Leitsatz (amtlich)

1. Die "Zusammenfassung" eines umfangreichen wissenschaftlichen Bewertungsberichts einer Bundesbehörde zur Kanzerogenität des Pflanzenschutzmittels Glyphosat ist als sonstiges amtliches Werk im Sinne des § 5 II UrhG anzusehen, wenn die Behörde zur Beantwortung massenhafter Anträge gem. § 7 I, 1 IFG per Allgemeinverfügung in einem automatisierten E-Mail-Verfahren einen Lesezugang zu der "Zusammenfassung" gewährt.

2. Die Veröffentlichung der "Zusammenfassung" auf einer Internetseite im Zusammenhang mit einer kritischen Berichterstattung über die Rolle der Bundesbehörde im Zusammenhang mit der (Neu)Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat ist ausnahmsweise als Berichterstattung über Tagesereignisse im Sinne des § 50 Urhebergesetz gerechtfertigt.

 

Normenkette

IFG §§ 6, 7 I; UrhG § 5 II, § 50

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 14 O 163/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 12.11.2020 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 14 O 163/19 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Dieses Urteil und das des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen den Beklagten urheberrechtliche Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der öffentlichen Zugänglichmachung der "Stellungnahme des BfR zu IARC-Monographie über Glyphosat vom 04.09.2015" (im Folgenden: die Zusammenfassung) auf der Website www.fragdenstaat.de geltend.

Der Kläger ist eine bundesunmittelbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sein Aufgabenbereich umfasst unter anderem die Erstellung von wissenschaftlichen Ausarbeitungen, die wissenschaftliche Beratung des Bundesministeriums und anderer Bundesbehörden, die Zusammenarbeit mit Dienststellen der Europäischen Gemeinschaft, auch auf dem Gebiet der Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln im Hinblick auf die Gesundheit von Menschen und Tieren, sowie die Unterrichtung der Öffentlichkeit auf diesem Gebiet.

Das Herbizid Glyphosat wurde 2002 in der Europäischen Union als Pflanzenschutzmittel amtlich zugelassen. Es handelt sich um das weltweit am häufigsten eingesetzte Pflanzenschutzmittel. Es steht jedoch im Verdacht, für schwere gesundheitliche Schäden beim Menschen verantwortlich zu sein. Seit 2013 läuft eine routinemäßige Neubewertung des Wirkstoffes.

Die von den Mitarbeitern des Klägers erstellte, sechsseitige Zusammenfassung fasst die Inhalte eines gleichfalls von Mitarbeitern des Klägers erstellten, 95 Seiten langen Berichtes mit dem Titel "Renewal Assessment Report, Glyphosate Addendum I to RAR, Assessment of IARC ≫ Monographies Volume 112 (2015): Glyphosate" vom 31.08.2015 (Addendum) in deutscher Sprache zusammen. Bei der Zusammenfassung handelt es sich um eine interne Bewertung des Klägers im Rahmen des europäischen Prüfverfahrens zur Wiederzulassung des Stoffes "Glyphosat", welche ausschließlich für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bestimmt war.

Der Beklagte stellt regelmäßig Beiträge auf der Website www.fragdenstaat.de ein. Auf den nach dem IFG gestellten Antrag des Beklagten vom 19.10.2018 hin übermittelte der Kläger diesem mit Bescheid vom 10.12.2018 die streitgegenständliche Zusammenfassung. Der Kläger erteilte zugleich den Hinweis: "Die Übermittlung von Daten erfolgt ausschließlich zu ihrem persönlichen Gebrauch. Bestehende Urheberrechte des BfR oder Dritter werden hierdurch nicht berührt. Veröffentlichungen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung des BfR." Der Beklagte stellte die Zusammenfassung ab dem 14.02.2019 auf benannter Website unter zwei Subdomains im Volltext zum Abruf und zum Download ein. Mit Schreiben vom 07.03.2019 mahnte der Kläger den Beklagten ab und forderte ihn auf, es zu unterlassen, die Zusammenfassung auf seiner Website u.a. öffentlich zugänglich zu machen. Für diese Abmahnung sind dem Kläger Kosten in Höhe von 1.242,84 EUR entstanden. Nach Erlass der unter dem Aktenzeichen 14 O 86/19 ergangenen einstweiligen Verfügung vom 13.03.2019 entfernte der Beklagte die Zusammenfassung von den oben genannten Subdomains. Der Kläger erließ am 23.04.2019 eine Allgemeinverfügung, veröffentlicht im Bundesanzeiger am 03.05.2019, aufgrund derer Personen, die einen Antrag gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 IFG auf Informationszugang zu der hier streitgegenständlichen Zusammenfassung stellen, über eine dafür eingerichtete Internetseite für die Dauer von jeweils 7 Tagen ein Lesezugang zu der Zusammenfassung gewährt wird. Die Beantwortung der Anträge sowie die Übermittlung der Zugangsdaten erfolgt seitens des Klägers in einem automatisierten E-Mail-Verfahren. Bis zum 05.06.2019 waren bereits mehr als 43.000 Anträge gestellt und vom Kläger positiv verbeschieden worden.

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