Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschränkung der Zulässigkeit digitaler Privatkopien durch das Verbot der Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen (vgl. § 95a UrhG) stellt keine Verletzung des Eigentumsgrundrechts des Besitzers einer Kopiervorlage dar, sondern lediglich eine wirksame Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Den Verbrauchern ist aus der Befugnis zur Privatkopie, die 1965 aus der Not der geistigen Eigentümer geboren wurde, kein Recht erwachsen, das sich heute gegen das seinerseits durch Art. 14 GG geschützte geistige Eigentum ins Feld führen ließe.

2. Aus der bloßen Existenz von Umgehungsmaßnahmen kann nicht auf die Unwirksamkeit der betroffenen technischen Schutzmaßnahmen i.S.d. § 95a UrhG geschlossen werden. Für die Frage der Wirksamkeit solcher Schutzmaßnahmen ist vielmehr darauf abzustellen, ob der durchschnittliche Benutzer durch die Maßnahmen von Urheberrechtsverletzungen abgehalten werden kann.

3. Der Eingriff in die Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), der darin liegt, dass einem IT-Nachrichtendienst die Setzung eines Hyperlinks verboten wird, kann durch § 95a Abs. 3 UrhG und die Grundsätze der Teilnehmerhaftung gerechtfertigt sein, wenn von dem Internetauftritt, auf den verlinkt wird, die Gefahr gewerbsmäßiger Verletzungen urheberrechtlicher Schutzrechte in erheblichem Umfang ausgeht und dem Nachrichtendienst die Rechtswidrigkeit dieses Internetauftritts bei der Linksetzung bekannt war.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1-2, Art. 14; BGB § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2; UrhG § 95a

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 14.11.2007; Aktenzeichen 21 O 6742/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.10.2010; Aktenzeichen I ZR 191/08)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 14.11.2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung i.H.v. 250.000 EUR abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung wegen der Kosten kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Zulässigkeit eines elektronischen Querverweises (Hyperlink oder Link) im Internetauftritt eines IT-Nachrichtendienstes.

Die Klägerinnen stellen Bild- und Tonträger her und sind Inhaberinnen der daraus erwachsenden Rechte. Allein 29 der 30 bestverkauften Musik-DVDs des Jahres 2006 in Deutschland stammen von den Klägerinnen.

Die Beklagte bringt verschiedene Zeitschriften, darunter die Zeitschrift x, heraus und betreibt unter der Internetadresse www.h.de den IT-Nachrichtendienst h. online.

Im Heft 7/2003 der Zeitschrift × berichtete die Beklagte über Abspielschwierigkeiten, die bei Musik-CDs von Kopierschutzmaßnahmen verursacht würden; dabei führte sie aus, dass mehrere der Klägerinnen derartige Schutzmaßnahmen ergriffen hätten (vgl. Anlage K 26). Um ihren Lesern zu ermöglichen, sich bereits vor dem Kauf über die bei einem bestimmten Medium eingesetzten Kopierschutzmaßnahmen zu informieren, richtete die Beklagte eine aus Lesereinträgen bestehende Datenbank mit dem Namen x-CD-Register ein, die nach Eingabe des Interpreten oder Werktitels darüber informiert, von welchem Unternehmen die CD oder DVD stammt sowie ob bzw. welcher Kopierschutz auf dem Medium zum Einsatz kommt. Darin sind auch Tonträger der Klägerinnen als kopiergeschützt erfasst (vgl. Anlage K 27).

Am 7.7.2003 berichtete die Beklagte in h. online, dass das Programm CloneDVD auch nach der anstehenden Novellierung des Urheberrechts mit weißer Weste dastehen werde: während dieses Programm alle Kopierschutzmechanismen unangetastet lasse, kümmere sich ein Tool namens AnyDVD um den künftig illegalen Teil, das den Abspielschutz CSS entschlüssele und User-Prohibitions deaktiviere. Das schwarze Schaf AnyDVD sei kürzlich an das antiguanische Unternehmen S. Inc. (im Folgenden: S.) verkauft worden; aus den sicheren Gefilden der West Indies biete S. AnyDVD nun zum Download an (vgl. Anlage K 7).

Am 1.8.2004 berichtete die Beklagte in h. online darüber, dass AnyDVD nach der Novellierung des Urheberrechts in Deutschland nicht mehr verkauft werden dürfe.

Um Verstöße gegen das Werbeverbot des § 95a Abs. 3 UrhG auszuschließen, führte die Beklagte eine Liste mit solchen Unternehmen, die entsprechende Programme verbreiten, in die sie S. aufnahm.

Am 19.1.2005 veröffentlichte sie folgenden, den vorliegenden Rechtsstreit auslösenden Artikel in h. online (vgl. Anlage K 4):

AnyDVD überwindet Kopierschutz von Un-DVDs

Der in Antigua ansässige Hersteller S. hat ein Update für seinen Kopierschutzknacker AnyDVD veröffentlicht, das nicht nur den CSS-Schutz von DVDs entfernt, sondern auch drei weitere Ko...

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