Leitsatz (amtlich)

Zur Verweisung eines Handwerksgesellen auf den Beruf eines Hausmeisters, wenn die Bedingungen vorsehen, dass auf eine andere, der Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit verwiesen werden kann.

 

Normenkette

VVG § 172 Abs. 3; BUZ § 2

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 22.07.2011; Aktenzeichen 5 O 348/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 22.7.2011 - 5 O 348/10 - in der durch den Beschluss vom 4.8.2011 berichtigten Fassung im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Fortdauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ab 1.10.2010, längstens bis zum Ablauf der Versicherung am 31.8.2028, zu der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nummer ... eine Berufsunfähigkeitsrente von monatlich EUR 1.119,14 zum jeweils Monatsersten zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger für die Dauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit, längstens bis zum 31.8.2028, von der Beitragszahlungspflicht freizustellen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger wegen der Gebühren der vorgerichtlichen Tätigkeit seiner Bevollmächtigten i.H.v. EUR 1.761,08 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2010 freizustellen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte berechtigt war, die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente einzustellen, weil sie den bisher als Maler tätigen Kläger auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit eines Schulhausmeisters verweisen durfte.

Zwischen den Parteien besteht seit dem 1.9.2003 eine fondsgebundene Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die zugrunde liegenden Bedingungen enthalten unter anderen folgende Regelungen:

§ 1 Abs. 4a):

"Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt nicht vor, wenn die versicherte Person nach Eintritts des in Abs. 1, 2 oder 3 beschriebenen Zustands eine andere, ihrer Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit ausübt und sie dazu aufgrund ihrer gesundheitlichen Verhältnisse zu mehr als 50 % in der Lage ist.

Unter der bisherigen Lebensstellung ist die Lebensstellung in finanzieller und sozialer Hinsicht zu verstehen, die vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung gem. Abs. 1 oder 2 bestanden hat. Die dabei für die versicherte Person zumutbare Einkommensreduzierung wird von uns je nach Lage des Einzelfalles auf die im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung festgelegte Größe im Vergleich zum jährlichen Bruttoeinkommen im zuletzt ausgeübten Beruf, vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung, begrenzt."

§ 10 der Bedingungen räumt der Beklagten die Möglichkeit ein, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nachzuprüfen und insbesondere Feststellungen darüber zu treffen, ob nunmehr eine Verweisung möglich ist.

Der 1968 geborene Kläger ist gelernter Maler. Er war zunächst über etwa 15 Jahre - mit Unterbrechungen jeweils im Winter - bei der Firma L tätig. Am 2.4.2007 wechselte er unter Beibehaltung seines bisherigen Berufs zu der S GmbH. Den Malerberuf kann er aufgrund eines am 6.7.2007 erlittenen Arbeitsunfalls, der u.a. eine Verletzung des linken Sprunggelenks zur Folge hatte, nicht mehr ausüben. Die Beklagte bewilligte ihm daher ab dem 1.8.2007 Beitragsfreiheit und zahlte die vereinbarte dynamische Rente i.H.v. EUR 1.119,14.

Mit Schreiben vom 17.9.2009 leitete die Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ein. Dabei erhielt sie Kenntnis davon, dass der Kläger eine Tätigkeit als Schulhausmeister bei der Gemeinde D aufgenommen hat; neben den eigentlichen Hausmeisterpflichten verkauft er in den Pausen Lebensmittel an die Angehörigen der Schule.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne auf den Beruf des Schulhausmeisters nicht verwiesen werden. Diese entspreche nicht seiner bisherigen Ausbildung; er erziele auch ein geringeres Einkommen. Seine Nebeneinkünfte aus dem Pausenverkauf - deren Höhe zwischen den Parteien streitig ist - könnten in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Die Arbeit als Hausmeister sei zudem überobligatorisch, weil das erforderliche häufige Treppensteigen zu einer übermäßigen Belastung des unfallgeschädigten Fußgelenks führe.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Fortdauer der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit ab dem 1.10.2010, längstens bis zum Ablauf der Versicherung am 31.8.2028 zu der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung Nummer ... eine Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. monatlich 1.119,14 EUR zum jeweiligen Monatsersten zu zahlen,

2. festzus...

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