Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeiten des FamG für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 119 Abs. 1 Nr. GVG bestimmt sich der Rechtsmittelzug - die Rechtsmittelzuständigkeit und das Rechtsmittelverfahren - nach der "formellen Anknüpfung", also danach, welcher Spruchkörper tatsächlich tätig geworden ist.

2. Nach § 1693 BGB ist für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wegen der rechtlichen Verhinderung der Eltern an der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder nicht das VormG, sondern das FamG zuständig.

3. Hat das VormG eine familiengerichtliche Zuständigkeit verletzt, ist seine Entscheidung aufzuheben und die Sache an die zuständige Abteilung für Familiensachen zur erneuten Behandlung und Entscheidung zu verweisen.

 

Normenkette

GVG § 119 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 1693

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Beschluss vom 05.10.2005; Aktenzeichen 7 T 491/05)

AG Ratzeburg (Aktenzeichen 2-VIII K 1377)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG - VormG - vom 3.6.2002 werden aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG - FamG - zurückverwiesen.

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

Die Betroffenen sind die Kinder der am 14.3.2002 verstorbenen N.G.K. und des K.J.K. Nach dem Erbschein vom 7.8.2002 - 3-IV 92/02 AG Ratzeburg - ist der Ehemann und Vater Alleinerbe der Verstorbenen. Das AG - VormG - hat durch Beschluss vom 3.6.2002 für die Betroffenen die Pflegschaft nach § 1909 BGB angeordnet mit dem Wirkungskreis "Vertretung ... im Erbscheinsverfahren vor dem AG Ratzeburg .... einschließlich der Überprüfung und ggf. Geltendmachung eventueller Pflichtteilsansprüche" und die Beteiligte zur Ergänzungspflegerin ausgewählt sowie bestellt. Mit Schriftsatz vom 12.9.2005 ließen die Betroffenen durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde gegen den Beschluss vom 3.6.2002 einlegen mit dem Ziel der Aufhebung des Beschlusses, hilfsweise der Aufhebung der Bestellung der Beteiligten. Das LG hat die Beschwerde als unzulässig verworfen, weil die Betroffenen zur Zeit der Übergabe der angefochtenen Entscheidung an die Geschäftsstelle noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet hatten (§ 59 Abs. 3 FGG). Gegen diesen Beschluss, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 146-148 d.A.), richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen, diesmal gesetzlich vertreten durch ihren Vater. Die Beteiligte ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Unabhängig davon, ob das VormG oder das FamG in der Sache zur Entscheidung berufen waren, ist das OLG - Zivilsenat - nach §§ 27, 28 Abs. 1 FGG zuständig zur Entscheidung über die weitere Beschwerde, da sich nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG der Rechtsmittelzug- die Rechtsmittelzuständigkeit und das Rechtsmittelverfahren - nach der "formellen Anknüpfung" bestimmt, also danach, welcher Spruchkörper tatsächlich tätig geworden ist (BayObLG NJWE-FER 2000, 177; Zöller/Gummer, GVG, 25. Aufl., § 119 Rz. 5 ff., m.w.N.; Keidel/Weber, FGG, 15. Aufl., Vorb. § 64 Rz. 24 ff., 24g). § 59 Abs. 3 FGG steht der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde schon deshalb nicht entgegen, weil nunmehr der Vater das Rechtsmittel als gesetzlicher Vertreter der Betroffenen nach § 1629 Abs. 1 BGB eingelegt hat. Durch einen möglichen Interessenwiderstreit ist er an der Vertretung der Betroffenen jedenfalls in einem nicht streitigen Verfahren des FGG nicht gehindert (BayObLG NJWE-FER 2000, 177; Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1795 Rz. 15, m.w.N.) Unabhängig hiervon stünde den Betroffenen nunmehr selbst ein Recht zur Einlegung der weiteren Beschwerde zu, weil sie zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung das 14. Lebensjahr vollendet hatten.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG; 546 ZPO).

Der Vater hat nunmehr die Prozessführung der Betroffenen genehmigt. Dadurch wird der Mangel ihrer Beschwerdebefugnis vor dem LG rückwirkend geheilt (Keidel/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 13 Rz. 33), so dass die Erstbeschwerde als zulässig anzuehen ist. Das AG - VormG - hat eine familiengerichtliche Zuständigkeit verletzt. Diese Frage ist im vormundschaftsgerichtlichen Instanzenzug sowohl vom Beschwerdegericht als auch vom Gericht der weiteren Beschwerde von Amts wegen zu prüfen. Die Vorschriften der §§ 621e Abs. 4 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 3 FGG sind ihrem Regelungsgehalt nach nur anwendbar, wenn ein FamG entschieden hat. Sie können auf Entscheidungen im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren auch nicht entsprechend angewendet werden (BayObLG NJWE-FER 2000, 177 [178]; OLG Zweibrücken v. 22.8.1996 - 3 W 119/96, FamRZ 1997, 684; Keidel/Weber, FGG, 15. Aufl., Vorb. § 64 Rz. 4 und 24g, jeweils m.w.N.). Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus § 1693 BGB in der seit dem 1.7.1998 geltenden Fassung, dass für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wegen der rechtlichen Verhinderung der Eltern an der Vertretung ihrer minderjährigen Kinder nicht mehr das VormG, sondern das FamG zuständig ist...

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