Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung des Gegenstandswertes für die Gebühren eines vom Schuldner beauftragten Rechtsanwaltes richtet sich auch dann nach dem Wert der Insolvenzmasse, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Gläubiger gestellt worden war und dieser den Antrag noch vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückgenommen hat. § 58 Abs. 2 GKG findet insoweit grundsätzlich keine Anwendung.

 

Normenkette

GKG § 58; InsO § 35; RVG § 28 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 84 T 76/23)

AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 36a IN 3358/21)

 

Tenor

1. Auf die weitere Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Charlottenburg vom 01.02.2023 - 36a IN 3358/21 - und des Landgerichts Berlin vom 10.07.2023 - 84 T 76/23 - dahingehend abgeändert, dass der Gegenstandswert für die Vergütung der Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin auf bis zu 1.250.000,- EUR festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die weitere Beschwerde zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe einer Gebühr gemäß Nr. 1812 KV GKG hat die Schuldnerin zu tragen, wobei die vorgenannte Gebühr auf die Hälfte ermäßigt wird.

 

Gründe

I. Die weitere Beschwerde der Schuldnerin gegen die erfolgte Festsetzung des Gegenstandswertes ist gemäß §§ 33 Abs. 6 i.V.m. Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und 3 sowie Abs. 4 RVG zulässig. Sie hat auch in der Sache teilweise Erfolg, weil der Gegenstandswert für die anwaltliche Vergütung der Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin abweichend von den angegriffenen Beschlüssen des Amtsgerichts und des Landgerichts im Ergebnis auf bis zu 1,25 Mio. EUR festzusetzen war. Soweit die Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin darüber hinausgehend eine Festsetzung auf bis zu 7,0 Mio. EUR begehren, bleibt die weitere Beschwerde aber ohne Erfolg.

1. Das Landgericht geht in seinem angegriffenen Beschluss richtig davon aus, dass die Festsetzung des Gegenstandswertes vorliegend nach § 28 RVG zu erfolgen hat. Gemäß Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung richtet sich der Gegenstandswert für Gebühren der Nrn. 3313 und 3317 RVG-VV sowie im Fall der Beschwerde gegen den Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Fall eines vom Schuldner beauftragten Rechtsanwaltes "nach dem Wert der Insolvenzmasse", wobei in einem Klammerzusatz die Bestimmung des § 58 GKG genannt wird. Anderes gilt in Bezug auf den vom (Insolvenz-)Gläubiger beauftragten Rechtsanwalt. Hier bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Nennwert der jeweils geltend gemachten Forderung einschließlich der Nebenforderungen, § 28 Abs. 2 RVG. Dass dabei unter "Auftrag" i.S.d. genannten Regelungen zunächst einmal nur die Mandatierung des Rechtsanwaltes, mithin das jeweilige Mandantenverhältnis gemeint ist, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht abweichend beurteilt.

2. Dies zugrunde gelegt war der Gegenstandswert, die Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin betreffend, hier somit gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 RVG grundsätzlich nach dem "Wert der Insolvenzmasse" festzusetzen. Mit dieser Formulierung hat sich der Gesetzgeber an der in § 58 GKG verwandten wortgleichen Begrifflichkeit orientiert, was sich ohne Zweifel aus dem im Gesetzestext aufgenommenen Klammerzusatz "(§ 58 Gerichtskostengesetz)" ergibt. Was daraus aber im Einzelnen folgt, wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Insbesondere ist streitig, ob die Bestimmung aufgrund des Wortlautes "Wert der Insolvenzmasse" allein auf § 58 Abs. 1 GKG verweist (nur hier finden sich Vorgaben zur weiteren Berechnung des sich sonst aus § 35 InsO ergebenden Begriffes der Insolvenzmasse), obgleich der genannte Paragraph in § 28 Abs. 1 Satz 1 RVG insgesamt benannt wird (so OLG Saarbrücken, Beschluss vom 30.10.2014 - 5 W 46/14, BeckRS 2015, 6751, beck-online; Mayer, FD-RVG 2014, 354336, beck-online; BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, 61. Ed. 1.9.2023, RVG § 28 Rn. 3.2; Toussaint/Toussaint, 53. Aufl. 2023 Rn. 3, RVG § 28; Riedel/Sußbauer RVG/Potthoff, 10. Aufl. 2015, RVG § 28 Rn. 13; Frege/Keller/Riedel InsR, Teil 9. Vergütung im Insolvenzverfahren und Kosten des Insolvenzverfahrens Rn. 200, beck-online; Mock in: Schneider/Volpert, AnwK RVG, § 28 Gegenstandswert im Insolvenzverfahren, Rn. 6 ff.), oder aber - trotz der gewählten Formulierung "Wert der Insolvenzmasse" - auch auf die in § 58 Abs. 2 GKG enthaltene, für die Berechnung der Gerichtskosten geltende Begrenzung dieses Wertansatzes, sofern der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Gläubiger gestellt wird. In diesem Fall würden sich die Gebühren der Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners lediglich nach dem Nennbetrag der jeweiligen Gläubigerforderung richten, jedenfalls solange, wie der Wert der Insolvenzmasse dahinter nicht zurückbleibt (Diese Auffassung vertreten: OLG Dresden, Beschluss vom 14.09.1994 - 3 W 315/93, BeckRS 1994, 9082, beck-online; LG Ulm, Beschluss vom 05.06.2013 - 3 T 158/11, BeckRS 2013, 22124, beck-online; Gerold/Schmidt/Mayer,...

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