Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Haftung eines Gerichtssachverständigen für die Richtigkeit seines im Rahmen eines Strafverfahrens erstellten Gutachtens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unterlässt ein gerichtlich bestellter Sachverständiger die Abklärung der von ihm gestellten Diagnose durch den Einsatz einer apparativen Diagnostik zu erhärten, so gleichwohl kein fehlerhaftes Gutachten vor, wenn der Sachverständige ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich bei seiner gutachterlichen Einschätzung lediglich um eine Verdachtsdiagnose handele, und die apparative Diagnostik nicht geeignet war, die Verdachtsdiagnose zweifelsfrei zu widerlegen.

2. Zu den Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit i.S.v. § 839a Abs. 1 BGB.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 16.08.2007; Aktenzeichen 4 O 166/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 16.8.2007 verkündete Teilgrundurteil des LG Saarbrücken - 4 O 166/07 - dahingehend abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten (wegen der Kosten) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, der Beklagte leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie auf Feststellung in Anspruch mit der Begründung, der Beklagte habe in dem Strafverfahren 8-3/02 des LG Saarbrücken grob fahrlässig ein falsches psychiatrisches Gutachten erstattet, weswegen er, der Kläger, in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden sei. In dem genannten Strafverfahren war der Kläger durch Urteil vom 8.4.2003, auf das Bezug genommen wird (Bl. 112 ff.), u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen zweier weiterer Fälle der vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 18 Monaten - ohne Strafaussetzung zur Bewährung - verurteilt worden; ferner hatte die Strafkammer seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gem. § 63 StGB sowie - in der Hauptverhandlung vom 8.4.2003 - seine vorläufige Unterbringung gem. § 126a StPO angeordnet. Das Saarländische OLG hatte die gegen den Unterbringungsbefehl eingelegte Beschwerde am 8.7.2003, der BGH die gegen das Urteil eingelegte Revision am 25.11.2003 als unbegründet verworfen.

Gestützt auf die Stellungnahme der S. Klinik für forensische Psychiatrie vom 18.10.2004 (Bl. 135 ff.) und das Gutachten des Prof. Dr. K. vom 17.12.2004 (Bl. 137 ff.), die übereinstimmend davon ausgehen, dass bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Taten keinerlei Hinweise auf eine hirnorganische Beteiligung bei der Genese der in dem Strafverfahren festgestellten Persönlichkeitsauffälligkeiten vorgelegen hätten und auch die Kriterien einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nicht erfüllt gewesen seien, hat dieser geltend gemacht, der Beklagte habe in der Hauptverhandlung vom 8.4.2003 grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, indem er eine falsche Diagnose erstellt habe. Das habe zu seiner sofortigen Unterbringung geführt. Mit seiner Klage hat er Ersatz des ihm hierdurch entstandenen Schadens - Gewinnausfall wegen Geschäftsaufgabe und Schmerzensgeld - sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht für künftige Schäden begehrt.

Das LG hat durch Teilgrundurteil vom 16.8.2007 (Bl. 338 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, die auf Zahlung von Schadensersatz wegen Geschäftsaufgabe und von Schmerzensgeld gerichteten Klageanträge zu 1 und 2 dem Grunde nach für gerechtfertigt erachtet und sich die Entscheidung im Übrigen vorbehalten. Zur Begründung hat es unter Berücksichtigung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. N. vom 4.10.2006 (Bl. 243 ff.) sowie dessen mündlicher Anhörung im Termin vom 12.7.2007 (Bl. 332 ff.) ausgeführt, das von dem Beklagten mündlich erstattete Gutachten beruhe auf einer nicht tragfähigen Grundlage und sei methodisch fehlerhaft erarbeitet worden. Seine Ausführungen, die unter Berücksichtigung der in der Beweisaufnahme vor dem AG in Merzig gewonnenen Erkenntnisse erfolgt seien, wonach die von den Zeuginnen angegebenen Serien von Wiederholungen der Verhaltensweisen des Klägers im Sinne von anfallsartigen Kontrollverlusten im Sinne von Anfallsäquivalenten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine organische Grundlage zurückzuführen seien, weshalb eine krankhafte seelische Störung i.S.d. § 20 StGB vorliege, die sich wahrscheinlich als Folge einer frühkindlichen Hirnschädigung in Anfallsäquivalenten äußere, seien fehlerhaft gewesen, weil die Diagnose "hirnorganische Störung mit Anfallsäquivalent" ohne Beleg aus der apparativen Diagnostik nicht hätte gestellt werden dürfen. Jedenfalls hätte der Beklagte aber darauf hinweisen müssen, dass die angegebene Diagnose eine Verdachtsdiagnose sei und das Vor...

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