Entscheidungsstichwort (Thema)

Arrestpfändung im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 111 h Abs. 2 S. 1 StPO steht einer Arrestpfändung entgegen, soweit die Staatsanwaltschaft den Vermögensarrest in einen Gegenstand des Vermögens des Antragsgegners vollzogen hat. Ist nach §§ 111e, 111f StPO der Vollzug des Vermögensarrests in einen Gegenstand des Schuldnervermögens erfolgt, hindert dies die Einzelzwangsvollstreckung in den so gepfändeten Gegenstand. Der durch die angebliche Straftat Verletzte kann zwar seine Ansprüche noch im Zivilrechtswege verfolgen und auch einen dinglichen Arrest beantragen, diesen jedoch wegen § 111h StPO nicht in den gepfändeten Gegenstand vollziehen.

2. Im Rahmen eines Antrags auf Arrestpfändung von Amts wegen zu prüfen sind die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Pfändbarkeit der betreffenden Forderung. Dagegen muss der Gläubiger nicht belegen, dass die zu pfändende Forderung wirklich besteht. In dem formalisierten Zugriffsverfahren werden die Angaben des Gläubigers als richtig unterstellt; geprüft wird nur, ob das Vorbringen des Gläubigers die Forderung als Gegenstand der Zwangsvollstreckung im Schuldnervermögen pfändbar ausweist. Ist das der Fall, dann pfändet das Vollstreckungsgericht die "angebliche" Forderung, die der Schuldner gegen den Drittschuldner haben soll.

3. Soweit die Staatsanwaltschaft nicht, bzw. nicht mehr oder nicht in voller Höhe auf eine behaupteten Forderung des Antragsgegners gegen Dritte zugegriffen hat, kommt daher eine Pfändung in den angeblichen freien Teil der Forderung in Betracht.

 

Normenkette

StPO § 111h Abs. 2 S. 1; ZPO §§ 804, 928, 930

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 16.07.2021; Aktenzeichen 35 O 9117/21)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 16.07.2021, Az. 35 O 9117/21, in Ziff. 2 wie folgt abgeändert:

"2. In Vollziehung des unter 1. angeordneten Arrestes werden die angeblichen Ansprüche der Antragsgegnerin gegen die B. Bank aus sämtlichen Kontenverbindungen, bis zum Höchstbetrag von 43.070,05 EUR gepfändet, soweit diese nicht bereits wegen des aufgrund des Arrestes des Amtsgerichts Münchens vom 20.08.2020, ER V Gs 2516/20, ergangenen Pfändungsbeschlusses der Staatsanwaltschaft München I vom 24.08.2020, Az.: 402 Js 150939/20, bis zu einer Höhe von 35 Mio. EUR durch den Freistaat Bayern, vertreten durch die Staatsanwaltschaft München I, gepfändet sind."

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des ersten Rechtszugs haben der Antragsteller 1/4 und die Antragsgegnerin 3/4 zu tragen und von den Kosten der Beschwerdeinstanz der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils die Hälfte.

3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 16.000.- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Am 16.07.2021 erließ das Landgericht einen Arrestbefehl. Danach wurde wegen einer Schadensersatzforderung des Antragstellers i.H.v. 43.070,05 EUR gegen die Antragsgegnerin der Arrest in deren gesamtes persönliches Vermögen angeordnet. Dem Antrag des Antragstellers, in Vollziehung des Arrests die Ansprüche der Antragsgegnerin gegen die B. Bank, aus sämtlichen Kontenverbindungen, bis zum Höchstbetrag von 43.070,05 EUR zu pfänden, wurde hingegen nicht entsprochen (Ziffer 2 des Beschlusses).

Gegen den am 26.07.2021 zugestellten Beschluss bzw. Arrestbefehl hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 09.08.2021, eingegangen beim Landgericht am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt und den Antrag gestellt, unter Aufhebung von Ziffer 2 des Beschlusses die Kontenverbindungen, wie beantragt, zu pfänden.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 17.08.2021 nicht abgeholfen.

Nachdem hier im Rahmen einer im Register veröffentlichten Schutzschrift der Anwälte der Antragsgegnerin bekannt geworden ist, dass die Staatsanwaltschaft München I Vermögenssicherungsmaßnahmen im Hinblick auf die Antragsgegnerin ergriffen hat, wurde von der Staatsanwaltschaft München I eine amtliche Auskunft erholt. Von dort aus wurde mit Schreiben vom 20.08.2021 mitgeteilt, dass deren Pfändung der Ansprüche der Antragsgegnerin bei der B. Bank vom 24.08.2020 in Vollziehung des von ihr in Vertretung des Freistaates Bayern beantragten und erlassenen Arrestes des Amtsgerichts Münchens vom 20.08.2020, ER V Gs 2516/20, bis zu einer Höhe von 35 Mio. EUR fortbesteht. Ausweislich des übermittelten Pfändungsbeschlusses vom 24.08.2020, Az.: 402 Js 150939/20, hat die Staatsanwaltschaft München I danach für den Freistaat Bayern sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen der Antragsgegnerin gegen die B. Bank AG aus allen gegenwärtigen und zukünftigen Geschäftsverbindungen (Konten, Depots etc.) mit der Schuldnerin, auch mit den Zweigniederlassungen dieser Bank bis zu einer Höhe von 35 Mio. EUR gepfändet.

Hierauf und auf die Möglichkeit die Pfändung anzuordnen, soweit nicht eine Pfändung der Staatsanwaltschaft München I besteht, wur...

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