Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 12.05.2006; Aktenzeichen 5 O 4391/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.04.2009; Aktenzeichen I ZR 216/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Leipzig vom 12.5.2006 (Az.: 5 O 4391/05) wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: 100.000 EUR.

 

Tatbestand

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird anstelle des Tatbestandes auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Darüber hinaus wird folgende Ergänzung vorgenommen:

Die Beklagten haben gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt und diese im Wesentlichen durch Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags begründet.

Sie beantragen:

unter Abänderung des am 12.5.2006 verkündeten Urteils des LG Leipzig, Az.: 5 O 4391/05, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Klägerin beantragt, Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung sowie die Berufungserwiderung und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Das Angebot der Beklagten stellt einen Eingriff in das der Klägerin gem. §§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG zustehende Senderecht dar. Danach hat sie die ausschließliche Befugnis über die Vervielfältigung ihrer Sendungen zu disponieren. Die Beklagten können sich weder auf die Schrankenregelung des § 44a UrhG noch auf die Privilegierung des Privatgebrauchs nach § 53 Abs. 1 S. 1 oder § 53 Abs. 1 S. 2 UrhG berufen. Dagegen liegt keine Verletzung des Senderechts vor, soweit es um das Recht der Weitersendung (§§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, 15 Abs. 2 Nr. 3, 20 UrhG) sowie das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a UrhG) geht. Die Beklagten haften ferner wegen eines Wettbewerbsverstoßes unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchtatbestandes nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, da das von ihnen eingesetzte Altersverifikationssystem nicht den Anforderungen entspricht, die sich aus den Vorschriften des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) ergeben.

1. Ein Eingriff in das Weitersenderecht (§§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, 15 Abs. 2 Nr. 3, 20 UrhG) scheidet aus, da unter dem Begriff der "Weitersendung" nur eine gleichzeitige und nicht eine zeitverschobene Weitersendung zu verstehen ist (Schricker/v. Ungern/Sternberg, UrhG, 3. Aufl. 2006, § 87 Rz. 31, m.w.N.). Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, erfolgt die Abgabe des Datenstroms aus dem Bereich der Erstbeklagten an ihre Nutzer über das Internet nicht zeitgleich, sondern zeitversetzt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es aufgrund der erforderlichen Aufbereitung des Sendesignals für die Weiterleitung im Internet im Wege des sog. Streaming notgedrungen zu Zeitverzögerungen kommt.

2. Entgegen der Auffassung des LG verletzt das Angebot der Beklagten auch nicht das vom Senderecht der Klägerin umfasste Recht auf öffentliche Zugänglichmachung (§§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a UrhG). Zwar trifft es zu, dass der Kunde der Beklagten die fragliche Sendung "von Orten seiner Wahl" und "zu Zeiten seiner Wahl" ansehen kann, weil die gespeicherte Sendung an jedem beliebigen Ort zu jeder Zeit durch einen PC abgerufen werden kann. Auch das Merkmal eines "Zugänglichmachens" wird durch die Möglichkeit eines interaktiven Abrufs verwirklicht (so OLG Köln GRUR-RR 2006, 5 - Personal Video Recorder; Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl. 2005, § 16 Rz. 13). Allerdings fehlt es an einer Zugänglichmachung ggü. der "Öffentlichkeit". Das Geschäftsmodell der Beklagten zu 1) ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass jede einzelne konkrete Aufzeichnung nur jedem einzelnen Kunden, der sie aufgezeichnet hat, zum interaktiven Abruf zugänglich gemacht wird (Dreier, FS Ullmann, 2006, S. 37, 44). Wenn man gleichwohl auf die Gesamtheit aller Nutzer abstellt (so OLG Köln GRUR-RR 2006, 5 - Personal Video Recorder), so wird dabei außer Acht gelassen, dass sich das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG (ebenso wie die übrigen Nutzungsrechte) immer nur auf jeweils ein konkretes Werk bezieht, das Mitgliedern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss (Dreier, ebenda). Auch bei § 19a UrhG bedarf es einer Öffentlichkeit i.S.d. § 15 Abs. 3. Danach ist die Zugänglichmachung nur öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Dies setzt zumindest die Möglichkeit eines zeitversetzten Zugriffs durch eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit voraus. Hieran fehlt es, wenn, wie im vorliegenden Fall, nur einer bestimmten Person mittels eines entsprechenden Zugangscodes eine bestimmte Sendung "zugänglich gemacht" wird.

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