rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchensteuer

 

Verfahrensgang

VG Neustadt a.d. Weinstraße (Urteil vom 27.08.2001; Aktenzeichen 1 K 711/01)

 

Nachgehend

BVerwG (Urteil vom 21.05.2003; Aktenzeichen 9 C 12.02)

 

Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 27. August 2001 – 1 K 711/01.NW – wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Kirchensteuerermäßigung.

Das Finanzamt Neustadt an der Weinstraße veranlagte die Klägerin mit Bescheid vom 15. August 2000 für das Jahr 1998 u.a. zur evangelischen Kirchensteuer in Höhe von 1.245.252,24 DM. Dem lagen neben laufenden Einkünften der Klägerin in Höhe von ca. 3.000.000,– DM Veräußerungsgewinne im Umfang von über 30.000.000,– DM zugrunde.

Nachdem die Klägerin im Jahre 1999 aus der evangelischen Kirche ausgetreten war, beantragte sie unter dem 28. August 2000, die für das Jahr 1998 festgesetzte Kirchensteuer auf Veräußerungsgewinne um die Hälfte zu ermäßigen. Der Landeskirchenrat der Beklagten lehnte dieses Begehren mit Bescheid vom 18. September 2000 mit der Begründung ab, die Klägerin sei im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr Mitglied der evangelischen Kirche gewesen; ein Teilerlass der auf Veräußerungsgewinne entfallenden Kirchensteuer solle aber dem Zweck dienen, die Beziehungen zwischen dem Kirchenmitglied und der Kirche zu festigen. Dieses Ziel könne nur bei Kirchenmitgliedern erreicht werden, so dass nur bei ihnen eine Ermäßigung als Billigkeitsmaßnahme in Betracht komme. Mit Schreiben vom 22. November 2000 beantragte die Klägerin zusätzlich, die auf ihre laufenden Einkünfte im Jahr 1998 entfallende Kirchensteuer auf 4% des zu versteuernden Einkommens zu kappen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 130 b Abs. 1 Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens hat die Klägerin Klage erhoben, der das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. August 2001 stattgab. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei der Kappung bzw. Ermäßigung der Kirchensteuer handele es sich um eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 227 der Abgabenordnung. Nach der Rechtsprechung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes rage der Begriff „unbillig” in diesem Sinn in den Ermessensbereich hinein und bestimme damit zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung, woraus eine weitgehende Nachprüfbarkeit des Ermessens resultiere. Dieses Ermessen der Behörde werde durch eine ständige Praxis insoweit gebunden, als ein Abweichen davon in vergleichbaren Fällen ohne sachliche Gründe den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verletze. Allein der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger aus der Kirche ausgetreten sei, rechtfertige jedoch nicht, ihm – anders als in der Kirche verbliebenen Mitgliedern – den Teilerlass zu verwehren. Denn der Grund der sachlichen Unbilligkeit bestehe darin, dass bei hohem Einkommen infolge der Progression bei der Einkommenssteuer zugleich die davon abhängige Kirchensteuer progressiv steige und der Kirchensteuerpflichtige damit einer überproportionalen Kirchensteuerbelastung unterliege. Dieser Umstand betreffe alle Bezieher höherer Einkommen im maßgeblichen Veranlagungszeitraum unabhängig davon, ob sie nach Ablauf des Steuerjahres aus der Kirche ausgetreten oder Mitglieder geblieben seien. Andernfalls käme es letztlich auf Zufälligkeiten in der Zeitfolge der Bearbeitung der Erlassanträge an. Außerdem könne die Frage, ob eine sachliche Unbilligkeit vorliege, nur nach Gesichtspunkten beurteilt werden, die sich unmittelbar aus dem Sinn und Zweck der Steuergesetze in Bezug auf den Steuertatbestand und den Veranlagungszeitraum ergäben; kirchenpolitische Zweckmäßigkeitsgründe lägen demgegenüber auf einer anderen Ebene. Angesichts dessen sei das Ermessen der Beklagten dahingehend reduziert, die von der Klägerin beantragte Kappung sowie die Ermäßigung der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Kirchensteuer zu gewähren.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, ihre Befugnis zum Erlass der Kirchensteuer sei kein Anwendungsfall des § 227 AO, sondern ergebe sich aus dem Kirchensteuerrecht. Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung gleichwohl die Regelung des § 227 der Abgabenordnung auch für den Erlass der Kirchensteuer zugrunde gelegt worden sei, hätten die seinerzeit streitgegenständlichen Kappungsrichtlinien ausdrücklich auf diese Norm Bezug genommen. Die kirchensteuerrechtliche Erlassbefugnis dürfe auf den Umstand der Kirchenmitgliedschaft abstellen, da die Kirchensteuer – anders als staatliche Steuern – mitgliederbezogen sei. Selbst wenn § 227 der Abgabenordnung anzuwenden sei, habe die Beklagte keine ständige Praxis herausgebildet, gegen die zu handeln gleichheitswidrig wäre. Die ...

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