Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Insolvenzverfahren. Internationale Zuständigkeit. Anfechtungsklage. Ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet wurde

 

Normenkette

EGV 1346/2000, Art. 3 Abs. 1

 

Beteiligte

Wiemer & Trachte

Wiemer & Trachte GmbH

Zhan Oved Tadzher

 

Tenor

Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Beklagten, der seinen Sitz oder Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, eine ausschließliche Zuständigkeit ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven kasatsionen sad (Oberstes Kassationsgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 12. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Mai 2017, in dem Verfahren

Wiemer & Trachte GmbH, in Insolvenz

gegen

Zhan Oved Tadzher

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász und C. Vajda,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Wiemer & Trachte GmbH vertreten durch A. Ganev, S. Simeonov und V. Bozhilov, advokati,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin, G. Koleva und M. Heller als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Juni 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1, Art. 18 Abs. 2 sowie der Art. 21 und 24 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. 2000, L 160, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Wiemer & Trachte GmbH, einer insolventen Gesellschaft, und Herrn Zhan Oved Tadzher über die Rückerstattung eines Geldbetrags, der ihm vom Bankkonto von Wiemer & Trachte ohne die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters überwiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 1346/2000

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2 und 6 bis 8 der Verordnung Nr. 1346/2000 lauten:

„(2) Für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes sind effiziente und wirksame grenzüberschreitende Insolvenzverfahren erforderlich; die Annahme dieser Verordnung ist zur Verwirklichung dieses Ziels erforderlich, das in den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen im Sinne des Artikels 65 des [EG-]Vertrags fällt.

(6) Gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sollte sich diese Verordnung auf Vorschriften beschränken, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Entscheidungen regeln, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und in engem Zusammenhang damit stehen. Darüber hinaus sollte diese Verordnung Vorschriften hinsichtlich der Anerkennung solcher Entscheidungen und hinsichtlich des anwendbaren Rechts, die ebenfalls diesem Grundsatz genügen, enthalten.

(7) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren sind vom Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens [vom 27. September] 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [ABl. 1972, L 299, S. 32] ausgenommen.

(8) Zur Verwirklichung des Ziels einer Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung ist es notwendig und angemessen, die Bestimmungen über den Gerichtsstand, die Anerkennung und das anwendbare Recht in diesem Bereich in einem [Unionsrechtsakt] zu bündeln, der in den Mitgliedstaaten verbindlich ist und unmittelbar gilt.”

Rz. 4

Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmt:

„(1) Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bei Gesellschaften und juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort des satzungsmäßigen Sitzes ist.

(2) Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Gebiet eines Mitgliedstaats, so sind die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats hat. Die Wirkungen dieses Verfahrens sind auf das im Gebiet dieses letzteren Mitgliedstaats belegene Vermögen des Schuldners beschränkt.”

Rz. 5

Art. 16 Abs. 1 der Verordnung sieht vor:

„Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein nach Artikel 3 zus...

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