Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidungsbefugnis der Eltern für die Teilnahme an Covid-19-Schnelltests in Schulen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein die Ablehnung der Zustimmung zur Teilnahme eines minderjährigen Kindes an einem schulisch veranlassten COVID-19-Schnelltest vermag ein dringendes Bedürfnis für die sofortige Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nicht zu begründen.

2. Die Teilnahme eines minderjährigen Kindes an einem schulischen COVID-19-Schnelltest ist nicht durch die Alleinentscheidungsbefugnis des betreuenden Elternteils nach § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB gedeckt. Es handelt sich hierbei vielmehr aufgrund des möglichen Ausschlusses des Kindes vom Präsenzunterricht um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i. S. v. § 1628 Satz 1 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 1628, 1671 Abs. 1

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - wird auf die Beschwerde des Antragsgegners in Tenorziffern 1. und 2. aufgehoben und wie folgt neu gefasst: Die Entscheidung über die Teilnahme des Kindes an schulischen Testverfahren zur Diagnose von COVID-19 wird auf die Antragstellerin allein übertragen. Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Ihre außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren tragen die Beteiligten selbst.

4. Der Beschwerdewert beträgt 2.000,00 Euro.

5. Die Rechtsbeschwerde ist gegen diesen Beschluss nicht statthaft.

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 28.04.2021 hat das Amtsgericht - Familiengericht - im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragstellerin die elterliche Sorge für das Kind K in den Teilbereichen Regelung der gesundheitlichen und schulischen Angelegenheiten auf der Grundlage von § 1671 Abs. 1 BGB allein übertragen und die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt.

Zur Begründung führt das Amtsgericht im Wesentlichen aus, eine Einigung der Eltern zur Frage der Teilnahme ihres Kindes an von der Schule durchgeführten Coronatestungen sowie über eine mögliche Teilnahme des Kindes an einer Corona-Impfung sei nicht erzielbar. Es entspreche dem Wohl des Kindes am besten, die gemeinsame elterliche Sorge in den Bereichen Regelung der gesundheitlichen und schulischen Angelegenheiten der Antragstellerin allein zu übertragen.

Gegen den ihm zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt.

Er führt insbesondere aus, seine Bedenken hinsichtlich der von der Schulbehörde beabsichtigten Selbsttestung des Kindes seien berechtigt. Die enthaltenen Chemikalien könnten das Kind gefährden. Es wäre möglich, dass diese verschüttet werden und Haut oder Schleimhäute in Mitleidenschaft ziehen. Bei der Selbsttestung sei nicht ausgeschlossen, dass sich Kinder verletzen.

Eine gerichtliche Sorgerechtsentscheidung sei im Übrigen nicht erforderlich gewesen, nachdem die Mutter die erforderlichen Einwilligungen im Rahmen des § 1687 BGB allein erklären könne.

Der Senat hat Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes und des zuständigen Jugendamtes eingeholt:

Das Jugendamt verteidigt, ebenso wie die Antragstellerin, die erstinstanzliche Entscheidung. Der Verfahrensbeistand vertritt die Auffassung, ein COVID-19-Schnelltest sei möglicherweise durch die Alleinentscheidungsbefugnis des betreuenden Elternteils auf der Grundlage von § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB gedeckt.

Zur Ergänzung wird auf den erstinstanzlichen Beschluss vom 28.04.2021, die hiergegen erhobene Beschwerde nebst Beschwerdebegründung, die Beschwerdeerwiderung sowie auf die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schriftsätze und Berichte Bezug genommen.

II. Die gem. §§ 57 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, 58 ff., 63 Abs. 2 FamFG zulässige Beschwerde des Kindsvaters führt zur Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung und zur aus dem Tenor ersichtlichen Neufassung des erstinstanzlichen Beschlusstenors.

Der Senat hat von einer mündlichen Erörterung der Sache in der Beschwerdeinstanz nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen, da hiervon bei den gegebenen Umständen auch im Hinblick auf § 26 FamFG keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten waren.

1. Hinsichtlich der Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge allein auf die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung fehlt es an dem gem. § 49 Abs. 1 FamFG erforderlichen Anordnungsgrund, einem dringenden Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden.

Denn allein die Ablehnung schulischer COVID-19-Schnelltest durch den Antragsgegner vermag ein dringendes Bedürfnis für die sofortige Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge nicht zu begründen.

Gleiches gilt für die derzeitige Positionierung des Antragsgegners gegen eine Coronaimpfung für seine Tochter, zumal eine derartige Impfung für Kinder ihres Alters derzeit noch nicht vorgesehen ist.

2. Bedingt durch die Weigerung des Antragsgegners, einer schulischen Coronatestung seines Kindes K zuzustimmen (Bl. 13 d. A.) ergibt sich jedoch ...

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