auch Kosten für Aktenbestandteile, von denen der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte sicher erwarten konnte, dass von ihnen bereits Ablichtungen gefertigt sind oder Abschriften existieren und hierauf rechtzeitig zurückgegriffen werden kann. Dann kann es nicht geboten sein, nochmals Ablichtungen zu fertigen, um die Sache sachgerecht bearbeiten zu können (LSG Rh.-Pf. NZS 1998, 207). Die insoweit gebotene Handlung besteht dann darin, für den Erhalt dieser Ablichtungen und Abschriften zu sorgen, und die Fertigung eigener Kopien aus der Gerichtsakte kommt erst in Betracht, wenn und soweit vorhandene Ablichtungen und Abschriften gleichwohl nicht rechtzeitig zu dem Prozessbevollmächtigten gelangen.

c) Hiervon ausgehend ist die Festsetzung von 70,04 EUR unberechtigt. Gemäß § 50 Abs. 1 BRAO hatte der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten Handakten anzulegen, die ein geordnetes Bild über die von diesem entfaltete Tätigkeit geben können. Hierzu gehört jedenfalls die Sammlung der von den Parteien in erster Instanz gewechselten Schriftsätze. Gemäß §§ 667, 675 BGB hatte der Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe dieser Handakten. Dieser Anspruch konnte durch Übersendung an den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten realisiert werden. Diese Übersendung war gem. § 37 Nr. 7 BRAGO auch Teil der zu dem erstinstanzlichen Rechtszug gehörenden, von dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zu erledigenden Tätigkeiten. Der zweitinstanzliche Rechtsanwalt des Beklagten konnte deshalb erwarten, auf diesem Wege beispielsweise die erstinstanzlichen Schriftsätze der Parteien auch auf andere Weise als durch eigene Ablichtung aus der Gerichtsakte zu erhalten und der weiteren eigenen Bearbeitung der Sache zu Grunde legen zu können. Denn etwas Gegenteiliges ist vom OLG nicht festgestellt und kann deshalb auch der rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht zu Grunde gelegt werden. Insbesondere ist nichts dafür festgestellt, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Handakten des erstinstanzlichen Kollegen im Streitfall bei entsprechender Anforderung nicht rechtzeitig erhalten hätte.

d) Allenfalls hinsichtlich der gerichtlichen Verfügung, auf Grund der die Klage zugestellt worden ist, der Zustellungsurkunde und des die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an den Gegner betreffenden Empfangsbekenntnisses bestand unter diesen Umständen Anlass zu Zweifeln, ob auch sie in Ablichtung oder Abschrift in den Handakten des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Beklagten enthalten und rechtzeitig zu erhalten sind. Auch insoweit ist jedoch nicht ersichtlich, warum es gerade der Herstellung von Fotokopien aus der Gerichtsakte bedurfte, um die Sache sachgerecht bearbeiten zu können. Bedeutsam sind insoweit jeweils nur der Vorgang und sein Zeitpunkt. Diese Umstände lassen sich jedoch ohne weiteres nach Akteneinsicht in Form entsprechender Vermerke in der eigenen Handakte festhalten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

NJW 2005, 2317

BGHR 2005, 1148

JurBüro 2005, 480

MDR 2005, 956

Rpfleger 2005, 480

AGS 2005, 306

RVG-B 2005, 136

RVGreport 2005, 274

Mitt. 2005, 327

ProzRB 2005, 255

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge