Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung fiktiver Unterhaltszahlungen als Eigenmittel der aufgenommenen Person

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berücksichtigung nicht geltend gemachter (fiktiver) Unterhaltszahlungen als Eigenmittel der aufgenommenen unterhaltsberechtigten Person im Rahmen der Berechnung des Familienzuschlags der Stufe 1 gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1614 Abs. 1; BBesG § 40 Abs. 1 Nr. 4

 

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 17.03.2008 und der Widerspruchsbescheid vom 02.07.2008 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin über den 31.12.2007 hinaus den Familienzuschlag der Stufe 1 zu gewähren.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin, die als Beamtin Bezüge nach den Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes – BBesG – erhält, ist seit dem 14.11.2001 rechtskräftig geschieden. Sie hat eine inzwischen volljährige Tochter (geboren am 13.01.1986), die seit der Ehescheidung ihrer Eltern im Haushalt der Klägerin lebt. Bis zum 31.12.2007 zahlte der Beklagte nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 BBesG den Familienzuschlag der Stufe 1, weil die Eigenmittel der Tochter der Klägerin unter der Eigenmittelgrenze lagen.

Zum 01.01.2008 stellte der Beklagte die Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 ein. Den von der Klägerin hiergegen erhobenen Widerspruch wertete der Beklagte als Antrag auf Weitergewährung des Familienzuschlags, den er mit Bescheid vom 17.03.2008 ablehnte. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, dass die Höhe der Eigenmittel der aufgenommenen Person (Tochter) unklar sei. Eigenmittel seien u.a. Unterhaltszahlungen. Komme der Unterhaltspflichtige (hier: Kindsvater) seiner Verpflichtung nicht nach, könne der Unterhaltsanspruch nicht berücksichtigt werden. Dies gelte allerdings nicht, wenn zustehender Unterhalt rechtsmissbräuchlich nicht geltend gemacht werde, obwohl dies zumutbar wäre; dann sei ein den Einkommensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen entsprechender Betrag nach der Düsseldorfer Tabelle anzusetzen. Wenn die Einkommensverhältnisse nicht feststellbar seien, so sei mindestens der einfache Regelsatz zugrunde zu legen. Ein Unterhaltsverzicht zu Lasten der öffentlichen Hand sei jedenfalls nicht akzeptabel.

Zur Begründung ihres gegen den Bescheid erhobenen Widerspruchs machte die Klägerin geltend, nach dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz komme es auf den tatsächlich gezahlten Unterhalt an und nicht auf einen rechtlich geschuldeten Unterhalt, der tatsächlich nicht gezahlt werde. Der Familienzuschlag der Stufe 1 setze zunächst voraus, dass der Beamte eine andere Person nicht nur vorübergehend in seine Wohnung aufgenommen habe und ihr Unterhalt gewähre, weil er hierzu gesetzlich oder sittlich verpflichtet sei. Diese Voraussetzungen seien unstreitig erfüllt. Ein Anspruch auf den Familienzuschlag sei allerdings dann ausgeschlossen, wenn für den Unterhalt der aufgenommenen Person die gesetzliche Grenze übersteigende Eigenmittel zur Verfügung stünden. Die Formulierung “zur Verfügung stehen” bedeute zwingend, dass diese Mittel tatsächlich vorhanden sein müssten. Ein bloßer Anspruch, der tatsächlich nicht erfüllt werde, reiche insoweit nicht aus. Im gegebenen Fall zahle der Kindesvater tatsächlich nur 130,00 Euro Unterhalt im Monat. Allein dieser Betrag stehe ihrer Tochter somit “zur Verfügung” im Sinne des § 40 Abs. 1 BBesG. Dass dies anders sein solle, wenn zustehender und zumutbar realisierbarer Unterhalt rechtsmissbräuchlich nicht geltend gemacht werde, sei weder im angefochtenen Bescheid begründet noch sonst ersichtlich. Auch habe der Beklagte nicht dargelegt, aus welchen Gründen er von einem Rechtsmissbrauch ausgehe. Auch das Merkmal der Zumutbarkeit der Geltendmachung eines Unterhalsanspruchs sei nicht gegeben. Die Frage, ob jemandem die Geltendmachung eines Anspruches “zumutbar” sei, könne sich nur dann stellen, wenn ihm der Anspruch überhaupt zustehe. Der Unterhaltsanspruch gegen den Kindesvater stehe aber nicht ihr, der Klägerin, zu, sondern allenfalls ihrer Tochter. Da diese volljährig sei, könne allein sie Unterhaltsansprüche gegen ihren Vater geltend machen. Sie, die Klägerin, habe hierauf keinen Einfluss, so dass ihr auch kein Rechtsmissbrauch vorgehalten werden könne. Es könne im Übrigen auch keine Rede davon sein, dass ihre Tochter rechtsmissbräuchlich keine Ansprüche gegen ihren Vater geltend mache. Ein volljähriges Kind habe gegen seine Eltern nur noch einen Anspruch auf Barunterhalt. Da ein volljähriges Kind keiner Betreuung mehr bedürfe, habe es keinen Anspruch mehr auf Betreuungsunterhalt. Der Barunterhaltsanspruch richte sich grundsätzlich gegen beide Elternteile und zwar auch dann, we...

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