Leitsatz (amtlich)

Sind mehrere Beklagte als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, so beläuft sich der Wert der mit der angestrebten Revision aller verurteilten Beklagten geltend zu machenden Beschwer i. S. d. § 26 Nr. 8 EGZPO maximal auf den (einfachen) Betrag der Verurteilung. Der Verurteilungsbetrag ist nicht mit der Anzahl der verurteilten Beklagten zu vervielfältigen.

 

Normenkette

ZPO §§ 2-3, 5; EGZPO § 26 Nr. 8

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Urteil vom 19.11.2002)

LG Ansbach

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten zu 2, 3 und 4 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Nürnberg v. 19.11.2002 wird auf ihre Kosten verworfen.

Streitwert: 7.200 Euro

 

Gründe

I.

Der Kläger hat die Beklagten zu 2, 3 und 4 als verantwortliche Mitarbeiter einer Zeitung anlässlich einer darin erschienenen Artikelserie als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das LG hat den Anträgen des Klägers insoweit teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Den Streitwert hinsichtlich der genannten Beklagten hat es auf insgesamt 7.200 Euro festgesetzt. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten zu 2, 3 und 4.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der von den Beklagten mit einer Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, § 544 ZPO).

Die Beschwerdeführer errechnen einen Wert der beiden noch im Streit befindlichen Anträge von insgesamt 12.425,84 Euro. Sie vertreten die Auffassung, die Nichtzulassungsbeschwerde sei gleichwohl zulässig, weil dieser Wert für jeden von ihnen in Ansatz zu bringen sei; der Wert des Beschwerdegegenstandes betrage 30.677,52 Euro. Dem kann nicht gefolgt werden.

Nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist maßgebend für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem angestrebten Revisionsverfahren (BGH, Beschl. v. 27.6.02 - V ZR 148/02, BGHReport 2002, 898 = MDR 2002, 1331 = NJW 2002, 2720). Dabei kann nicht zweifelhaft sein, dass für die Wertberechnung die allgemeinen Grundsätze der §§ 3 ff. ZPO gelten (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 544 Rz. 3, 4, § 511 Rz. 13 ff., Anh § 511; Wenzel in MünchKomm/ZPO, Aktualisierungsband, § 544 Rz. 21 ff.; Zöller/Gummer, ZPO, EGZPO, 24. Aufl., § 26 Rz. 15). § 26 EGZPO enthält keine eigenen Wertvorschriften, sondern setzt deren Existenz und das dazu bestehende begriffliche Instrumentarium erkennbar voraus. Das Fehlen der - in der Beschwerdebegründung vermissten - Änderung des § 2 ZPO dahin, dass die nachfolgenden Vorschriften auch dann gelten, wenn es auf den Beschwerdegegenstand oder die Beschwer nach § 26 EGZPO ankommt, ist unschädlich. Daraus lässt sich entgegen der in der Beschwerdebegründung vertretenen Auffassung insbesondere nicht herleiten, dass nach dem Willen des Gesetzgebers gesicherte Bewertungsgrundsätze bei der Anwendung des § 26 EGZPO nicht zur Anwendung kommen dürfen. Eine solche Absicht ergibt sich weder aus dem Gesetz selbst noch aus den Materialien zur ZPO-Reform. Die Beschwerde trägt auch keine dahin gehenden tragfähigen Anhaltspunkte vor.

Demnach gilt auch bei Anwendung des § 26 Nr. 8 EGZPO der Grundsatz, dass bei der Klage von Streitgenossen oder deren Inanspruchnahme durch eine Klage eine Wertaddition nicht stattfindet, wenn die verfolgten Ansprüche wirtschaftlich identisch sind (RGZ 116, 306 [309]; BGH BGHZ 7, 152 [153 f.]; Beschl. v. 28.10.1980 - VI ZR 303/79, NJW 1981, 578 und Beschl. v. 23.10.1990 - VI ZR 135/90, MDR 1991, 427 = NJW-RR 1991, 186; Beschl. v. 23.6.1983 - IVa ZR 136/82, MDR 1984, 33 = NJW 1984, 927 [928]; Urt. v. 23.5.1989 - IVa ZR 88/88, NJW-RR 1989, 1206; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, S. 164 ff.).

Von wirtschaftlicher Identität ist bei gegen Gesamtschuldner gerichteten gleichen Ansprüchen auszugehen (RGZ 116, 306 [309]; BGH BGHZ 7, 152 [154]; Beschl. v. 23.10.1990 - VI ZR 135/90, MDR 1991, 427 = NJW-RR 1991, 186; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 511 Rz. 17; Anh § 511 Rz. 7; Wenzel in MünchKomm/ZPO, Aktualisierungsband, § 544 Rz. 23; Schwerdtfeger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 5 Rz. 3 f.; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., S. 5 Rz. 8, 13 ff.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rz. 3762 ff.; Zöller/Herget, , ZPO, 24. Aufl., § 5 Rz. 8; Frank, Anspruchsmehrheiten im Streitwertrecht, S. 195 f.). Der Grund dafür liegt darin, dass der Kläger die von den mehreren Beklagten geforderte Leistung aus Gründen des materiellen Rechts insgesamt nur einmal verlangen kann (BGH BGHZ 7, 152 [154]). Wegen dieses materiellrechtlichen Ansatzes können die auf § 2 ZPO und § 5 ZPO abstellenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung nicht überzeugen. Das Additionsverbot stellt für die vorliegende Fallgestaltung gerade eine Ausnahme zu der gesetzlichen Regelung in § 5 Hs. 1 ZPO dar. Es ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern aus der Überlegung, dass eine Wertaddition bei der Berechnung des Streitwerts oder der Beschwer nicht gerechtfertigt ist, wenn zwar mehrere Schuldner in Anspruch genommen werden und damit auch verschiedene Streitgegenstände vorliegen, die Leistung, auf die jeder (Gesamt-) Schuldner in Anspruch genommen werden kann, indes nur einmal zu bewirken ist und die Erfüllung durch einen Gesamtschuldner auch für die übrigen Gesamtschuldner wirkt (§§ 421 f. BGB). Da die mehreren in Anspruch genommenen Gesamtschuldner im Falle der Verurteilung insgesamt nicht mehr schulden als den eingeklagten Betrag (vgl. auch § 426 BGB), ist diese Überlegung auch für die Bewertung ihrer Beschwer maßgebend.

Danach kann hier dahinstehen, ob § 5 ZPO auf die Berechnung der Rechtsmittelbeschwer überhaupt anwendbar ist (BGH, Urt. v. 28.9.1994 - XII ZR 50/94, MDR 1995, 198 = NJW 1994, 3292; E. Schneider, NJW 1992, 2680 f.). Auch auf die in der Beschwerdebegründung herangezogenen Ausführungen des BGH in dem Beschl. v. 27.6.2002 (BGH, Beschl. v. 27.6.2002 - V ZR 148/02, BGHReport 2002, 898 = MDR 2002, 1331 = NJW 2002, 2720 [2721]) kommt es hier nicht an.

Die Beschwerde ist demnach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1090797

BGHR 2004, 638

BauR 2004, 560

NJW-RR 2004, 638

ZAP 2004, 226

MDR 2004, 406

VersR 2004, 882

RVG-B 2004, 104

SVR 2004, 141

ProzRB 2004, 97

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