Leitsatz (amtlich)

Bei besonders langer Meßstrecke und geringem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug - hier 75 Meter Abstand bei einer Meßstrecke von 3.000 Metern - können bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit nähere Ausführungen zu den Sichtverhältnissen und zu den Orientierungspunkten zur Abstandsschätzung entbehrlich sein.

 

Verfahrensgang

AG Borken (Entscheidung vom 16.08.2006; Aktenzeichen 10 OWi 99 Js 578/06 OWi (315/06))

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, daß der Betroffene schuldig ist der vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO).

 

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid des Landrates des Kreises Borken vom 18. Mai 2006 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 76 km/h eine Geldbuße von 750,00 Euro und ein Fahrverbot von drei Monaten Dauer unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2 a StVG verhängt worden.

Auf seinen zulässigen Einspruch hat ihn das Amtsgericht Borken durch das angefochtene Urteil wegen "Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 76 km/h außerhalb geschlossener Ortschaft - fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit -" zu einer Geldbuße von 400,00 Euro und - ebenfalls unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub gemäß § 25 Abs. 2 a StVG - zu einem Fahrverbot von zwei Monaten Dauer verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und - jedenfalls inzidenter - materiellen Rechts rügt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Borken zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils hat Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht ergeben. Lediglich die vom Amtsgericht festgestellte Schuldform war zu berichtigen, da der Betroffene nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt hat. Das Verschlechterungsverbot (vgl. § 358 Abs. 2 StPO) steht dieser Abänderung nicht entgegen (Göhler, OWiG, 14. Auflage, § 79 Rdnr. 37 m.w.N.).

Das Amtsgericht hat zur Tat folgende Feststellungen getroffen:

"Am 30.04.2006 befuhr der Betroffene mit seinem Pkw Volvo mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX um 4.50 Uhr in Heiden die A 31 in Fahrtrichtung Emden. Sein Beifahrer war der Zeuge L.. In diesem Bereich der Autobahn befand sich seinerzeit eine Baustelle. Im Einfahrtsbereich der Baustelle war die zulässige Höchstgeschwindigkeit wegen erheblicher Fahrbahnschäden und einer Verschwenkung, die den Verkehr auf nur eine Fahrspur lenkt, auf 60 km/h, im weiteren Verlauf der Baustelle dann auf 80 km/h begrenzt. Die Reduzierung der Geschwindigkeit vor der Baustelle erfolgte durch einen Geschwindigkeitstrichter, der die Geschwindigkeiten in den Stufen 100 km/h bei Kilometer 32.920, 80 km/h bei Kilometer 33.120 und schließlich 60 km/h bei Kilometer 33.520 herabsetzte.

Die vom Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit wurde von den Zeugen Polizeihauptkommissar F. und Polizeiobermeister K. durch Nachfahren mit dem Funkstreifenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen MS - XXXX gemessen. Der Tacho in dem Polizeifahrzeug war geeicht bis zum 31.01.2007. Die Messung begann bei Kilometer 31,5 und endete bei Kilometer 34,5. Die Messstrecke betrug somit 3.000 Meter. Der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug betrug gleich bleibend ca. 75 m. Der Betroffene fuhr ungebremst mit einer Geschwindigkeit von 160 km/h in den Baustellenbereich ein und durchfuhr auch die Verschwenkung mit dieser Geschwindigkeit. Innerhalb der Baustelle, etwa ab km 35, reduzierte der Betroffene die Geschwindigkeit und fuhr bei erlaubten 80 km/h mit 130 km/h fast durch den gesamten Baustellenbereich. Wegen eines langsameren vorausfahrenden Fahrzeug musste er seine Geschwindigkeit dann auf ca. 100 km/h verringern. Unmittelbar nach der Baustelle beschleunigte er stark und fuhr mit einer Geschwindigkeit von gut 200 km/h weiter.

Für den Betroffenen wurde zur Tatzeit während der gesamten Messstrecke eine Geschwindigkeit von 160 km/h gemessen. Nach Abzug eines Toleranzwertes für Messungenauigkeiten von 15% verblieb eine nachweisliche Geschwindigkeit von 136 km/h. Der Betroffene hat daher die außerörtlich zugelassene Höchstgeschwindigkeit um 76 km/h netto überschritten."

Die Einlassung des Betroffenen, die im wesentlichen durch den Zeugen L. bestätigt worden ist, er sei mit allenfalls leicht überhöhter Geschwindigkeit im Bereich der Baustelle gefahren, hat das Amtsgericht aufgrund der Aussagen der beiden Meßbeamten als widerlegt angesehen. Auch eine von dem Betroffenen eingewandte mögliche Verwechselung hat das Amtsgericht aufgrund der Aussagen dieser Zeugen ausgeschlossen, die bekundet haben, sie hätten das...

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