Entscheidungsstichwort (Thema)

Briefschlitz in der Tür eines Mehrfamilienhauses als eine ähnliche Einrichtung im Sinne von § 180 Nr. 1 ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

Ob ein Briefschlitz in der Tür eines Mehrfamilienhauses eine ähnliche Einrichtung i.S.d. § 180 Nr. 1 ZPO darstellt, ist umstritten. Soweit in der Literatur teilweise ein Gemeinschaftsbriefkasten von mehreren Mietparteien mangels eindeutiger Zuordnungsmöglichkeit als ungeeignete Einrichtung i.S.d. § 180 Nr. 1 ZPO aufgefasst wird , kann es nicht auf die allgemeine Bezeichnung als Gemeinschaftsbriefkasten ankommen. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Briefkasten bzw. die ähnliche Einrichtung eindeutig eine Zuordnung zum Adressaten ermöglicht und für diesen - auch - beschriftet ist. Entscheidend ist, ob der Adressat typischerweise über diese Vorrichtung seine Post erhält, da er damit zu erkennen gibt, dass er dem Kreis der Mitnutzer hinreichendes Vertrauen entgegenbringt.

 

Normenkette

ZPO § 180 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 28.07.2008; Aktenzeichen 2-25 O 468/07)

BGH (Aktenzeichen II ZR 173/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.06.2011; Aktenzeichen III ZR 342/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28.7.2008 abgeändert. Das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 26.5.2007 wird aufgehoben und der Vollstreckungsbescheid vom 5.9.2007 (AZ 07-1557508-0-5) aufrechterhalten.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis der Klägerin im Termin am 26.5.2007 entstandenen Kosten, die die Klägerin zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts werden in Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO) und wie folgt ergänzt:

Die Klägerin begehrt Provisionszahlungen von der Beklagten in Höhe von EUR 35.907,82. Nachdem die Beklagte gegen den von der Klägerin erwirkten Vollstreckungsbescheid Einspruch eingelegt hat, hat das Landgericht ein den Vollstreckungsbescheid aufhebendes Versäumnisurteil gegen die Klägerin erlassen. Dieses wurde mit Urteil vom 28.7.2008 bestätigt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Einspruch der Beklagten rechtzeitig gewesen sei. Die Beklagte habe nachgewiesen, dass sie vor dem Zustellungstermin ihren Wohnsitz verlegt hatte. Ausschlaggebend sei ihr Wille, nicht mehr an dem früheren Sitz zu residieren. Der Klägerin stünden keine Ansprüche aus dem behaupteten Partnerschaftsvertrag zu, da sich aus dem eingereichten E-Mail-Verkehr ergebe, dass im Januar 2007 noch kein endgültiger Vertrag geschlossen worden sei.

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie ist der Ansicht, dass ohne Beweiserhebung nicht von einer fehlerhaften Zustellung ausgegangen werden könne. Sie habe mit der Beklagten mündlich einen Partnerschaftsvertrag geschlossen, dessen Inhalt dem bereits von ihr mit der ... Gesellschaft bestehenden Vertrag entsprochen habe. Lediglich über den Abschluss eines Vorstandsvertrags hätten sich die Parteien noch nicht geeinigt gehabt.

Sie beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und das Versäumnisurteil vom 26.5.2008 aufzuheben und den Vollstreckungsbescheid vom 5.9.2007 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 24.2.2009 durch Vernehmung der Zeugen und Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.2.2009 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Da der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid unzulässig ist, ist das Versäumnisurteil aufzuheben und der Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten.

Der Einspruch der Beklagte ist unzulässig, da er nach Ablauf der Notfrist von zwei Wochen i.S.d. §§ 339, 700 ZPO eingegangen ist. Die Frist begann mit der Zustellung des Vollstreckungsbescheids (§ 339 2. Hs ZPO). Diese Zustellung erfolgte hier am 7.9.2007. Die Frist lief damit am 21.9.2007 ab, so dass der am 26.11.2007 eingegangene Einspruch verspätet ist.

Der Tag der Zustellung des Vollstreckungsbescheids ist aufgrund des in dem Aktenausdruck i.S.d. § 696 Abs. 2 ZPO dargestellten Textes der hierüber errichteten Urkunde nachgewiesen. Der Aktenausdruck erbringt vollen Beweis für den Inhalt der in ihm wiedergegebenen Zustellungsurkunde (§§ 696 Abs.2, 418, 182 Abs. 1 S. 2 ZPO).

Soweit der Beweis der Unrichtigkeit gemäß § 418 Abs. 2 ZPO zulässig ist, erfordert dies den vollen Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehens, der damit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine objektive Falschbeurkundung belegt. Die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde muss vollständig entkräftet werden (BGH NJW 2006, 150, 151). Die Beklagte konnte den bezeugten ...

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