Leitsatz (amtlich)

Zur Amtsenthebung eines Schöffen wegen menschenverachtender und verfassungsfeindlicher Äußerungen in sozialen Netzwerken (facebook).

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen SH 322-5/2017)

 

Tenor

Der Schöffe N.N. ist bis zur Entscheidung über die Amtsenthebung nicht zu Sitzungen heranzuziehen.

 

Gründe

I.

Der nach Kapitel C I. lfd. Nr. 14 des Geschäftsverteilungsplans 2017 des Landgerichts Leipzig in Verbindung mit der Geschäftsverteilung über die Erledigung der Verwaltungsgeschäfte im Präsidialrichterbereich des Landgerichts Leipzig (Az.: E 320a-3/16) für das Jahr 2017 für Schöffenangelegenheiten zuständige Vorsitzende der 11. Strafkammer hat mit Verfügung vom 17. August 2017 gemäß §§ 51 Abs. 2 S. 1, 77 Abs. 3 S. 3 GVG beantragt, den in der Beschlussformel bezeichneten Schöffen seines Amtes zu entheben, weil der Schöffe seine Amtspflichten gröblich verletzt habe. Zugleich hat er angeregt, gemäß § 51 Abs. 3 GVG einstweilen anzuordnen, dass der Schöffe bis zur Entscheidung über die Amtsenthebung nicht zu Sitzungen herangezogen werden darf.

Der Schöffe unterhalte einen Facebook-Account, in dessen öffentlich zugänglichem Bereich das Profilbild des Schöffen sowie mehrere Beiträge und - zum Teil kommentierte bzw. textlich ergänzte - Bilder enthalten sind, deren Inhalt als verfassungsfeindlich und menschenverachtend einzustufen sei und damit eine gröbliche Verletzungen der Amtspflicht eines Schöffen darstellten.

Mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 25. August 2017 ist der Schöffe über den Antrag auf Amtsenthebung informiert worden. Zugleich ist er ferner darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Senat den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GVG erwägt.

Der Schöffe hat sich dazu innerhalb der ihm gesetzten Fristen mit einem Schreiben vom 01. September 2017 geäußert. Er bestätigt, die in der Antragsschrift zur Amtsenthebung beschriebene Person zu sein; allerdings habe er weder verfassungsfeindliche noch menschenverachtende Äußerungen getätigt. Sofern seine Äußerungen dennoch so aufgenommen worden seien, bitte er hierfür in aller Form um Entschuldigung. Er habe sich stets von dem Gedanken der Meinungsfreiheit in Bild und Ton nach Art. 5 GG leiten lassen. Den nunmehr vorliegenden Antrag auf Amtsenthebung nehme er gleichwohl zum Anlass, das Amt des Schöffen wegen der ihm zur Last gelegten Sachen niederzulegen.

II.

Nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GVG hat der Senat angeordnet, dass der Schöffe bis zur Entscheidung über seine Amtsenthebung nicht zu Sitzungen heranzuziehen ist.

1. Bei offenem Ausgang des Amtsenthebungsverfahrens muss der Senat lediglich die Folgen abwägen, die eintreten, wenn er keine einstweilige Anordnung erließe, der Antrag auf Amtsenthebung des Schöffen später aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile, die entstünden, wenn der Schöffe aufgrund einstweiliger Anordnung bis zur endgültigen Entscheidung nicht mehr zu Sitzungen herangezogen werden darf, der Amtsenthebungsantrag später aber erfolglos bliebe. Dabei ist auch der verfassungsrechtliche Anspruch der Angeklagten auf Mitwirkung des betroffenen Schöffen als dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) in denjenigen Strafverfahren, die bis zur endgültigen Entscheidung über den Amtsenthebungsantrag anstehen, in den Blick zu nehmen.

2. Die vorzunehmende Abwägung fällt zu Lasten des Schöffen aus. Der Antrag auf Amtsenthebung erscheint zum derzeitigen Zeitpunkt weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet.

a) Eine zur Amtsenthebung führende gröbliche Verletzung von Amtspflichten ist nach Sinn und Zweck des § 51 GVG anzunehmen, wenn der Schöffe ein Verhalten zeigt, das ihn aus objektiver Sicht verständiger Verfahrensbeteiligter ungeeignet für die Ausübung des Schöffenamtes macht, weil er nicht mehr die Gewähr bietet, unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Ob eine erhebliche Pflichtverletzung gegeben ist, beurteilt sich auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Ein schwerwiegendes Fehlverhalten außerhalb des Amtes genügt, wenn es in die Amtsführung hineinwirkt. Eine gröbliche Verletzung von Amtspflichten ist insbesondere bei einer Missachtung der nach § 45 DRiG auch für ehrenamtliche Richter geltenden Pflicht zur Treue der Verfassung anzunehmen (vgl. Kissel/Mayer, GVG 8. Aufl., § 51 Rdnr. 2). Dabei ist im Hinblick auf den Grundsatz des gesetzlichen Richters in besonderem Maße dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen (vgl. dazu BR-Drucksache 539/10 S. 21).

b) Vorliegend sprechen gewichtige Gründe dafür, dass der Schöffe aufgrund seiner Ablehnung der rechtsstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland von seinem Amt als Schöffe gemäß § 51 Abs. 1 GVG zu entheben sein wird. Ein Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache ist nicht zumutbar, weil damit zu rechnen ist, dass der Schöffe zwischenzeitlich zur Mitwirkung in Strafverfahren berufen ist.

Am 13. August 2017 stellte er in den öffentlich zugänglichen Bereich seines Facebook-Accounts mit dem vom...

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