Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufungsschrift. Auslegung. Bezeichnung. Beklagte

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung der Berufungsschrift, wenn nur zwei der erstinstanzlich verklagten drei Beklagten in der Rechtsmittelschrift als Berufungsbeklagte aufgeführt sind.

 

Normenkette

ZPO § 519 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Beschluss vom 17.10.2007; Aktenzeichen 3 U 148/07)

LG Essen (Urteil vom 02.05.2007; Aktenzeichen 1 O 1/4)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des OLG Hamm vom 17.10.2007 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert beträgt 180.535 EUR.

 

Gründe

I.

[1] Die Klägerin hat in dem zugrunde liegenden Arzthaftungsverfahren neben den Beklagten zu 1) und 2) (Träger des K.- Krankenhauses in B. sowie Chefarzt der Gefäßchirurgie des Krankenhauses) auch den anwaltlich gesondert vertretenen Beklagten zu 3) (einen niedergelassenen Chirurgen und ambulanten Behandler der Klägerin) in Anspruch genommen. Mit dem am 2.6.2007 zugestellten Urteil vom 2.5.2007 hat das LG die Klage gegen alle Beklagten abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es die Abweisung gesondert hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) sowie des Beklagten zu 3) begründet.

[2] Das OLG hat durch den angefochtenen Beschluss die Berufung ggü. dem Beklagten zu 3) nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Innerhalb der Berufungsfrist sei per Faxschreiben nur ggü. den Beklagten zu 1) und 2), vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten I. Instanz, ein Rechtsmittel eingelegt worden. In dieser Berufungsschrift seien ausdrücklich nur diese beiden Beklagten als Berufungsbeklagte benannt worden. Weder aus dem Schriftsatz noch aus den sonstigen Umständen lasse sich im Wege der Auslegung entnehmen, dass die Berufung sich auch gegen den gesondert vertretenen Beklagten zu 3) als den niedergelassenen Behandler richten sollte. Alleine aus der Berufungseinlegung lasse sich dies bei der gegebenen Konstellation nicht entnehmen, zumal der Berufungsschrift laut Eingangsstempel nur eine beglaubigte Abschrift beigefügt worden sei.

[3] Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur Sachentscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

II.

[4] 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Entscheidung des BGH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) nicht erforderlich.

[5] a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist den Anforderungen des § 519 Abs. 2 ZPO nur genügt, wenn bei der Einlegung der Berufung aus der Berufungsschrift sowohl der Rechtsmittelkläger als auch der Rechtsmittelbeklagte erkennbar sind oder - ggf. aus anderen im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist vorliegenden Unterlagen - eindeutig erkennbar werden. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Berufung unzulässig (vgl. BGHZ 21, 168, 170 ff.; 65, 114, 115; 113, 228, 230; BGH, Urt. v. 14.2.2008 - III ZR 73/07 - juris Rz. 6; Beschl. v. 10.10.2006 - XI ZB 14/06, NJW-RR 2007, 413, 414). An die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners sind indessen jedenfalls in denjenigen Fallgestaltungen, in denen der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen bestand, keine strengen Anforderungen zu stellen. Unter solchen Umständen richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung, d.h. gegen alle gegnerischen Streitgenossen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Rechtsmittelschrift eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt (vgl. BGH, Urt. v. 21.6.1983 - VI ZR 245/81, VersR 1983, 984, 985; BGH, Urt. v. 19.3.1969 - VIII ZR 63/67, NJW 1969, 928 f.; v. 16.11.1993 - XI ZR 214/92, NJW 1994, 512, 514 unter B. II. 1., insoweit in BGHZ 124, 151 nicht abgedruckt; v. 8.11.2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, 832; v. 14.2.2008 - III ZR 73/07 -, a.a.O.; Beschl. v. 15.5.2006 - II ZB 5/05, NJW-RR 2006, 1569, 1570). Eine solche Beschränkung kann sich, wenn auf der Gegenseite mehrere Streitgenossen stehen, beispielsweise daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige von ihnen angegeben werden (vgl. BGH, Urt. v. 19.3.1969 - VIII ZR 63/67 -, a.a.O., 929).

[6] b) Nach diesen Grundsätzen ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden, weil die Rechtsmittelschrift bei der hier gegebenen Konstellation eine Beschränkung der Anfechtung erkennen lässt.

[7] Während es sich bei den Beklagten zu 1) und 2) um den Träger des K.-Krankenhauses in B. sowie den Chefarzt der Gefäßchirurgie dieses Krankenhauses handelt, ist der Beklagte zu 3) niedergelassener Chirurg und ambulanter Behandler der Klägerin. Bei den vorgeworfenen ärztlichen Fehlern handelt es sich also um solche, die in verschiedenen Behandlungs- und Zeitabschnitten bei den Beklagten zu 1) und 2) im Rahmen einer stationären Behandlung und beim Beklagten zu 3) im Rahmen einer ambulanten Behandlung erfolgt sein sollen. Demgemäß wurden die Beklagten zu 1) und 2) und der Beklagte zu 3) beim LG durch verschiedene Prozessbevollmächtigte vertreten und das LG hat die Klageabweisung gesondert hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 2) einerseits und des Beklagten zu 3) andererseits begründet. Unter diesen Umständen ist es für das Berufungsgericht nicht außergewöhnlich, dass in der Berufungsinstanz nur noch der Komplex "stationäre Behandlung" oder der Komplex "ambulante Behandlung" zur Überprüfung gestellt wird. Da bis zum Ablauf der Berufungsfrist auch keine weiteren Unterlagen vorlagen, aus denen sich etwas anderes hätte ergeben können, durfte es mithin davon ausgehen, dass die Berufung beschränkt gegen die Beklagten zu 1) und 2) eingelegt werden sollte, weil nur diese beiden Beklagten in der Berufungsschrift genannt worden sind.

[8] Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine Zulassung auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Divergenz zum Urteil des V. Zivilsenats vom 11.7.2003 (V ZR 233/01, NJW 2003, 3203) oder zum Beschluss des II. Zivilsenats vom 5.5.2006 (II ZB 5/05, NJW-RR 2006, 1569) erforderlich. Beide Entscheidungen stehen nicht in Widerspruch zu den hier aufgezeigten Grundsätzen und der jetzigen Entscheidung.

[9] 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

BGHR 2009, 91

NJW-RR 2009, 208

MDR 2008, 1352

NZV 2009, 141

VersR 2009, 90

NJW-Spezial 2009, 155

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