Leitsatz (amtlich)

1. Ein steuerlicher Verlustvortrag ist ein werterhöhender Faktor des Unternehmens, welcher bei der Berechnung von Abfindung und Ausgleich zu berücksichtigen ist. Für die Höhe des Wertes ist der Barwert der zu erwartenden Steuerersparnis maßgebend.

2. Es bestehen keine Einwände gegen die Berücksichtigung latenter Steuern bei der Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.

3. Aus dem Stichtagsprinzip folgt, dass nur solche Umstände für die Bewertung maßgeblich sein können, welche man bei angemessener Sorgfalt kennen konnte und welche absehbar waren.

4. Bei der Bemessung des Ausgleichs kann nicht betriebsnotwendiges Vermögen, dessen Veräußerung unmittelbar zum Stichtag bevorsteht, berücksichtigt werden.

5. Für die Berechnung des Ausgleichs ist die Heranziehung eines risikoangepassten Berentungszinssatzes nahe liegend.

 

Normenkette

AktG §§ 304-305

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 14.10.2004; Aktenzeichen 5HK O 20089/97)

 

Tenor

I. Auf die Rechtsmittel der Verfahrensbeteiligten wird der Beschluss des LG München I vom 14.10.2004 wie folgt abgeändert:

1. Der Abfindungsbetrag wird auf 231,60 EUR je Aktie festgesetzt.

2. Der Betrag des Ausgleichs wird auf 16,20 EUR je Aktie festgesetzt.

II. Im Übrigen werden die Beschwerden und die Anschlussbeschwerden zurückgewiesen.

III. Die Antragsgegnerinnen tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Sie haben den Antragstellern die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert für die einzelnen Rechtszüge wird auf jeweils 7,5 Mio. EUR festgesetzt. Insoweit wird der Beschluss des LG München I vom 14.10.2004 abgeändert.

 

Gründe

I. Die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1 (Gesellschaft) war im Handelsregister mit dem Unternehmensgegenstand Beschaffung, Veredelung, Verarbeitung, Vertrieb, Handel, Transport und Vermittlung von folgenden Erzeugnissen, deren Vor-, Zwischen-, Neben- und Abfallprodukte sowie von ähnlichen Waren: Holz, Zellstoff, Papier, Pappe, Verpackungsmittel, Werbemittel, Druckerzeugnisse, Kunststoffe, Fasern, Fließstoffe, Pharmazeutika, Erzeugnisse der Chemie, Watte, Reinigungsmittel, Erzeugnisse der Gesundheits- und Körperpflege, Nahrungsmittel sowie von dazugehörigen Geräten, Maschinen und Produktionsmittel sowie mit dem Geschäftsgegenstand der Erbringung und Vermittlung von zusammenhängenden Dienstleistungen eingetragen.

Die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1 schloss am 29.8.1997 mit der Antragsgegnerin zu 2 als herrschender Gesellschaft einen Ergebnis- und Gewinnabführungsvertrag. Die Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft hat mit Beschluss vom 17.10.1997 dem Vertrag zugestimmt. Der Ergebnis- und Gewinnabführungsvertrag sieht in § 4 eine Barabfindung i.H.v. 281 DM je Aktie im Nennbetrag von 50 DM und in § 3 einen Ausgleich von 17 DM je Aktie im Nennbetrag von 50 DM vor.

Das Grundkapital der Gesellschaft betrug am 17.10.1997 je 354.600.900 DM. Es war eingeteilt in 7.092.018 Inhaberstammaktien zum Nennwert von je 50 DM. Der Ergebnis- und Gewinnabführungsvertrag wurde am 27.10.1997 im Handelsregister eingetragen. Die Antragsgegnerin zu 2 hielt am 17.10.1997 75,65 % am Grundkapital der beherrschten Gesellschaft.

Die Gesellschaft wies im Wesentlichen drei Kerngeschäftsfelder auf:

  • Hygieneprodukte
  • Feinpapiere (graphische Papiere)
  • Verpackungen.

Ergänzend hierzu wurden unterstützende Geschäfte betrieben.

Das Geschäftsfeld Feinpapiere wurde zum 1.10.1999 in ein hälftiges Joint Venture mit der Gesellschaft (im Folgenden: Mo Do) eingebracht. Das Gemeinschaftsunternehmen wurde im Jahr 2000 an die Metsä Serla Corporation zu einem anteiligen Gesamtkaufpreis von 1,6 Mrd. DM verkauft.

Das LG hat nach umfangreicher Beweisaufnahme mit Beschluss vom 14.10.2004 die Barabfindung aus dem Ergebnis- und Gewinnabführungsvertrag auf 188,67 EUR je Aktie im Nennbetrag von 50 DM und den Ausgleich auf 17,32 EUR brutto je Aktie im Nennbetrag von 50 DM abzgl. der auf inländische Erträge (41 %) entfallenden Körperschaftsteuerbelastung in Höhe des jeweils geltenden Tarifs festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss legten folgende Verfahrensbeteiligte Rechtsmittel ein:

die Antragstellerin zu 13 am 3.11.2004

der Antragsteller zu 20 am 8.11.2004

die Antragstellerin zu 5 am 9.11.2004

die Antragsteller zu 7 und 24 am 9.11.2004

die Antragstellerin zu 15 am 9.11.2004

die Antragstellerin zu 16 am 11.11.2004

die Antragstellerin zu 19 am 10.11.2004

der Antragsteller zu 14 am 10.11.2004

der Antragsteller zu 17 am 10.11.2004

die Antragsteller zu 2, 3, 4 und 10 am 10.11.2004

der Antragsteller zu 9 am 10.11.2004

die Antragstellerin zu 23 am 11.11.2004

die Antragstellerin zu 8 am 29.11.2004.

Die Antragsgegnerinnen legten gegen die Festsetzung des Geschäftswerts in erster Instanz am 12.11.2004 Beschwerde ein.

Die Antragsgegnerinnen legten am 18.4.2005 Anschlussbeschwerde ein.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die kommissarische Einvernahme der schwedischen Zeugen G G und S M sowie durch Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Z in der...

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