Leitsatz (amtlich)

Einer in Insolvenz befindlichen Aktiengesellschaft kann auf eine vom Insolvenzverwalter geführte Nichtigkeitsklage ein Prozesspfleger bestellt werden, wenn die Aufsichtsratsmitglieder - nicht aber die Vorstandsmitglieder - ihre Ämter wirksam niedergelegt haben.

 

Normenkette

AktG § 249; ZPO § 57

 

Verfahrensgang

LG Zwickau (Aktenzeichen 1 HKO 116/03)

 

Tenor

Für die Beklagte zu 1) wird Rechtsanwalt A. "c/o" als Prozesspfleger für den Wirkungskreis des vorliegenden Rechtsstreits bestellt.

 

Gründe

A. Der Kläger begehrt, für die Beklagte zu 1) im vorliegenden Rechtsstreit einen Prozesspfleger zu bestellen.

Das AG C. eröffnete mit Beschl. v. 1.9.2002 (...) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 1) (künftig: Schuldnerin) und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Dieser hat im August 2003 beim LG Z. gegen die Schuldnerin und den zum Sonder-Insolvenzverwalter mit Wirkungskreis für den vorliegenden Rechtsstreit bestellten Beklagten zu 2) Klage mit dem Antrag erhoben, den Jahresabschluss der Schuldnerin zum 31.12.1999 und den Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung der Schuldnerin vom 15.6.2000 als nichtig festzustellen. Mit Urt. v. 25.8.2004, dem Beklagten zugestellt am 20.1.2005, hat das LG Z. gem. den Anträgen des Klägers erkannt. Nach Verkündung dieses Urteils wurde der Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten zu 1) vom LG Z. durch Beschl. v. 30.12.2004 (...) ausgesetzt. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats der Schuldnerin ihr Mandat am 23./24.11.2003 niedergelegt hätten und die Schuldnerin hierdurch im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr von den gem. § 246 Abs. 2 AktG zuständigen Organen vertreten sei.

Gegen dieses Urteil haben der Beklagte zu 2) sowie die dem Beklagten als Streithelfer beigetretene Abschlussprüferin und die dem Beklagten als Streithelfer beigetretenen früheren Vorstände und Hauptaktionäre Berufung eingelegt. Die vom Kläger und vom Beklagten zu 2) gestellten Anträge auf Aufnahme des Verfahrens hat der Senat mit Beschl. v. 17.5.2005 mangels Antragsbefugnis abgelehnt. Auf entsprechenden Hinweis des Senats hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6.5.2005 hilfsweise beantragt, der Beklagten zu 1) einen Prozesspfleger zu bestellen.

B. Diesem Gesuch des Klägers war gem. § 57 Abs. 1 ZPO zu entsprechen.

I. Entgegen den Erwägungen der als Streithelfer beigetretenen Hauptaktionäre und früheren Vorstände steht einer Prozesspflegerbestellung nicht entgegen, dass die Schuldnerin bei Klagezustellung über organschaftliche Vertreter verfügte und diese erst im Verlauf des Rechtsstreits ihre Ämter niedergelegt haben. Den beiden Streithelfern ist zwar zuzugeben, dass in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten wird, eine Pflegerbestellung scheide aus, wenn das Vertretungsorgan nach Eintritt der Rechtshängigkeit weggefallen sei (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 57 Rz. 3; Musielak/Weth, ZPO, 4. Aufl., § 57 Rz. 2). Diese Sicht bleibt aber am Wortlaut von § 57 Abs. 1 ZPO stehen und berücksichtigt weder, dass der Normzweck (BGH v. 7.11.1984 - IVb ZB 830/81, BGHZ 93, 1 [9] = MDR 1985, 307) eine Prozesspflegerbestellung unabhängig von der Rechtshängigkeit der Klageforderung gebietet, noch dass bei einem nach Klagezustellung erfolgenden Wegfall des Vertretungsorgans die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die durch den Justizgewährleistungsanspruch an eine effektive Rechtsverfolgung gestellt sind, nicht geringer sind als bei einer von vornherein mangelnden Prozessfähigkeit eines Beklagten. Auch vermag der Senat nicht zu erkennen, aus welchem sachlichen Grunde einem Kläger die Fortführung eines infolge nachträglich eingetretener Prozessunfähigkeit ausgesetzten Prozesses nicht unter denselben Voraussetzungen eröffnet werden sollte wie die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine von vornherein prozessunfähige Partei (i.E. ebenso: OLG Stuttgart v. 12.7.1996 - 9 W 69/94, MDR 1996, 198; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 57 Rz. 2; Lindacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 57 Rz. 8).

II. Die Schuldnerin ist prozessunfähig, da sie gem. § 249 Abs. 1 S. 1, § 246 Abs. 2 S. 2 AktG im vorliegenden Rechtsstreit durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten wird und aus den im Beschluss des 3. Zivilsenats des OLG Dresden (OLG Dresden, Beschl. v. 20.10.2004 - 3 W 966/04) genannten Gründen zumindest die Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt wirksam niedergelegt haben.

III. Entgegen der von den Streithelfern der Beklagten vertretenen Sicht ist für die Bestellung eines Prozesspflegers auch die nach § 57 Abs. 1 ZPO erforderliche "Gefahr im Verzug" vorhanden.

1. Ohne eine Prozesspflegerbestellung ist die Verwirklichung der vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit verfolgten Ansprüche auf nicht absehbare Zeit vereitelt.

a) Es besteht kein Anhalt dafür, dass die Schuldnerin ohne eine vom Senat nach § 57 Abs. 1 ZPO zu treffende Entscheidung ihre Prozessfähigkeit in überschaubarer Zeit wird erlangen können. Dies verstünde sich dann, wenn sowohl Vors...

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