Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsurteil. Erledigungserklärung. Klageabweisung. Summe der entstanden Kosten als Beschwerdewert. Beschwerdewert anhand Differenzrechnung bei Teilerledigung und laufender mündlichen Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

a) Bei Feststellung der Erledigung im Berufungsurteil bemisst sich auch die Beschwer des weiter Klageabweisung begehrenden Beklagten grundsätzlich nach der Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten.

b) Die Beschwer bei Teilerledigung vor Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren ist mit einer Differenzrechnung (dazu BGH, Urt. v. 9.3.1993 - VI ZR 249/92, MDR 1994, 317 = NJW-RR 1993, 765; Beschl. v. 9.5.1996 - VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210) zu ermitteln.

 

Normenkette

EGZPO § 26 Nr. 8

 

Verfahrensgang

OLG München (Urteil vom 07.11.2002; Aktenzeichen 19 U 2222/02)

LG München I

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 19. Zivilsenates des OLG München v. 7.11.2002 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Streitwert: bis 6.000 EUR.

 

Gründe

I.

Das OLG hat die Berufung des Beklagten gegen ein auf Räumung und Herausgabe lautendes Teilurteil des LG nach einseitiger Erledigungserklärung des Klägers zurückgewiesen und antragsgemäß festgestellt, dass der Beklagte zur Räumung und Herausgabe verpflichtet war. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat es dem Beklagten auferlegt und die Revision nicht zugelassen. In erster Instanz ist der Rechtsstreit hinsichtlich einer Widerklage des Beklagten auf Feststellung der Schadensersatzpflicht nach Kündigung eines Gewerbemietverhältnisses und eines Franchisevertrages weiter anhängig.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Beklagte die Zulassung der Revision, mit der er die Abweisung der Klage erreichen will.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwer des Beklagten erreicht nicht die Wertgrenze von 20.000 EUR gem. § 26 Nr. 8 EGZPO:

Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO ist der Wert des Beschwerdegegenstandes aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend, wobei die Wertberechnung nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO vorzunehmen ist (BGH, Beschl. v. 27.6.2002 - V ZR 148/02, BGHReport 2002, 898 = MDR 2002, 1331 = NJW 2002, 2720; Beschl. v. 25.11.2003 - VI ZR 418/02, BGHReport 2004, 638 = MDR 2004, 406 = NJW-RR 2004, 638 f.).

Den Wert der Beschwer und damit die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Es obliegt aber grundsätzlich dem Beschwerdeführer darzulegen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 EUR übersteigt, erstreben will (BGH, Beschl. v. 27.6.2002 - V ZR 148/02, BGHReport 2002, 898 = MDR 2002, 1331 = NJW 2002, 2720 [2721]).

Nach einseitiger Erledigungserklärung bestimmt sich der Wert der Beschwer nach der Summe der bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung entstandenen Kosten (BGH, Beschl., v. 30.9.1998 - XII ZR 163/98, NZM 1999, 21; Beschl. v. 17.6.2003 - XI ZR 242/02, BGHR Nebengesetze 1, 2. Folge EGZPO § 26 Nr. 8 Beschwer 1; Beschl. v. 9.5.1996 - VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210, jeweils m.w.N.).

Von Ausnahmefällen (BGH, Beschl. v. 8.12.1981 - VI ZR 161/80, MDR 1982, 571 = NJW 1982, 768) abgesehen, tritt an die Stelle des Sachinteresses nach Feststellung der Erledigung auf einseitige Erklärung einer Partei hin für beide Parteien das Kosteninteresse.

Für einen solchen Ausnahmefall bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Es ist nicht ersichtlich, dass aus einer Entscheidung über die Räumungsklage rechtskraftfähige Feststellungen zum behaupteten Schadensersatzanspruch hergeleitet werden können. Denn die vom Beklagten behaupteten Verstöße des Klägers gegen einen Franchisevertrag und Wettbewerbsvereinbarungen waren für den in der angefochtenen Entscheidung bejahten Räumungsanspruch nicht entscheidungserheblich. Da der Beklagte die gemieteten Räume nicht aufgeben musste, ist auch die hier angefochtene Entscheidung nicht präjudiziell für die Schadensersatzwiderklage, so dass sich auch insoweit keine zusätzliche Beschwer des Beklagten ergibt.

Durch die vom OLG getroffene Feststellung der Erledigung ist der Beklagte somit nur insoweit beschwert, als er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (BGH, Beschl. v. 13.7.1988 - VIII ZR 289/97, MDR 1989, 58 = NJW-RR 1988, 1465; Urt. v. 9.3.1993 - VI ZR 249/92, MDR 1994, 317 = NJW-RR 1993, 765; Beschl. v. 17.6.2003 - XI ZR 242/02, BGHR Nebengesetze 1, 2. Folge EGZPO § 26 Nr. 8 Beschwer 1).

Bei Teilerledigung der Hauptsache ist die Beschwer des die Erledigung in Abrede stellenden und weiter Klageabweisung begehrenden Beklagten mit einer Differenzrechnung zu ermitteln. Bei dieser Differenzrechnung sind von den Gesamtkosten die Kosten abzuziehen, die entstanden wären, wenn der Prozess ohne den erledigten Teil geführt worden wäre (BGH, Urt. v. 9.3.1993 - VI ZR 249/92, MDR 1994, 317 = NJW-RR 1993, 765; Beschl. v. 9.5.1996 - VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210).

Soweit die Beschwerde geltend macht, die auf die Klage entfallenden Kosten seien entsprechend dem Vertragsinteresse des Beklagten nach einem Streitwert von 37 Monatsmieten = 173.263,60 DM bzw. 84 Monatsmieten = 393.355,20 DM zu berechnen, vermag der Senat dem nicht zu folgen, da es für die Frage des Kosteninteresses nicht auf die Beschwer, sondern allein auf den Gebührenstreitwert ankommt, der für die Räumungsklage auf das 12-fache der Monatsmiete begrenzt ist.

Zwar hat der Kläger nach seiner Erledigungserklärung in zweiter Instanz nicht beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Klage in der Hauptsache erledigt sei, sondern Feststellung begehrt, dass der Beklagte zur Räumung und Herausgabe verpflichtet gewesen sei. Dies führt aber nicht dazu, dass die Beschwer des Beklagten sich sowohl aus den Kosten des erledigten Teils als auch zusätzlich der Beschwer durch die getroffene Feststellung zusammensetzt. Die hier getroffene Feststellung, dass der Beklagte zur Räumung und Herausgabe verpflichtet war, geht nämlich nicht über das hinaus, was auch bei schlichter Feststellung der Erledigung der Hauptsache rechtskräftig festgestanden hätte, nämlich dass die ursprüngliche Klage auf Räumung und Herausgabe zulässig und begründet war (Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 91a Rz. 46), so dass es dabei verbleibt, dass lediglich das auch mit dem hier gestellten Antrag verfolgte Kosteninteresse für die Beschwer des Beklagten maßgeblich ist.

Vorliegend ist für die Berechnung der Kosten gem. § 134 Abs. 1 BRAGO noch die BRAGO in der bis 30.6.2004 geltenden Fassung anzuwenden, da die Parteien die Rechtsanwälte im Berufungsverfahren spätestens im Mai 2002 beauftragt haben. Unter Berücksichtigung der Vorsteuerabzugsberechtigung beider Parteien sowie der in erster Instanz angefallenen Beweisgebühr errechnen sich bei einem Streitwert für Räumungs- und Widerklage von 451.810,24 DM (= 231.006,91 EUR) für die erste Instanz Kosten von rund 16.500 EUR. Für die zweite Instanz ist bei den vom Berufungsgericht unwidersprochen festgesetzten Werten für die Zeit vor (26.492 EUR) und nach (10.925 EUR) Abgabe der einseitigen Erledigungserklärung von Kosten i.H.v. rund 4.200 EUR auszugehen. Zusammen ergeben sich bei diesen Rechenschritten Kosten i.H.v. rund 20.700 EUR.

Demgegenüber hätte die Widerklage - wäre allein sie Gegenstand des Verfahrens gewesen - bei einem Streitwert in der Gebührenstufe bis 200.000 EUR Kosten von rund 15.300 EUR verursacht, und zwar nur in erster Instanz, da das Verfahren hinsichtlich der Widerklage nicht in die zweite Instanz gelangt ist. Diese Kosten sind im Wege der Differenzberechnung von den bei einem Streitwert der Gebührenstufe bis 230.000 EUR ermittelten Gesamtkosten abzuziehen. Dies ergibt als auf den erledigten Teil entfallende Kosten und damit als Beschwer des Beklagten einen Betrag von unter 6.000 EUR.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1406421

NJW-RR 2005, 1728

JurBüro 2006, 52

MDR 2006, 109

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