Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafbares Zugänglichmachen pornographischer Inhalte

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 15.09.2003; Aktenzeichen [571] 75 Js 46/02 Ns [134/03])

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 24.09.2009; Aktenzeichen 1 BvR 1231/04, 1 BvR 710/05, 1 BvR 1184/08)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des LG Berlin vom 15.9.2003 im Schuldspruch und im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Im Übrigen bleibt es aufrechterhalten.

2. Der Angeklagte wird wegen fahrlässigen Zugänglichmachens von in sonstiger Weise pornographischen Angeboten entgegen § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) zu einer Geldbuße von 2.000 Euro verurteilt.

3. Der Angeklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Jedoch wird die Gebühr um ein Drittel ermäßigt; die Landeskasse Berlin hat ein Drittel seiner notwendigen Auslagen im Revisionsrechtszug zu tragen.

Angewendete Vorschriften: § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 24 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 JMStV.

 

Gründe

Das AG Tiergarten in Berlin erließ am 30.8.2002 gegen den Angeklagten einen Strafbefehl, in dem ihm vorgeworfen wurde, fahrlässig pornographische Schriften (§ 184 StGB) "entgegen § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über jugendgefährdende Schriften (GjS)" an einem Ort, der Kindern oder Jugendlichen zugänglich ist oder von ihnen eingesehen werden kann, zugänglich gemacht zu haben. Auf seinen Einspruch verurteilte das AG ihn am 25.6.2003 auf derselben rechtlichen Grundlage wegen eines "fahrlässigen Verstoßes gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften" zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60 Euro. Seine hiergegen gerichtete Berufung verwarf das LG Berlin durch das angefochtene Urteil vom 15.9.2003. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs und des Rechtsfolgenausspruchs, hat aber im Ergebnis nur einen Teilerfolg.

Das Urteil stellt fest: Der Angeklagte betrieb zumindest am 26.11.2001 die Internetseiten www.heiko....de und www.Hardcore....de, auf denen im Urteil näher beschriebene pornographische Fotoaufnahmen zu sehen waren. Mindestens die letztere Website war - wie aus ihrer Bezeichnung folgt - für die Nutzer unentgeltlich. Die einzige Sicherung dieser Seiten vor dem Zugriff durch Jugendliche bestand darin, dass "die Personalausweisnummer" einer beliebigen erwachsenen Person eingegeben werden musste (UA S. 3, 4). Um Minderjährige von dem Angebot auszuschließen, verwendete der Angeklagte das Altersverifikationssystem (AVS) "über18.de", das allein auf dieser Ziffernfolge beruht, die u.a. das Geburtsdatum des Ausweisinhabers enthält. Der Angeklagte wusste, dass die Ziffernfolge nicht dem sie eingebenden Nutzer persönlich zugeordnet wurde und dass die Anbieter dieses Systems auf ihrer Internetseite mitteilen: "Bisher gibt es kein anerkanntes Jugendschutzsystem." Der Angeklagte erachtete die verwendete Sicherung als eine "im Rechtssinne ausreichende Kontrolle darüber, dass nur Volljährige zum pornographischen Teil seiner Internetseiten gelängen". Das LG hat diese Ansicht als Irrtum bezeichnet und dies näher begründet.

I. Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass kein Verfahrenshindernis vorliegt. Insbesondere ist die Strafverfolgung nicht nach § 22 des Berliner Pressegesetzes verjährt, da es sich bei der Verbreitung jugendgefährdender Schriften oder sonstiger jugendgefährdender Medieninhalte nach keiner in Frage kommenden Vorschrift - § 184 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB, §§ 3, 21 des seit dem 1.4.1997 als Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjSM) bezeichneten ehemaligen GjS, §§ 4, 23, 24 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) - um ein Presseinhaltsdelikt handelt (BGHSt 26, 40 [44] = NJW 1975, 1039; Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 21 GjSM Rz. 13). Ein Presseinhaltsdelikt liegt nur dann vor, wenn die Verbreitung des Druckwerks schlechthin verboten ist, nicht aber, wenn sie grundsätzlich erlaubt ist und nur dann strafbar wird, wenn dabei Vorschriften über Zeit, Ort oder Umstände des Verbreitens oder über einen bestimmten Abnehmerkreis verletzt werden (BGH v. 24.3.1999 - 3 StR 240/98, BGHSt 45, 41 = NJW 1999, 1979 [1982]; BGHSt 26, 40 = NJW 1975, 1039; Jähnke in LK, StGB, 11. Aufl., § 78 Rz. 15 jeweils m.w.N.).

Die Verfolgung ist auch nicht aus anderen Gründen verjährt. Seit der Tatzeit am 26.11.2001 ist die drei Jahre betragende Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB, § 21 Abs. 3 GjSM) mehrfach unterbrochen worden, und zwar:

Eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf sechs Monate durch § 24 Abs. 7 des am 1.4.2003 in Kraft getretenen Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) (siehe unten ...

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