Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Freizügigkeit. Zugang von Wanderarbeitnehmern und ihren Familienangehörigen zum Unterricht. Finanzierung einer Hochschulausbildung außerhalb des Hoheitsgebiets des betreffenden Mitgliedstaats. Wohnsitzerfordernis

 

Beteiligte

Kommission / Niederlande

Europäische Kommission

Königreich der Niederlande

 

Tenor

1. Das Königreich der Niederlande hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 geänderten Fassung verstoßen, dass Wanderarbeitnehmer und die von ihnen weiterhin unterhaltenen Familienangehörigen ein Wohnsitzerfordernis erfüllen müssen, die sogenannte „Drei-von-sechs-Jahren”-Regel, um für die Finanzierung eines Hochschulstudiums außerhalb der Niederlande in Betracht zu kommen.

2. Das Königreich der Niederlande trägt die Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 18. Dezember 2009,

Europäische Kommission, vertreten durch G. Rozet und M. van Beek als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich der Niederlande, vertreten durch C. Wissels, J. Langer und K. Bulterman als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch:

Königreich Belgien, vertreten durch L. van den Broeck und M. Jacobs als Bevollmächtigte,

Königreich Dänemark, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen als Bevollmächtigten,

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch J. Möller und C. Blaschke als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Königreich Schweden, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2011,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Februar 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass das Königreich der Niederlande dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 (ABl. L 245, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1612/68) verstoßen hat, dass Wanderarbeitnehmer und die von ihnen weiterhin unterhaltenen Familienangehörigen ein Wohnsitzerfordernis erfüllen müssen, die sogenannte „Drei-von-sechs-Jahren”-Regel, um für die Finanzierung eines Hochschulstudiums außerhalb der Niederlande (im Folgenden: mitnehmbare Studienfinanzierung) in Betracht zu kommen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68 sieht vor:

„Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

…”

Rz. 3

Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 bestimmt:

„Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.

Die Mitgliedstaaten fördern die Bemühungen, durch die diesen Kindern ermöglicht werden soll, unter den besten Voraussetzungen am Unterricht teilzunehmen.”

Nationales Recht

Rz. 4

Art 2.2 der Wet studiefinanciering 2000 (Studienfinanzierungsgesetz 2000) (im Folgenden: WSF 2000), der die Voraussetzungen festlegt, unter denen Studierende für eine vollständige Finanzierung ihres Hochschulstudiums in den Niederlanden in Betracht kommen, lautet wie folgt:

„1. Für eine Studienfinanzierung kommen Studierende in Betracht, die

  1. die niederländische Staatsangehörigkeit besitzen;
  2. nicht die niederländische Staatsangehörigkeit besitzen, aber in den Niederlanden wohnen und aufgrund eines Vertrags oder eines Beschlusses einer internationalen Organisation im Bereich der Studienfinanzierung Niederländern gleichgestellt sind …

…”

Rz. 5

Zur mitnehmbaren Studienfinanzierung e...

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