Leitsatz (amtlich)

Die DP-AG darf auch die personellen, sächlichen und finanziellen Mittel, die sie wegen des Briefzustellungsmonopols vorhält und/oder durch dieses erwirtschaftet hat, einsetzen, um auf anderen, nicht nur klassischen Postmärkten, tätig zu werden; auf den neuen Märkten muss sie sich nur wie jedermann wettbewerbskonform verhalten.

 

Normenkette

GWB 2005 §§ 19, 33; EGV Art. 82

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 30.08.2004; Aktenzeichen 21 O 178/03 Kart)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.8.2004 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch darf die Klägerin die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert: 250.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beklagte bietet auf dem Markt für unadressierte Verteilung von Haushaltswerbung u.a. in H., F. und H. die Verteilung einer kostenlosen Zeitschrift an, der sie gegen Entgelt durch Unternehmen Drucksachen zur Haushaltwerbung beifügt. Eben dies tut auch die Klägerin in H. mit einem großen Marktanteil. Die Beklagte verteilt die Drucksachen über ihre Postzusteller, die auch zur monopolisierten Briefzustellung (bis 2007) tätig sind. Die Klägerin meint, mit der Art der Zustellung missbrauche die Beklagte Image-und Kostenvorteile, die ihr durch das Briefzustellungsmonopol entstanden sind, im Wettbewerb.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im Stadtgebiet der Landeshauptstadt H. das Produkt "Einkauf Aktuell" durch ihre Zusteller verteilen zu lassen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie nutze nur ihre Chancen im Wettbewerb und missbrauche keine Monopolstellung. Auf dem Markt der unadressierten Verteilung von Haushaltswerbung sei sie nicht marktbeherrschend und deshalb auch nicht Adressat eines Missbrauchsverbotes; sie verhalte sich überdies auch dort redlich im Wettbewerb.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG die Klage abgewiesen. Auf dem in Rede stehenden Markt sei die Beklagte nicht marktbeherrschend, überdies sei die Verteilung durch die Postzusteller der Beklagten kein Machtmissbrauch, sondern im Interesse der Öffnung der Beklagten für den Markt wirtschaftlich geboten.

Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die geltend macht, der Einsatz der Zusteller und die besondere Vertrauensstellung aus dem monopolisierten Bereich sei Frucht des Monopols, denn es verschaffe der Beklagten auf dem hier in Rede stehenden Markt Wettbewerbsvorteile. Das stelle einen Missbrauch dar.

Die Klägerin beantragt, auf ihre Berufung ihrem Antrag erster Instanz zu entsprechen.

Die Beklagte beantragt, die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Sie verhalte sich auf dem Markt der Klägerin marktkonform. Der Einsatz ihrer Zusteller sei wirtschaftlich, ihr Ansehen bei den Nachfragern habe sie durch vorangegangene Leistung erarbeitet. Diese nur teilweise auf dem vorbehaltenen Briefzustellungsmarkt erworbenen Ressourcen dürfe sie einsetzen.

Im Übrigen wird auf das landgerichtliche Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 33 GWB.

a) Die Beklagte verstößt nicht gegen § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB.

aa) Die Beklagte ist allerdings marktbeherrschend auf dem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen. Unstreitig besitzt sie in diesem sachlichen Markt einen Marktanteil von über 90 %, wobei unterstellt werden kann, dass diese Quote auch im örtlichen Bereich von H. nicht unterschritten wird. Auf dem Teilmarkt für Briefe bis 100 g ist sie sogar Monopolistin, soweit ihr in § 51 Abs. 1 PostG eine Exklusivlizenz eingeräumt worden ist.

bb) Ein Missbrauch dieser Marktmacht scheidet nicht bereits deshalb aus, weil das von der Klägerin gerügte Verhalten der Beklagten sich nicht auf dem beherrschten Markt auswirkt, sondern auf dem sachlich unterschiedlichen Markt für unadressierte Haushaltswerbung, auf dem die Beklagte nicht marktbeherrschend ist. Adressat des § 19 Abs. GWB ist, wer eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs bei missbräuchlicher Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung bewirkt. Die marktbeherrschende Stellung muss danach nicht auf dem Markt, auf dem der Wettbewerb beeinträchtigt wird, bestehen. Adressat des Missbrauchsgebots ist auch das marktbeherrschende Unternehmen, das diese Stellung missbraucht und dadurch wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkungen auf einem anderen Markt hervorruft (BGH v. 4.11.2003 - KZR 16/02- Strom und Telefon I, BGHZ 156, 379 = BGHReport 2004, 464 = CR 2004, 602; KG WuW-E OLG 3124, 3129; OLG Düsseldorf WuW-E DE-R 880, 883; Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19 Rz. 114; Schultz in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 GWB Rz. 133)...

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