Verfahrensgang

AG Rendsburg (Entscheidung vom 10.12.2021; Aktenzeichen 130 OWi 572 Js41060/21)

 

Tenor

Das Urteil des Amtsgerichts Rendsburg vom 10. Dezember 2021 (130 OWi 572 Js41060/21) wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässig angebrachte Rechtsbeschwerde hat mit der Verfahrensrüge, mit der ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit gerügt wird, Erfolg.

Die Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes (§§ 169 Abs. 1 GVG, 338 Nr. 6 StPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 46 Abs. 1 OWiG) ist zulässig erhoben; sie entspricht insbesondere den Anforderungen des § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Es muss nicht dargelegt werden, dass sich tatsächlich jemand von der Teilnahme an der Verhandlung hat abhalten lassen.

Der Öffentlichkeitsgrundsatz gilt auch im Bußgeldverfahren (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1983, 2514; OLG Köln VRS 62, 195; Göhler, OWiG, 14. A., § 71 Rn. 56a m.w.N.). Eine der Fallkonstellationen, für die wegen geringer Bedeutung Einschränkungen erwogen werden, liegt nicht vor.

Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung gebietet es zwar nicht, dass jedermann weiß, wann und wo ein erkennendes Gericht eine Hauptverhandlung abhält. Es genügt vielmehr, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten davon Kenntnis zu verschaffen, und dass der Zutritt im Rahmen der tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist. Findet eine Hauptverhandlung in einem der Sitzungssäle eines Gerichtsgebäudes statt, so ist erforderlich aber auch ausreichend, wenn durch eine während der gesamten Sitzungsdauer aushängende Terminsrolle am Eingang des Sitzungssaales die dort stattfindenden Verhandlungen mitgeteilt werden (Wickern in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 169 Rn. 23; OLG Zweibrücken in NJW 1995, 333).

Vorliegend ist der - ursprünglich aufgehobene -Termin ohne irgendeinen entsprechenden Hinweis im Gerichtsgebäude durchgeführt worden.

Der Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz ist dem Gericht vorliegend auch zurechenbar. Der Vorsitzende hat seine Sorgfaltspflicht bezüglich der Wahrung der Öffentlichkeit nicht hinreichend erfüllt. Da die Hauptverhandlung "spontan" vom Vorsitzenden durchgeführt wurde, da die Verfahrensbeteiligten aufgrund nicht ausgeführter Abladung erschienen waren, hätte er - da er als einziger Gerichtsangehöriger Kenntnis von der Durchführung des Termins hatte - für einen entsprechenden Aushang sorgen müssen.

Da es sich bei dem Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit um einen absoluten Rechtsbeschwerdegrund handelt (§ 338 Nr. 6 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG), ist davon auszugehen, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 354 Abs. 2 StPO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15400339

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