Leitsatz (amtlich)

Der Senat neigt zu der Auffassung, dass Art. 56 AEUV i.V.m. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen dahingehend auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie § 3 LTTG Rheinland-Pfalz entgegensteht.

Die Sache wird deshalb gem. Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt.

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Rheinland-Pfalz (Aktenzeichen VK 2-18/13)

 

Tenor

I. Das Beschwerdeverfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist Art. 56 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.V.m. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen dahingehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem öffentlichen Auftraggeber zwingend vorschreibt, nur Unternehmen zu beauftragen, die und deren Nachunternehmer sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren mit der Auftragsausführung befassten Mitarbeitern einen nur für öffentliche, nicht aber private Aufträge staatlich festgelegten Mindestlohn zu zahlen, wenn es weder einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn noch einen die potentiellen Auftragnehmer und eventuelle Nachunternehmer bindenden allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gibt?

2. Für der Fall, dass die erste Frage mit Nein beantwortet wird:

Ist das Unionsrecht auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge, insbesondere Art. 26 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge dahingehend auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie § 3 Abs. 1 Satz 3 LTTG entgegensteht, die den zwingenden Ausschluss eines Angebots für den Fall vorsieht, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer nicht bereits bei Angebotsabgabe in einer gesonderten Erklärung zu einem Tun verpflichtet, zu dem er im Falle der Beauftragung auch ohne Abgabe dieser Erklärung vertraglich verpflichtet wäre?

 

Gründe

I.1. Das Gesetz des Landes Rheinland-Pfalz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben (LTTG) vom 1.12.2010 enthält Regelungen, die nach der Vorstellung des Gesetzgebers notwendig sind um sicherzustellen, dass Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten, ihren bei der Auftragsausführung eingesetzten Mitarbeitern einen Mindestlohn zahlen, der staatlich festgesetzt wird und nur gilt, wenn der Auftrag im Bundesland Rheinland-Pfalz vergeben werden soll.

§ 3 Abs. 1 LTTG lautet:

"Soweit nicht nach § 4 Tariftreue gefordert werden kann, dürfen öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung ein Entgelt von mindestens 8,50 EUR (brutto) pro Stunde zu zahlen (Mindestentgelt) und Änderungen des Mindestentgelts aufgrund Rechtsverordnung der Landesregierung nach Abs. 2 während der Ausführungslaufzeit gegenüber den Beschäftigten nachzuvollziehen.

Satz 1 gilt nicht für die Leistungserbringung durch Auszubildende.

Fehlt die Mindestentgelterklärung bei Angebotsabgabe und wird sie auch nach Aufforderung nicht vorgelegt, so ist das Angebot von der Wertung auszuschließen.

Hat die Servicestelle nach § 4 Abs. 5 Muster zur Abgabe von Mindestentgelterklärungen öffentlich bekannt gemacht, können diese verwendet werden."

Aufgrund einer Änderungsverordnung der Landesregierung vom 11.12.2012 beträgt das Mindestentgelt in Rheinland-Pfalz derzeit 8,70 EUR/h.

Die Abs. 1 und 2 des in § 3 Satz 1 LTTG angesprochenen § 4 LTTG haben folgenden Wortlaut:

"(1) Öffentliche Aufträge, die vom Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) vom 20.4.2009 (BGBl. I, 799) in der jeweils geltenden Fassung erfasst werden, dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung ein Entgelt zu zahlen, das in Höhe und Modalitäten mindestens den Vorgaben desjenigen Tarifvertrages entspricht, an den das Unternehmen aufgrund des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes gebunden ist.

(2) Öffentliche Aufträge, die vom Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiArbG) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 802-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22.4.2009 (BGBl. I, 818), in der jeweils geltenden Fassung erfasst werden, dürfen nur an Unternehmen vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Beschäftigten bei der Ausführung der Leistung ein Entgelt zu zahlen, das in Höhe und Modalitäten mindestens den Vorgaben der aufgrund von § 4 Abs. 3 MiArbG erlassenen Rechtsverordnung entspricht...

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