Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbeziehung einer betrieblichen Altersversorgung wegen voller Erwerbsminderung in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

Während eine betriebliche Altersversorgung wegen voller Erwerbsminderung, die ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits bezieht, in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen ist, wenn sonst kein höheres Anrecht aus der Zusatzversorgung besteht, und zwar unabhängig davon, ob im konkreten Fall endgültig feststeht, dass die Rente ohne Unterbrechung bis zur Altersgrenze weitergezahlt werden wird, kann eine aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Altersgrenze gezahlte Erwerbsminderungsrente nur berücksichtigt werden, wenn im konkreten Fall feststeht, dass sie sich auf die Rente wegen Alters auswirken wird (Bestätigung der bisherigen Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 24.9.1997 - XII ZB 63/95, MDR 1998, 49 = FamRZ 1997, 1535).

 

Normenkette

BGB § 1587a Abs. 2 Nrn. 2-3

 

Verfahrensgang

OLG München (Aktenzeichen 4 UF 371/03)

AG Landsberg a. Lech

 

Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen, da die beabsichtigte Rechtsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat.

 

Gründe

I.

Die Parteien haben am 22.2.1981 geheiratet. Der Scheidungsantrag des Ehemannes (Antragsteller; geboren am 29.6.1961) ist der Ehefrau (Antragsgegnerin; geboren am 9.2.1959) am 12.9.2002 zugestellt worden. Das AG - FamG - hat durch Urteil die Ehe geschieden (insoweit rechtskräftig) und den Versorgungsausgleich, der im Urteil abgetrennt worden war, nachfolgend dahin geregelt, dass es im Wege des Splittings vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen (LVA; weitere Beteiligte zu 3) auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; weitere Beteiligte zu 2) Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 155,09 EUR, bezogen auf den 31.8.2002, übertragen hat. Ferner hat es im Wege des Quasi-Splittings zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL; weitere Beteiligte zu 1) auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der BfA Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 9,39 EUR, bezogen auf den 31.8.2002, begründet. Auf die Beschwerde der VBL hat das OLG die Entscheidung dahin abgeändert, dass der Ausgleichsbetrag im Wege des Quasi-Splittings 154,99 EUR beträgt.

Dabei ist das OLG nach den Auskünften der weiteren Beteiligten zu 1) bis 4) von ehezeitlichen (1.2.1981 bis 31.8.2002; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften - jeweils monatlich und bezogen auf den 31.8.2002 - der Antragsgegnerin bei der Kommunalen Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe (ZKW; weitere Beteiligte zu 4) i.H.v. 14,90 EUR und bei der BfA i.H.v. 320,39 EUR sowie des Antragstellers bei der LVA i.H.v. 630,56 EUR und der VBL i.H.v. 314,75 EUR ausgegangen.

II.

Die beabsichtigte Rechtsbeschwerde verspricht keine Aussicht auf Erfolg, da das OLG die Anwartschaften der Parteien im Einklang mit der Senatsrechtsprechung bewertet und den Versorgungsausgleich rechnerisch zutreffend durchgeführt hat.

1. Das OLG hat die Anwartschaften der Antragsgegnerin bei der ZKW unter Hinweis auf den Senatsbeschluss v. 7.7.2004 (BGH v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422, m. Anm. Gutdeutsch = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474) (VBL) als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium volldynamisch bewertet. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Kommunale Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe hat - wie die Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden und die Bahnversicherungsanstalt, Abteilung B (BGH, Beschl. v. 8.9.2004 - XII ZB 144/04, BGHReport 2005, 26 = MDR 2005, 147 = FamRZ 2004, 1706; v. 6.10.2004 - XII ZB 133/04, BGHReport 2005, 163 = MDR 2005, 149 = FamRZ 2004, 1959) sowie die Zusatzversorgungskasse des kommunalen Versorgungsverbandes Baden-Württemberg (BGH, Beschl. v. 23.3.2005 - XII ZB 255/03) das sog. "Punktemodell" nach der von einer Arbeitsgruppe der gemeindlichen Zusatzversorgungskassen erarbeiteten Mustersatzung eingeführt. Berechnungsfehler bei der Dynamisierung, die anhand der Barwertverordnung durchgeführt wurde, sind nicht ersichtlich.

Die gesetzlichen Rentenanwartschaften der Antragsgegnerin sind unproblematisch.

2. Der Antragsteller ist seit 1.8.2002 voll erwerbsgemindert, allerdings zunächst befristet bis zum 30.4.2006. Wie sich die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers danach entwickeln wird, ist zur Zeit noch nicht bekannt.

a) Ausweislich des Rentenbescheids der LVA v. 17.6.2003 erhält er rückwirkend ab 1.8.2002 eine Rente i.H.v. monatlich 1.062,94 EUR. Die Rente ist bis zum 30.4.2006 befristet. Ob die Rente über den genannten Zeitraum hinaus weiterzuzahlen sein wird, kann im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorhergesagt werden.

Das OLG hat die Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht berücksichtigt, sondern dem Versorgungsausgleich den Ehezeitanteil der (fiktiven) Altersversorgung des Antragstellers zu Grunde gelegt. Dies ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden, da eine am Ende der Ehezeit bereits bezogene Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die das fiktiv errechnete Altersruhegeld übersteigt, nur dann im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu berücksichtigen ist, wenn im konkreten Einzelfall mit ihrer Entziehung vor Erreichen der Altersgrenze nicht mehr zu rechnen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 24.9.1997 - XII ZB 63/95, MDR 1998, 49 = FamRZ 1997, 1535 [1536]). Davon kann indessen vorliegend nicht ausgegangen werden, da der Antragsteller am 30.4.2006 erst 44 Jahre alt sein wird und zur Zeit nicht bekannt ist, ob er auf Dauer erwerbsunfähig sein wird.

b) Nach den Auskünften der VBL beträgt der Ehezeitanteil der Betriebsrente des Antragstellers 120,06 EUR. Aus dem Versicherungsverlauf ergibt sich, dass der Antragsteller ab 1.5.1991 bei der VBL versichert war, so dass die gesamte Betriebsrente, die der Antragsteller bis zum Eintritt der vollen Erwerbsminderung am 1.8.2002 erworben hat, in die Ehezeit fällt. Die VBL hat weiter mitgeteilt, dass die Betriebsrente ab 1.8.2002 gezahlt worden wäre, wenn nicht für die Zeit v. 1.8.2002 bis 31.5.2003 infolge Bezugs von Krankengeld nach § 41 Abs. 4 der Satzung der VBL die Rente vollständig geruht hätte. Ausweislich der Rentenmitteilung der VBL v. 11.11.2003 beträgt die maßgebende Betriebsrente 314,75 EUR. Diesen Betrag hat das OLG dem Versorgungsausgleich zu Grunde gelegt.

Das OLG hat dazu ausgeführt, die Voraussetzungen für den Rentenbezug wegen voller Erwerbsminderung hätten ab dem 1.8.2002, und damit vor dem Ehezeitende, vorgelegen. Dass die Rente der VBL zeitlich begrenzt sei, spiele im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung keine Rolle. Unerheblich sei auch, dass der ab 1.8.2002 begründete Rentenanspruch zunächst wegen Bezugs von Krankengeld geruht habe. Nach dem Versicherungsverlauf falle die gesamte Rente in die Ehezeit. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass nach der Satzungsänderung der VBL im Falle der Erwerbsminderung gem. § 37 Abs. 2 der Satzung der VBL für die Berechnung der Rente wegen Erwerbsminderung auch (fiktiv) Versorgungspunkte für die Zeit bis zum Erreichen des 60. Lebensjahres eingerechnet würden. Im Übrigen sei der Bruttobetrag der Rente dem Versorgungsausgleich zu Grunde zu legen; Abzüge wegen Krankenversicherung und Ähnliches seien nicht vorzunehmen. Schließlich sei die laufende Rente der VBL nach dem Senatsbeschluss v. 7.7.2004 (BGH v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422, m. Anm. Gutdeutsch = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474) als volldynamisch zu bewerten. Auch dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass eine Versorgungsrente der VBL wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, die ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits bezieht, in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einzubeziehen ist, wenn sonst kein höheres Anrecht aus der Zusatzversorgung besteht, und zwar unabhängig davon, ob im konkreten Fall endgültig feststeht, dass die Versorgungsrente ohne Unterbrechung bis zur Altersgrenze weitergezahlt werden wird (BGH, Beschl. v. 24.9.1997 - XII ZB 63/95, MDR 1998, 49 = FamRZ 1997, 1535 [1536], m.w.N.). Denn die Berücksichtigung einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist im Gesetz anders geregelt als die Erwerbsunfähigkeitsrente der VBL, die zur betrieblichen Altersversorgung gezählt wird. Für die gesetzliche Rentenversicherung bestimmt § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB, dass die auf die Ehezeit entfallende Rente oder Rentenanwartschaft grundsätzlich auf der Grundlage einer Vollrente wegen Alters zu berechnen ist. Daraus ergibt sich, dass eine aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen der Altersgrenze gezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente nur berücksichtigt werden kann, wenn im konkreten Einzelfall feststeht, dass sie sich auf die Rente wegen Alters auswirken wird. Bei der betrieblichen Altersversorgung sind dagegen nach § 1587a Abs. 2 Nr. 3 BGB Leistungen, Anwartschaften oder Aussichten auf Leistungen grundsätzlich auszugleichen. Lediglich Anwartschaften oder Aussichten auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (nicht: Leistungen der betrieblichen Altersversorgung), die zur Zeit der Entscheidung noch nicht unverfallbar sind, verweist § 1587a Abs. 2 Nr. 3 S. 3 BGB in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich. Eine wegen Eintritts des Versicherungsfalls bereits bezogene Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ist aber eine Leistung (ein Vollrecht), nicht lediglich eine Anwartschaft oder eine Aussicht auf eine Leistung. Nach der insofern eindeutigen gesetzlichen Regelung stellt sich deshalb bei einer wegen Eintritts des Versicherungsfalls bereits bezogenen Erwerbsunfähigkeitsrente aus der betrieblichen Altersversorgung die Frage der Unverfallbarkeit nicht (BGH, Beschl. v. 24.9.1997 - XII ZB 63/95, MDR 1998, 49 = FamRZ 1997, 1535 [1536]). An dieser Unterscheidung zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und Betriebsrente ist festzuhalten, da sich die Voraussetzungen nach § 1587a Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB nicht geändert haben. Geändert hat sich lediglich die Satzung der VBL und damit die Berechnungsmethode der Betriebsrente. Zwar sieht § 37 Abs. 2 der Satzung der VBL vor, dass dem Rentenberechtigten für die Zeit ab Eintritt der Erwerbsminderung bis zum Erreichen des 60. Lebensjahres gewisse Versorgungspunkte noch gewährt werden. Indessen handelt es sich dabei nicht um echte Zeitfaktoren, da der Rentenberechtigte tatsächlich keine Beiträge zur VBL erbringt, sondern lediglich um Bewertungsfaktoren zur Berechnung der Höhe der Rente. Fällt wie hier der gesamte Versicherungsverlauf bis zum Eintritt der Erwerbsminderung in die Ehezeit, so sind auch diese Versorgungspunkte für die Ehezeit gewährt und damit dem Versorgungsausgleich zu Grunde zu legen. Ob diese (fiktiven) Versorgungspunkte ggf. für den Fall, dass die Versicherungszeit bei der VBL bis zum Eintritt der Erwerbsminderung teilweise vor und teilweise während der Ehezeit lag, zeitratierlich aufzuteilen wären, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Dass der Bruttobetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung dem Versorgungsausgleich zu Grunde gelegt wurde, ohne individuelle Abzüge für Krankenversicherung und Ähnliches zu berücksichtigen, entspricht ebenfalls der Rechtsprechung des Senats (BGH v. 23.9.1998 - XII ZB 123/94, MDR 1999, 163 = FamRZ 1999, 218 [220], m.w.N.). Schließlich hat das OLG die bereits laufende Rente des Antragstellers bei der VBL zu Recht als volldynamisch bewertet (BGH v. 7.7.2004 - XII ZB 277/03, BGHReport 2004, 1422, m. Anm. Gutdeutsch = MDR 2004, 1240 = FamRZ 2004, 1474).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1394877

BGHR 2005, 1328

FamRZ 2005, 1461

MDR 2005, 1416

NJOZ 2005, 3598

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