Entscheidungsstichwort (Thema)

Paralleler Betrieb eines Sexshops und einer Tankstelle zur Umgehung des Ladenschlussgesetzes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Betrieb einer Tankstelle im Sinne von § 6 I LadSchlG liegt nur dann vor, wenn der Betreiber die ernsthafte Absicht hat, durch den Verkauf von Kraftstoffen die Mobilität zu gewährleisten.

2. Reisebedarf im Sinne der §§ 2 II, 6 II LadSchlG sind nur solche Artikel, die den meist spontanen Bedarf von Reisenden decken. Die insoweit notwendigen Feststellungen hat der Tatrichter gegebenenfalls durch nähere Beschreibung der abgegebenen Waren zu treffen.

 

Normenkette

GG Art. 74 I Nr. 11; StPO § 267 I 1; LadSchlG § 2 II

 

Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts vom 22. April 2009 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen am 22.04.2009 wegen Verstoßes gegen § 3 Satz 1 LadSchlG in zwei tatmehrheitlichen Fällen zu zwei Geldbußen von je 500 €. Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Er ist insbesondere der Auffassung, dass er als Betreiber einer Tankstelle nicht den Bestimmungen des § 3 LadSchlG unterworfen sei und es sich bei den im Urteil genannten verkauften Gegenständen lediglich um Reisebedarf im Sinne von §§ 2 Abs. 2, 6 Abs. 2 LadSchlG gehandelt habe.

II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist begründet. Die Sachrüge hat - zumindest vorläufigen - Erfolg, da die Urteilsgründe lückenhaft sind (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG).

1. Das Amtsgericht stellt unter Ziffer II fest:

"Der Betroffene betreibt eine Erotikmarktkette, darunter unter anderem auch einen Erotikmarkt in I. Im 1. Stock des Gebäudes befinden sich Videokabinen sowie ein Sexshop, in welchem ein Komplettsortiment an Erotikartikeln angeboten wird. Der Zutritt zu den Räumlichkeiten des Erotikmarkts ist nur Personen ab 18 Jahren erlaubt.

Weiterhin betreibt der Betroffene unter der gleichen Geschäftsadresse eine Tankstelle.

Diese besteht aus einem oberirdischen Tank auf der Rückseite des Gebäudes.

An der Einfahrt zum Geschäftsanwesen befindet sich ein kleines Hinweisschild auf den Betrieb einer Tankstelle. Wenn ein Kunde tanken will, muss er entweder einen neben dem Tank befindlichen Klingelknopf drücken oder in den Sexshop des Erotikmarktes im 1. Stock gehen, damit ein Angestellter herunterkommt und den Tankvorgang vornimmt. Zum Bezahlen der Tankrechnung muss der Kunde in den Sexshop des Erotikmarktes gehen und an der Verkaufstheke, an der auch die Kunden des Sexshops ihre Waren bezahlen, seine Tankrechnung begleichen. Der Preis für das Biodiesel steht seit Frühjahr 2006 unverändert bei 1,009 Euro pro Liter. Die Tankstelle ist rund um die Uhr geöffnet.

Auf Veranlassung des Betroffenen war der Sexshop des Erotikmarktes am 17.05.2007 (Christi Himmelfahrt) und am 17.06.2007 (Sonntag) geöffnet, wobei für Kunden die Möglichkeit bestand, aus dem Sortiment des Sexshops Pornozeitschriften, Hefte und Bücher, Porno-CD‚s, DVD‚s und Videofilme, Sexspielzeug sowie Kondome, Massageöl und ähnliche Artikel zu erwerben, während vor die übrigen Warenregale eine Kette mit einem Schild gehängt war mit dem Hinweis, dass diese Bereiche an Sonn- und Feiertagen ganz bzw. an Werktagen ab 20.00 Uhr gesperrt sind." Im Rahmen der rechtlichen Würdigung führt das Amtsgericht weiter aus:

"Der Betroffene hat sich somit in 6 tatmehrheitlichen Fällen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 3 Satz 1 LadSchlG schuldig gemacht. Hinsichtlich der vorliegenden Fälle liegt ein objektiver Verstoß gegen § 3 Satz 1 LadSchlG vor, da es sich hinsichtlich des eingeschränkten Sortiments nur dem Wortsinn nach um Reisebedarf im Sinn des § 2 Abs. 2 LadSchlG handelt, der Sache nach aber um Waren, die einen erheblichen Teil des gängigen Sortiments eines Sexshops darstellen und während der nach § 3 Satz 1 LadSchlG zulässigen Öffnungszeiten auch als Solches angeboten werden.

Aufgrund der vom Betroffenen gewählten Fallgestaltung ist das Gericht davon überzeugt, dass der Betrieb der Tankstelle nur den Zweck hat, den Sexshop rund um die Uhr für den geschäftlichen Verkehr zu öffnen und einen erheblichen Teil des Sexshopsortiments ebenfalls rund um die Uhr anbieten zu können. Weiterhin hat das Gericht aufgrund der festgestellten Umstände keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Betroffene dieses Geschäftsmodell nur gewählt hat, um die allgemeinen Ladenschlusszeiten des § 3 LadSchlG zu umgehen und sich bezüglich der Öffnung des Sexshops und des Warenangebots der Form halber auf § 6 LadSchlG berufen zu können, so dass vom vorsätzlichen Handeln auszugehen ist." 2. Diese Ausführungen des Tatgerichtes sind lückenhaft und bilden damit keine tragfähige Grundlage für den angegriffenen Schuldspruch.

a) Zwar dürfen an die Urteilsgründe im Bußgeldverfahren kei...

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