Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortgeltung des Prozesskostenhilfebeschlusses bei wieder aufgenommenem Versorgungsausgleichsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Wiederaufnahme einer abgetrennten Folgesache zum Versorgungsausgleich wirkt die frühere Prozesskostenhilfebewilligung nicht fort.

2. Für die gem. Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG selbständige Familiensache ist deshalb ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu stellen, wenn es nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Partei veranlasst ist.

 

Normenkette

FGG-RG Art. 111 Abs. 4 S. 2; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-St. Georg (Beschluss vom 01.03.2010)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengerichts- Hamburg-St. Georg vom 11.3.2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsgegnerin war mit Beschluss vom 6.7.1998 für das Scheidungsverbundverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr jetziger Rechtsanwalt beigeordnet worden. Mit Beschluss vom 25.9.1998 ist die Folgesache Versorgungsausgleich aufgrund von § 2 VAÜG abgetrennt und gem. § 629 ZPO vorab über die Scheidung entschieden worden. Das Urteil wurde rechtskräftig und die Sache sodann weggelegt.

Nachdem am 1.9.2009 das VAÜG außer Kraft und das Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) in Kraft getreten war (Art. 23 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs - VAStrRefG), nahm das Familiengericht mit Verfügung vom 21.12.2009 den Versorgungsausgleich gem. § 50 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG von Amts wegen wieder auf. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 2.2.2010 Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung dieses Verfahrens beantragt.

Das Familiengericht hat das Gesuch mit der Begründung abgewiesen, dass der Antragsgegnerin bereits mit Beschluss vom 6.7.1998 unter Beiordnung ihres jetzigen Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 111 Nr. 7 i.V.m. § 76 Abs. 2 FamFG und § 127 Abs. 2 Satz 2, 3, §§ 567 ff. ZPO zulässig und auch begründet.

Nach § 48 Abs. 2 VersAusglG Versorgungsausgleichsverfahren gilt unabhängig davon, ob die Aussetzung vor oder nach dem 1.9.2009 erfolgt ist, nicht nur neues materielles Recht, sondern auch neues Verfahrensrecht. Die Vorschrift wird durch die Bestimmung zu Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RG (in der Fassung des am 1.9.2009 in Kraft getretenen VAStrRefG) ergänzt, nach der auf Versorgungsausgleichsverfahren, die am 1.9.2009 abgetrennt sind, die Vorschriften des FGG-RG angewendet werden müssen. Der Versorgungsausgleich wurde im vorliegenden Fall gem. § 2 Abs. 1 VAÜG am 25.9.1998 abgetrennt. Da nach neuem Recht auch auf die nach altem Recht abgetrennten Versorgungsausgleichsverfahren die Vorschriften des FGG-RG - mithin über Art. 1 FGG-RG die Bestimmungen des FamFG - anzuwenden sind, findet also auch gem. Art. 111 Abs. 4 S. 1 FGG-RG das FamFG Anwendung (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25.1.2010 - 8 WF 33/10 - JURIS m.w.N.).

Zutreffend weist das Familiengericht darauf hin, dass sich die damalige Prozesskostenhilfebewilligung nicht allein auf die Scheidungssache, sondern von Gesetzes wegen auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich erstreckte, §§ 624 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Es trifft ferner zu, dass die Prozesskostenhilfebewilligung nach dem vor dem 1.9.2009 geltenden alten Verfahrensrecht auch nach der Abtrennung des Versorgungsausgleichs noch Rechtsfolgen entfaltete, und eine Abtrennung nicht zu einer "echten" Verfahrenstrennung, sondern bloß dazu führte, dass im Scheidungsverbundverfahren zeitlich versetzte Teilentscheidungen zulässig wurden, wobei der Scheidungsverbund im Endeffekt erhalten blieb (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 628 Rz. 18 m.w.N.). Bei der Abtrennung des Versorgungsausgleichs handelte es sich nicht um eine End-, sondern um eine bloße Zwischenentscheidung (BGH, FamRZ 2003, 1005).

Dies führte sodann zur Fortwirkung einer vor der Abtrennung bewilligten Prozesskostenhilfe nach der Abtrennung (Zöller/Philippi, a.a.O., § 628 Rz. 19), so dass bei einer Wiederaufnahme des abgetrennten Versorgungsausgleichs für einen neuen Prozesskostenhilfeantrag kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestand (Zöller/Philippi, a.a.O., § 628 Rz. 19; OLG Dresden FamRZ 2002, 1415 [1416 m.w.N.]).

Anders waren ausschließlich die Sonderfälle zu behandeln, in denen die Abtrennung nicht auf § 628 ZPO, sondern auf die Bestimmungen zu § 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO oder § 623 Abs. 3 S. 2 ZPO - wobei diese Vorschriften allerdings auf die Folgesache Versorgungsausgleich nicht anwendbar waren - gestützt wurde. In diesen Fällen wurden die Folgesachen nach Abtrennung selbständige Familiensachen (§§ 623 Abs. 2 S. 3, 623 Abs. 3 S. 3 ZPO) mit der Folge, dass bei ihrer Fortführung erneut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt werden musste (vgl. OLG Naumburg FamRZ 2001, 1469 f.; Zöller/Philippi, a.a.O., § 623 Rz. 32k)...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge