Leitsatz (amtlich)

Fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages wegen Unerreichbarkeit eines Zeugen

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht/Schöffengericht verurteilte den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 10 Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten.

Hiergegen legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft, die ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, Berufung ein. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft änderte das Landgericht mit Urteil vom 30.5.2006 das amtsgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehen ab, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt wurde; die Berufung des Angeklagten wurde verworfen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision. Er rügt die Verletzung formellen und sachlichen Rechts.

Mit der Verfahrensrüge wird geltend gemacht, das Landgericht habe zu Unrecht einen Beweisantrag auf Einvernahme zweier in England lebender Zeugen zum Nachweis dafür, dass der Angeklagte an keinem der Heroinverkäufe beteiligt gewesen sei, mit der Begründung abgelehnt, die Zeugen seien unerreichbar.

Der Revisionsführer ist ferner der Ansicht, auch einen Beweisantrag auf Erholung eines psychologischen und psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum gesundheitlichen Zustand des Zeugen K am 12. und 13.1.2005 habe das Landgericht rechtsfehlerhaft zurückgewiesen.

Mit der Sachrüge rügt die Revision, die Feststellungen des Landgerichts zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels seien rechtsfehlerhaft, darüber hinaus seien die Feststellungen zur mittäterschaftlichen Tatbegehung durch den Angeklagten und zu dessen Gewinnerzielungsabsicht unzureichend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die statthafte (§ 333 Abs. 1 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) Revision des Angeklagten hat mit der Verfahrensrüge Erfolg.

Zu Recht rügt die Revision mit der zulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) erhobenen Verfahrensrüge, das Landgericht habe den auf Einvernahme der Zeugen A H M und M B gerichteten Beweisantrag zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, die benannten Zeugen seien unerreichbar.

1.

Der Verteidiger des Angeklagten hat in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht am 10.5.2006 folgenden Beweisantrag gestellt:

Darüber hinaus beantrage ich die Ladung und Vernehmung der Zeugen M B und AH M, zu laden über die Anschrift, zum Beweis dafür, dass der Angeklagten an keinem Heroinverkauf des Zeugen H M an den Zeugen K beteiligt war, die Heroinverkäufe des Zeugen H M an den Zeugen K vielmehr durch H M alleine bzw. in Begleitung anderer Personen als dem Angeklagten stattfanden.

Die benannten Zeugen sind unter der oben genannten Anschrift wohnhaft und erreichbar. Die Mutter der Zeugin B hat die genannte Anschrift als Wohnanschrift der Zeugin in der Hauptverhandlung angegeben. Der Zeuge H berichtete, dass gegen beide Zeugen ein europäischer Haftbefehl beantragt ist. Die Vernehmung der benannten Zeugen ist auch von Bedeutung für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen K in der Hauptverhandlung. Der Zeuge K gab an, dass der Angeklagte an Heroingeschäften zwischen K und H M nicht beteiligt war.

Diesen Beweisantrag lehnte das Landgericht in der Hauptverhandlung vom 30.5.2006 durch folgenden Beschluss ab:

Der Beweisantrag der Verteidigung auf Ladung und Vernehmung der Zeugen A H M und M B wird abgelehnt.

Beide Zeugen sind unerreichbar im Sinne von § 244 Abs. 3 StPO. Beide Zeugen werden mit Haftbefehl gesucht. Die von der Mutter der Zeugin B genannte Anschrift von M B in G konnte bislang nicht überprüft werden. Es ist ohnehin unwahrscheinlich, dass sich die beiden Zeugen (noch) unter dieser Anschrift aufhalten, denn M B hat jedenfalls durch einen zwischenzeitlichen telefonischen Kontakt zu dem Zeugen POK H Kenntnis davon, dass sie in dem hier anhängigen Strafverfahren gegen S Sch als Zeugin aussagen soll. Der Vollzug der Haftbefehle gegen B und H M ist ungewiss. Zwar hat die Zeugin B ihr freiwilliges Erscheinen vor Gericht angekündigt. Tatsächlich ist sie jedoch zu dem angekündigten Termin nicht erschienen. Es ist unter diesen Umständen auch in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten, dass die Zeugin erscheinen wird. Unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes in Haftsachen sind beide Zeugen für das Gericht unerreichbar.

2.

Ein Beweismittel ist unerreichbar im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, wenn es für die Hauptverhandlung nicht verfügbar ist, alle seiner Bedeutung und seinem Wert entsprechenden Bemühungen, es beizubringen, erfolglos geblieben sind, und wenn nach der Sachlage keine begründete Aussicht besteht, es in absehbarer Zeit herbei zuschaffen (Löwe-Rosenberg/Gollwitzer StPO 25. Aufl. § 244 Rn. 260 m.w.N.).

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