Entscheidungsstichwort (Thema)

Freier Warenverkehr. Öffentliche Gesundheit. Vertrieb von Kontaktlinsen über das Internet. Nationale Regelung, wonach Kontaktlinsen nur in Fachgeschäften für medizinische Hilfsmittel vertrieben werden dürfen. Richtlinie 2000/31/EG. Informationsgesellschaft. Elektronischer Geschäftsverkehr

 

Beteiligte

Ker-Optika

Ker-Optika bt

ÀNTSZ Dél-dunántúli Regionális Intézete

 

Tenor

Nationale Vorschriften über den Vertrieb von Kontaktlinsen fallen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”), soweit sie den Vorgang des Verkaufs von Kontaktlinsen über das Internet betreffen. Dagegen fallen nationale Vorschriften über die Lieferung von Kontaktlinsen nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.

Die Art. 34 AEUV und 36 AEUV sowie die Richtlinie 2000/31 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach Kontaktlinsen nur in Fachgeschäften für medizinische Hilfsmittel vertrieben werden dürfen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Baranya megyei bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 10. Februar 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 23. März 2009, in dem Verfahren

Ker-Optika bt

gegen

ÀNTSZ Dél-dunántúli Regionális Intézete

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und J. Malenovský (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 2010

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der ungarischen Regierung, vertreten durch R. Somssich, K. Szíjjártó, K. Veres und M. Fehér als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch E. Skandalou als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch J. M. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigten,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels, M. de Grave und Y. de Vries als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer und A. Sipos als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Juni 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr”) (ABl. L 178, S. 1) sowie der Art. 34 AEUV und 36 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Ker-Optika bt (im Folgenden: Ker-Optika) und dem ÀNTSZ Dél-dunántúli Regionális Intézete (Regionaldirektion Südtransdanubien des Staatlichen Dienstes für Gesundheitswesen und Amtsärztedienstes, im Folgenden: ÀNTSZ) über eine behördliche Entscheidung, mit der diese Behörde Ker-Optika den Vertrieb von Kontaktlinsen über das Internet untersagte.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Gemäß Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204, S. 37) in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. L 217, S. 18) (im Folgenden: Richtlinie 98/34) bezeichnet:

„‚Dienst’: eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.

Im Sinne dieser Definition bezeichnet der Ausdruck:

  • ‚im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung’ eine Dienstleistung, die ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Vertragsparteien erbracht wird;
  • ‚elektronisch erbrachte Dienstleistung’ eine Dienstleistung, die mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und die vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen wird;
  • ‚auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung’ eine Dienstleistung, die durch die Übertragung von Daten auf individuelle Anforderung erbracht wird.

…”

Rz. 4

In den Erwägungsgründen 18, 21 und 34 der Richtlinie 2000/31 heißt es:

„(18) Die Dienste der Informationsgesellschaft umfassen einen weiten Bereich von wirtschaftlichen Tätigkeiten, die online vonstatten gehen. Diese Tätigkeiten können insbesondere im O...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt VerwalterPraxis Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge