Leitsatz (amtlich)

1. Werden bei der Werbung für ein Lebensmittel in einem einheitlichen Newsletter neben dessen angeblichen Wirkungen auf Morbus Alzheimer und Demenz auch Wirkungen auf normale und alterstypische Gedächtnisprobleme behauptet, so können auch letztere Behauptungen in der Wahrnehmung des angesprochenen Verkehrs aufgrund von dramatischen Formulierungen und Darstellungen sowie als Folge des Gesamtzusammenhangs Krankheitsbezug aufweisen.

2. Vertiefen die angegriffenen Aussagen Ängste, übertreiben sie die positiven Auswirkungen bis hin zu Wunderversprechungen und machen sie Gebrauch von anderen klassischen Formen der Verbraucherwerbung, so ist eine solche werbliche Darstellung nicht nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 DiätV erlaubt.

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe v. 02.03.2016, - 14 O 39/15 KfH - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagten fallen die Kosten der Berufung zur Last.

3. Dieses Urteil und das in Ziff. 1 genannte Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung der Unterlassung in Ziff. I. durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 EUR und im Übrigen in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zur Unterlassung in gleicher Höhe und im Übrigen in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, begehrt von der Beklagten Unterlassung von Werbeaussagen für das Lebensmittel "[...]", das die Beklagte in einem Newsletter als Mittel zur Behandlung von Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen infolge von neurodegenerativen Funktionsstörungen vermarktet, wie aus Anlage K 1 ersichtlich. Der Kläger begehrt darüber hinaus Ersatz pauschaler Abmahnkosten für eine erfolglose Abmahnung vom 03.03.2015.

Der Kläger war der Meinung, das beworbene Produkt müsse sich als diätetisches Lebensmittel für besondere Zwecke (bilanzierte Diät) an den für derartige Mittel normierten Anforderungen messen lassen und genüge diesen nicht. Er hat seinen Anspruch daher auf die §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG 2008 i. V. m. §§ 1 Abs. 4a, 2 Abs. 1, 14b Abs. 1, 3, 5 Satz 2 DiätV gestützt. Darüber hinaus verstoße die Werbung gegen das allgemeine und das besondere Irreführungsverbot, weil der Verkehr sich unter einem diätetischen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke ein Lebensmittel vorstelle, das auch der Gesetzeslage nach als besonderes Lebensmittel zu qualifizieren sei. Der Unterlassungsanspruch bestehe auch aus §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG 2008 i. V. m. §§ 2 Abs. 1 DiätV, 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB, 3 HWG. Sollte es sich um eine verkehrsfähige bilanzierte Diät handeln, verstieße die Werbung dennoch gegen das Werbeverbot des Art. 7 Abs. 3 LMIV.

Der Kläger hat beantragt,

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr auf dem deutschen Markt für das diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diät) zur diätetischen Behandlung von Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen infolge neurodegenerativer Funktionsstörungen "[...]" zu werben:

1. "Starten Sie heute ein neues Leben ohne Angst vor Gedächtnisverlust, Demenz und Alzheimer. Machen Sie Ihr Gedächtnis sofort wieder so fit, wie es vor 10 oder 20 Jahren war ... Stoppen Sie sofort weiteren Gedächtnisverlust Befreien Sie Ihr Gehirn von 'Senile-Plaque'-Ablagerungen. Räumen Sie Signalwege zwischen Ihren Gehirnzellen frei. Entgiften Sie ihr Gehirn. Schützen Sie ihr Gehirn vor Schwäche und Alterung. Holen Sie Erinnerungen zurück. Machen Sie ihr Gehirn stark gegen schädliche Einflüsse wie Fett, Zucker, Stress, Sorgen und Ärger.",

2. "Auch mit 60, 70 oder 80 Jahren bekommen Sie leicht wieder ein sehr gutes Gedächtnis.",

3. "Sie müssen nicht erleben, was aktuell hunderttausende schockiert ...Immer wieder Name vergessen? Schlüssel verlegt? Sie können diesen Gedächtnis- und Erinnerungsverlust mit der Intelligenz der Natur stoppen. Aber Sie müssen es tun, damit es nicht schlimmer wird!",

4. "Gedächtnis- und Erinnerungsverlust und deren erste Anzeichen können Sie mit der Intelligenz der Natur wieder rückgängig machen.",

5. "Sie können Ihre Gehirnzellen so stark machen, dass sie wieder gesund werden. Die Intelligenz der Natur hat dafür schon vorgesorgt",

6. "Mit nur einer Kapsel täglich des neuen Wundermittels [...] erreichen Sie in nur 3 Wochen, dass Ihr Gedächtnis wieder so scharf wird, wie das Gedächtnis eines 18-jährigen Abiturienten.",

7. "Gedächtnisschwäche muss Ihnen nie passieren. Dieser Horror ka...

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