Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall der Geschäftsgrundlage bei auf Lebzeit geschlossenen Mietvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von der Einigung auf Verpflichtung zur Bestellung eines Wohnungsrechtes ist nur auszugehen, wenn der Wille zur Grundstücksbelastung genügend klar ausgedrückt wird; im Zweifel ist Miete anzunehmen.

2. Ein auf Lebenszeit geschlossener Mietvertrag kann jedenfalls dann wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage beendet werden, wenn eine Verwaltertätigkeit Grundlage des Nutzungsverhältnisses ist und der Verwaltervertrag wegen Unstimmigkeiten vorzeitig beendet wird.

3. Ein Schriftsatz in einem Räumungsrechtsstreit genügt der Form des § 568 BGB, wenn darin für den beklagten Mieter eindeutig erkennbar wird, dass eine materiell-rechtliche Willenserklärung (Kündigung) abgegeben wird.

 

Normenkette

BGB §§ 313, 568

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 13.07.2006; Aktenzeichen 17 O 148/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten vom 13.7.2006 gegen das Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des LG Kiel vom 16.6.2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 10.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.600 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Räumung einer Wohnung nebst weiterer Räumlichkeiten und Garten.

Das LG hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, die im Hause S. weg ... belegene Wohnung, bestehend aus Ober- und Untergeschoss des Hauses, sowie zwei Garagen, Verwaltungsbüro, Hühnerställe, einem großen Geflügelstall, Lager, Werkstatt und Garten zu räumen und an den Kläger geräumt herauszugeben.

Eine Räumungsfrist hat es nicht gewährt.

Zur Begründung hat das LG ausgeführt, das den Beklagten notariell eingeräumte Wohnrecht sei rechtlich ein Leihvertrag, der wegen Eigenbedarfs wirksam gekündigt worden sei. Der Vortrag der Beklagten zu einem Zurückbehaltungsrecht sei unsubstantiiert. Zur Ergänzung wird auf den Tatbestand und die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Beklagten haben gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und stützen diese auf folgende Argumente:

1. Das Wohnrecht sei nicht als Leihe zu qualifizieren.

2. Im Übrigen sei das Kündigungsrecht ausgeschlossen, und zwar durch

  • die Vereinbarung eines lebenslangen Wohnrechtes,
  • ausdrückliche mündliche Absprache (Beweis: Zeuge R., Bl. 193, 194, 195 GA).

3. Ein Eigenbedarf sei nicht in der schriftlichen Kündigungserklärung als Kündigungsgrund angegeben.

4. Ein solcher sei auch nicht gegeben, zumindest überwiege er nicht die Belange der Beklagten.

5. Räumung komme allenfalls Zug um Zug gegen Erstattung der von den Beklagten aufgewandten Kosten in Betracht.

Die Beklagten beantragen,

1. das Urteil des LG Kiel (Az. 17 O 148/05) vom 16.6.2006, zugestellt am 20.6.2006, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

2. Hilfsweise unter Aufhebung des Urteils des LG dem Räumungsantrag Zug um Zug gegen Zahlung von 16.155,10 EUR an die Beklagten als Gesamthandsgläubiger stattzugeben.

3. Den Rechtsstreit an das LG Kiel zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die Berufung ist zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Unabhängig davon,

a) ob ein wesentlicher Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Verfahrens darin zu sehen ist, dass dort auf der Grundlage des angenommenen Leihvertrages nicht dem Beweisangebot der Beklagten im Schriftsatz vom 30.11.2005 (Zeuge R., Bl. 193, 194, 195 GA) für die Behauptung nachgegangen worden ist, bei der Beurkundung des notariell vereinbarten Wohnungsrechtes und dem Verweis auf § 1093 BGB seien Kündigungsmöglichkeiten abgedungen worden, oder

b) ob ein Verfahrensmangel darin liegt, dass das LG ohne die nach § 128 ZPO erforderliche Zustimmung der Parteien im schriftlichen Verfahren entschieden hat, weil es nach dem Protokoll vom 3.5.2006 (Bl. 286 GA) bei der Entscheidung Schriftsätze beider Parteien berücksichtigen wollte, die zu dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht zur Akte gelangt waren, kann eine Aufhebung des Urteils und eine Zurückverweisung des Verfahrens an das Gericht des 1. Rechtszuges nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht erfolgen, weil nicht aufgrund dieser Mängel im Berufungsrechtszug eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist.

2. Die Beklagten schulden dem Kläger die Räumung der streitbefangenen Wohnung sowie der weiteren im Urteilstenor genannten Räumlichkeiten und des dort bezeichneten Gartens nach Kündigung des der Nutzung zugrunde liegenden Verhältnisses.

a) Das notariell vereinbarte Wohnrecht der Beklagten ist weder als Leihvertrag noch als Wohnrecht anzusehen.

aa) Ein Leihvertrag, also ein unentgeltlicher Gebr...

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