Leitsatz (amtlich)

Zur Überprüfung eines freisprechenden Urteils im Rechtsbeschwerdeverfahren, wenn der Betroffene auf seinem in einem Landschaftsschutzgebiet gelegenen Grundstück eine Kopfweidenreihe, die nach dem Landschaftsplan in ihrem Bestand nachhaltig zu sichern war, ohne behördliche Genehmigung beseitigt hat und sich zur Rechtfertigung der Handlung auf seine Verkehrssicherungspflicht beruft.

 

Normenkette

BNatSchG § 60; LandschaftsG NRW § 70 Abs. 1 Nr. 2; OWiG § 11 Abs. 2; BNatSchG §§ 26, 59 Abs. 1; LandschaftsG NRW §§ 16, 21, 49 Abs. 1

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Mönchengladbach zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Kreis V. hat gegen den Betroffenen mit Bescheid vom 11. April 2012 eine Geldbuße von 8.000 Euro festgesetzt. In dem Bußgeldbescheid wird dem Betroffenen zur Last gelegt, auf seinem landwirtschaftlichen Grundstück Gemarkung B. ... entgegen dem im Landschaftsplan Nr. 2 ... angeordneten Verbot 22 Kopfweiden, die in ihrem Bestand nachhaltig zu sichern waren, vollständig beseitigt zu haben.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts (§ 79 Abs. 6 OWiG).

1.

Das Amtsgericht hat das nicht mit Gründen versehene Protokollurteil aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben und der Staatsanwaltschaft, die an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hatte, zum Zwecke der Zustellung "gemäß § 46 Absatz 1 OWiG, § 41 StPO" übersandt. Auch wenn die Staatsanwaltschaft - was das Amtsgericht übersehen hat - vor der Hauptverhandlung ausdrücklich beantragt hatte, das Urteil bei Freispruch schriftlich zu begründen (§ 77b Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 OWiG), und deshalb eine Zustellung des Protokollurteils verfehlt war, konnte und musste das Amtsgericht die schriftlichen Urteilsgründe auf die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsbeschwerde gemäß § 77b Abs. 2 OWiG innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO nachholen (vgl. BGHSt 43, 22 = NJW 1997, 1862; Göhler-Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 77b Rdn. 4).

2.

Der Freispruch des Betroffenen unterliegt indes der Aufhebung, weil auch die - in zulässiger Weise nachgeholten - Urteilsgründe nicht den Anforderungen gerecht werden, die nach § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.

Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen müssen die Urteilsgründe so abgefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht überprüfen kann, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Daher hat der Tatrichter nach dem Tatvorwurf in einer geschlossenen Darstellung grundsätzlich zunächst diejenigen Tatsachen zu bezeichnen, die er für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen er die zur Verurteilung notwendigen Feststellungen nicht treffen konnte (vgl. BGH NStZ 1990, 448, 449; wistra 1996, 70; NStZ-RR 2008, 206; NStZ-RR 2010, 182). Diese Grundsätze gelten auch für ein freisprechendes Urteil im Bußgeldverfahren (vgl. OLG Bamberg VRS 114, 456; DAR 2013, 282). Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt worden ist.

Da in dem schriftlichen Urteil tatsächliche Feststellungen zum Tatgeschehen nicht ausgewiesen sind und sich dazu in den bewertenden Ausführungen lediglich Fragmente finden, ist der Freispruch aus den Urteilsgründen selbst heraus nicht nachvollziehbar und nicht überprüfbar. Bereits dieser Darstellungsmangel zwingt zur Aufhebung des Urteils.

Die Begründung des Freispruchs beschränkt sich im Wesentlichen auf die Aussage, dass nicht mehr feststellbar gewesen sei, welche der 22 beseitigten Kopfweiden "konkret nicht mehr standsicher" gewesen seien, und der Betroffene im Rahmen der ihn als Grundstückseigentümer treffenden Verkehrssicherungspflicht berechtigt gewesen sei, die nicht mehr standsicheren Bäume zu entfernen. Daher fehle es auch am subjektiven Tatbestand.

a) Es wäre im Rahmen einer geschlossenen Darstellung des Sachverhaltes angezeigt gewesen, grundlegend zunächst die maßgeblichen Festsetzungen des Landschaftsplans Nr. 2 ... mitzuteilen. Daran fehlt es hier. Da der Landschaftsplan, der im Amtsblatt des Kreises V. bekanntgemacht worden ist, die Rechtsnatur einer kommunalen Satzung hat (§ 16 Abs. 2 Satz 1 LandschaftsG NRW), handelt es sich bei den Festsetzungen indes um Rechtsnormen, von deren Inhalt sich der Senat selbst Kenntnis verschaffen kann und muss.

Nach dem Landschaftsplan ist das betroffene Grundstück Bestandteil des Landschaftsschutzgebietes 1.2.1 ... Die beseitigten Bäume sind unter der Gebotsfestsetzung ... als in ihrem...

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