Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung des ab 1.9.2009 geltenden Verfahrensrechts auf Verfahren über den Versorgungsausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

Das ab dem 1.9.2009 geltende Sach- und Verfahrensrecht ist auch auf solche Verfahren über den Versorgungsausgleich anwendbar, die vor diesem Zeitpunkt sowohl aus dem Ehescheidungs-Verbundverfahren abgetrennt als auch erstinstanzlich - nach altem Recht - entschieden worden waren. Im Hinblick auf die vom OLG Oldenburg (FamRZ 2010, 983) vertretene anderweitige Auffassung wird aber die Rechtsbeschwerde zugelassen.

 

Normenkette

VersAusglG § 48 Abs. 2 Nr. 1; FGG-RG Art. 111 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Germersheim (Beschluss vom 19.02.2009; Aktenzeichen 2 F 362/05)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird geändert:

1. Der Ausgleich des ehezeitlichen Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund i.H.v. 0,6468 Entgeltpunkten unterbleibt.

2. Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei ... ein Anrecht für den Antragsgegner i.H.v. 15.588,87 EUR auf einen neu zu errichtenden Vertrag bei demselben Versorgungsträger übertragen, bezogen auf den 31.12.2005.

II. Die weiter gehende Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

III. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.200 EUR festgesetzt.

V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die noch vor dem 1.9.2009 eingelegte befristete Beschwerde der Antragstellerin ist nach dem bis dahin geltenden Recht statthaft und auch sonst in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Das Rechtsmittel führt in der Sache nicht zu dem erstrebten Erfolg des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs, allerdings zu einer anderweitigen Regelung des Versorgungsausgleichs mit dem aus Ziff. I. des Entscheidungssatzes ersichtlichen Inhalt.

I. Auf das weitere Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 4 FGG-RG das seit 1.9.2009 geltende neue Verfahrensrecht anzuwenden. Denn das AG - Familiengericht - hat mit Beschluss vom 29.1.2008 die Folgesache Versorgungsausgleich gem. § 628 ZPO abgetrennt. Der Status als abgetrenntes Versorgungsausgleichsverfahren ist nicht dadurch entfallen, dass das Familiengericht die Sache vor dem 1.9.2009 wieder aufgenommen und erstinstanzlich entschieden hat.

Ob auf ein solches Verfahren "neues" oder "altes" Recht anzuwenden ist, ist streitig. Während Borth (FamRZ 2009, 1965 ff.) und Schürmann (FamRZ 2009, 1800) im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Gesetzes allein auf den Status "am 1.9.2009 abgetrennt" als einziges Kriterium abstellen und die Anwendung neuen Rechts postulieren, stellt das OLG Oldenburg (FamRZ 2010, 983 mit abl. Anm. Borth), unterstützt durch Rehbein (jurisPR-FamR 8/2010, Anm. 6), darauf ab, ob die Sache - wie vorliegend - vor dem 1.9.2009 wieder aufgenommen und erstinstanzlich (nach altem Recht) entschieden worden ist. Dann soll im Beschwerdeverfahren auch nach dem 1.9.2009 noch altes Recht anwendbar sein.

Der Senat schließt sich der erstgenannten Ansicht an. Nach dem Willen des Gesetzgebers liegt den Übergangsbestimmungen zum VersAusglG in erster Linie der Gedanke zugrunde, den Übergang in das neue formelle (und materielle) Recht möglichst weitgehend und möglichst schnell zu vollziehen (BT-Drucks. 16/10144, 85). In diesem Bestreben hat es der Gesetzgeber sogar in Kauf genommen, in laufende Verfahren einzugreifen, indem er für die Zeit ab 1.9.2010 für die erste Instanz die Anwendung des neuen Rechts in allen noch nicht abgeschlossenen Verfahren anordnet. Auch abgeschlossene Verfahren werden nicht ausgenommen, wie die Regelung des § 51 Abs. 1 und 3 VersAusglG zeigt, wonach eine nach altem Recht getroffene Regelung bei einer wesentlichen Wertänderung oder im Falle einer Abweichung des nach der BarwertVO ermittelten vom tatsächlichen Wert auf Antrag nach neuem Recht abzuändern ist. Erwägungen des Vertrauensschutzes stehen dieser möglichst weitgehenden Anwendung des neuen Rechts nicht entgegen. Denn auch nach dem reformierten Recht ist es wie bisher das Ziel des Versorgungsausgleichs, beiden Eheleuten die von ihnen in der Ehezeit erworbenen Anrechte wirtschaftlich jeweils zur Hälfte zuzuordnen. Auch wiegt der Vertrauensschutz deswegen nicht schwer, weil die ausgeglichenen Anrechte noch nicht zum Leistungsrecht erstarkt sind (BT-Drucks., a.a.O.). Angesichts dieser eindeutigen und vorrangigen gesetzgeberischen Zielsetzung ist es nach Ansicht des Senats geboten, diejenige Auslegung des § 111 Abs. 4 FGG-RG (wie auch bei der Parallel-Vorschrift des § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG für das materielle Recht, s.u.) zu wählen, die dieser Zielsetzung am ehesten dient. Eine Reduzierung des eindeutigen, alle abgetrennten Verfahren umfassenden reinen Wortlauts auf die noch nicht in erster Instanz abgeschlossenen Verfahren (so OLG Oldenburg, a.a.O.) läuft dieser Zielsetzung entgegen.

II. Auf die Beschwerde ist deshalb der Versorgungsausgleich nach neuem materiellem Recht zu regeln.

Im Ausgan...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge