Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 7 O 85/20)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 16.03.2023; Aktenzeichen III ZR 234/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25.09.2020, Az. 7 O 85/20, abgeändert:

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

3. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 26.459,99 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit einer fehlerhaften sozialversicherungsrechtlichen Statusfeststellung.

1. Der Kläger, ausgebildeter Mechatroniker, ist seit September 2013 im Betrieb seines Vaters, der Firma R ... S ..., Inh. R ... R ..., tätig. Die Beklagte ist eine als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung organisierte gesetzliche Krankenkasse.

Im Jahr 2014 wurde der Kläger von einem Mitarbeiter der A ... AG beraten, wobei es ausweislich der zugrundeliegenden Honorarvereinbarung vom 03./08.07.2014 (Anlage K1) darum ging, den Kläger von der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung mit einem Modell zu befreien, welches nach den Angaben des Beraters mit den beteiligten Krankenkassen abgestimmt sei. Zu diesem Zweck haben der Kläger und sein Vater einen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV (Anlage K2) ausgefüllt und einen ab dem 01.10.2014 geltenden Arbeitsvertrag aufgesetzt (Anlage K4).

Zum 01.09.2014 wechselte der Kläger von seiner bisherigen Krankenkasse (D ... B ...) zu der Beklagten, die mit Bescheid vom 08.09.2014 (Anlage K3) im Hinblick auf die ab 01.10.2014 nach dem Arbeitsvertrag erfolgende Beschäftigung festgestellt hat, dass die Tätigkeit des Klägers als mitarbeitendem Angehörigen nicht der Sozialversicherungspflicht unterliege. Zum 28.02.2015 kündigte der Kläger seine Mitgliedschaft bei der Beklagten und versicherte sich zum 01.03.2015 privat bei der H ...M ....

Die D ... R ... B ... (D ...) erhob gegen den Bescheid der Beklagten vom 08.09.2014 am 14.06.2016 Anfechtungsklage beim Sozialgericht Berlin; die Beklagte gab ein Anerkenntnis ab, hob den Bescheid vom 08.09.2014 am 27.07.2018 auf und stellte rückwirkend die Beitragspflicht des Klägers fest (Anlage K9). Gegen den Aufhebungsbescheid vom 27.07.2018 erhob der Kläger Widerspruch und schließlich Klage vor dem Sozialgericht Karlsruhe, welches einerseits die Aufhebung des Bescheids vom 08.09.2014 bestätigte, andererseits den Bescheid vom 27.07.2018 mangels Zuständigkeit der Beklagten zur (erneuten) Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers teilweise aufhob. Die Entscheidung ist rechtskräftig geworden. Während des erstinstanzlichen Verfahrens war die folgende Statusfeststellung durch die Clearingstelle der D ... noch nicht abgeschlossen.

Der Kläger behauptet, er und sein Vater seien von einem Mitarbeiter der Firma A ... AG angesprochen und darüber informiert worden, dass sich das Arbeitsverhältnis des Klägers ohne Sozialversicherungspflicht gestalten lasse, wodurch die frei werdenden Mittel in private Versicherungen investiert werden könnten. Tatsächlich habe die A ... AG in kollusivem Zusammenwirken mit Mitarbeitern der drei gesetzlichen Krankenkassen einschließlich der Beklagten entsprechende Arbeitsverträge entwickelt, welche für in Betrieben mitarbeitende Angehörige das Fehlen einer Weisungsgebundenheit und damit eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht begründen sollten.

Anders als der Sachbearbeiter der Beklagten, einem Herrn P ..., habe der Kläger nicht gewusst, dass der Bescheid vom 08.09.2014 vorsätzlich falsch und unvertretbar gewesen sei. Denn die Beklagte habe schon zum damaligen Zeitpunkt das Statusfeststellungsverfahren an die D ... abgeben müssen, die hierfür gem. § 7a SGB IV ausschließlich zuständig sei.

Nachdem er aus seiner Sicht von der Sozialversicherungspflicht befreit gewesen sei, hätten er und sein Vater zwei private Rentenversicherungsverträge bei der N ... V ... zur privaten Altersvorsorge abgeschlossen. Hierdurch sei ihm in Gestalt von Beiträgen abzüglich der Rückkaufswerte ein Schaden in Höhe von 14.793,11 EUR und aufgrund der nutzlos aufgewendeten Beiträge zur privaten Krankenversicherung ein Schaden in Höhe von 11.666,88 EUR entstanden, weil er rückwirkend gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Außerdem verlangt er Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe einer 1,5-Gebühr wegen der Komplexität der zu beurteilenden Rechtsfragen.

Die Beklagte behauptet, der Kläger und sein Vater hätten mit der A ... AG kollusiv zusammengewirkt in dem Bestreben, die gesetzlichen Verpflichtungen zum Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen zu umgehen. Der Bescheid vom 08.09.2014 sei zu diesem Zeitpunkt auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vertretbar gewesen, weshalb der mit der Angelegenheit be...

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