Verfahrensgang

OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Aktenzeichen C 2 S 67/98)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. April 2000 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Entscheidung des Normenkontrollgerichts von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung des Normenkontrollgerichts beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der die Entscheidung des Normenkontrollgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt. Die vorliegend geltend Gemachten führen nicht zur Zulassung der Revision.

a) Die von der Antragstellerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einhaltung oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und einen Hinweis auf den Grund, der ihrer Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerdebegründung muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer in verallgemeinerungsfähiger Weise zu beantwortenden, bisher revisionsgerichtlich nicht entschiedenen Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann. Daran fehlt es.

Die Antragstellerin hält die Frage für klärungsbedürftig, „ob das naturschutzrechtliche Abwägungsgebot des § 1 Abs. 2 BNatSchG inhaltlich den Anforderungen des Abwägungsgebotes nach § 1 Abs. 6 BauGB entsprechen muss und deshalb bei Festsetzung einer (die Ausbeutung der) Bodenschätze verbietenden Landschaftsschutzverordnung Art, Ausmaß und Gewichtung des Eingriffs dieses Verbotes in den Gewerbebetrieb des betroffenen Bergbautreibenden im Einzelnen genau zu ermitteln ist”. Diese Frage kann nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führen, weil die Beschwerde nicht aufzeigt, dass sie in einem Revisionsverfahren beantwortet werden könnte.

Das Normenkontrollgericht geht in Anwendung der nicht revisiblen Landschaftsschutzverordnung von einem grundsätzlichen Verbot des Abbaus von Bodenschätzen aus, der gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 dieser Verordnung unter Erlaubnisvorbehalt steht. Es ist nicht ohne weiteres deutlich, ob das Normenkontrollgericht mit seinen weiteren Ausführungen über die Abwägung im Rahmen des Naturschutzrechts Normen des Bundes- oder des Landesrechts anwenden wollte. Das Bundesnaturschutzgesetz enthält in § 1 Abs. 1 eine Vorschrift über die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege und bestimmt in § 1 Abs. 2, dass die sich daraus ergebenden Anforderungen untereinander und gegen die sonstigen Anforderungen der Allgemeinheit an Natur und Landschaft abzuwägen sind. Eine weitgehend identische Regelung enthält § 1 NatSchG LSA. Als Ermächtigungsgrundlage gibt die Landschaftsschutzverordnung die §§ 20, 27, 45 Abs. 3 und § 59 Abs. 1 NatSchG LSA an. Soweit das Normenkontrollgericht bei Prüfung der Verordnung danach Landesrecht anzuwenden hatte, kommt eine revisionsgerichtliche Prüfung grundsätzlich nicht in Betracht. Gemäß § 4 Satz 3 BNatSchG gilt § 1 BNatSchG unmittelbar. Das lässt die Annahme zu, dass das Normenkontrollgericht mit seinen Erwägungen zur planerischen Abwägung Bundesrecht und damit nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO revisibles Recht angewandt hat.

Die Antragstellerin legt jedoch nicht dar, dass die von ihr aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren beantwortet werden könnte. Das Normenkontrollgericht ist davon ausgegangen, dass bei Erlass einer Landschaftsschutzverordnung eine Abwägung erforderlich ist und dabei „die vorgegebenen Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks als zu berücksichtigender Belang” nicht verkannt werden dürfen. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in der eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtete Würdigung der sich gegenüberstehenden Interessen des Landschaftsschutzes und der Nutzungsinteressen postuliert wird (Beschluss vom 16. Juni 1988 – BVerwG 4 B 102.88 – Buchholz 406.401 § 15 BNatSchG Nr. 5). Dass diese Rechtsprechung, wie die Antragstellerin meint, dahingehend ergänzt werden müsste, dass eine Abwägung aller in Betracht kommenden Belange nach bauleitplanungsrechtlichen Kriterien erfolgen müsste, ist angesichts des qualitativen Unterschiedes der durch planerische Gestaltungsfreiheit gekennzeichneten Bauleitplanung auf der einen und des vornehmlich dem Gesetzesvollzug nach Maßgabe tatsächlicher Gegebenheiten dienenden Natur- und Landschaftsschutzes auf der anderen Seite nicht erkennbar.

Selbst wenn aber eine Verfeinerung der Anforderungen einer gerechten Abwägung nach § 1 Abs. 2 BNatSchG erwogen werden müsste, legt die Beschwerde nicht dar, dass diese hier in einem künftigen Revisionsverfahren geleistet werden könnte. Denn wenn unterstellt wird, dass private Belange bei Aufstellung der Landschaftsschutzverordnung in gleicher oder ähnlicher Weise wie bei der Aufstellung eines Bauleitplanes hätten abgewogen werden müssen, fehlte es an einer Präzisierung der Belange, die abwägungsrelevant hätten sein können, aber nicht beachtet worden sind.

Die Aufstellung eines Bauleitplanes fordert die gerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander (§ 1 Abs. 6 BauGB). Macht der Antragsteller eines Normenkontrollverfahrens gegen einen Bebauungsplan eine Verletzung des Abwägungsgebotes geltend, muss er einen Belang als verletzt benennen, der für die Abwägung beachtlich war. In der bauleitplanerischen Abwägung sind solche privaten Belange zu berücksichtigen, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. Urteil vom 24. September 1998 – BVerwG 4 CN 2.98 – DVBl 1999, 100). Die Bürgerbeteiligung dient auch dazu, der planenden Stelle Interessenbetroffenheiten sichtbar zu machen. Hat es ein Betroffener unterlassen, seine Betroffenheit im Zuge der Bürgerbeteiligung geltend zu machen, ist sie nur abwägungsbeachtlich, wenn sie sich der planenden Stelle aufdrängen musste (Beschluss vom 9. November 1979 – BVerwG 4 N 1.78, 4 N 2 bis 4.79 – BVerwGE 59, 87 ≪103 f.≫). Der Hinweis der Beschwerde auf den Beschluss vom 21. Februar 1991 – BVerwG 4 NB 16.90 – (Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 51) zeigt keine anderen oder weitergehenden Anforderungen an die Abwägungsbeachtlichkeit privater Belange auf. Der in dem genannten Verfahren zur Prüfung gestellte Bebauungsplan setzte für ein bisher privat genutztes Grundstück mit Baulandqualität eine öffentliche Grünfläche und eine Gemeinbedarfsfläche fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass bei der Aufstellung eines Bebauungsplans „alle betroffenen und schutzwürdigen privaten Interessen, insbesondere soweit sie sich aus dem Eigentum und seiner Nutzung herleiten lassen, zu berücksichtigen” sind. Diese Voraussetzung ist sodann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts bejaht worden, weil der Gemeinderat „Art, Ausmaß und Gewicht der potentiellen Beeinträchtigung des Grundeigentums nicht verkannt” hatte. Die Voraussetzungen für die Abwägungsbeachtlichkeit privater Nutzungsinteressen sind damit nicht von der dargestellten Rechtsprechung abweichend bestimmt worden.

Die Antragstellerin vermisst eine Berücksichtigung von Art, Ausmaß und Gewichtung des Verbots der Bodenschatzgewinnung und der Folgen des Eingriffs auf den Gewerbebetrieb. Sie legt aber nicht dar, in welcher Weise solche Belange in eine Abwägung anlässlich der Aufstellung eines Bauleitplanes hätten einfließen müssen, aber nicht eingeflossen worden sind. Im Planaufstellungsverfahren haben das Bergamt Halle und die Antragstellerin Stellung genommen. Dabei hat das Bergamt am 27. Juli 1995 (Beiakte IV Bl. 167) auf die Bergbauberechtigung der Antragstellerin zur Gewinnung von Kies und Kiessanden hingewiesen und diese Stellungnahme mit Schreiben vom 29. April 1996 (Beiakte V Bl. 424) bestätigt. Die Antragstellerin selbst hat sich mit Schreiben vom 26. Februar 1997 (Beiakte VI Bl. 636) an die Antragsgegnerin gewandt und ihre Situation dargelegt. Dabei hat sie u.a. auf den Flächeninhalt ihres Bewilligungsfeldes von 499 600 m² sowie dessen Lage und die vorgesehene Verkehrsführung aufmerksam gemacht. Wie aus der, allerdings knappen, Mitteilung der Antragsgegnerin an die Antragstellerin vom 28. Januar 1998 (Beiakte VI Bl. 1014) folgt, hat die Antragstellerin sich mit diesen Belangen auseinandergesetzt und dabei u.a. darauf abgestellt, dass bestehende behördliche Genehmigungen oder entsprechende Verwaltungsakte durch die Verordnung nicht berührt werden. Unter diesen Umständen hätte die Antragstellerin darlegen müssen, welche konkreten weiteren Belange in einem entsprechenden Bauleitplanverfahren nach den dargestellten Grundsätzen abwägungsbeachtlich gewesen wären. Fehlt es daran, ist nicht aufgezeigt oder sonst erkennbar, inwiefern die Beantwortung der von der Antragstellerin für klärungsbedürftig gehaltenen Frage in einem künftigen Revisionsverfahren erheblich werden könnte.

b) Der von der Antragstellerin geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Denn das Normenkontrollgericht ist nicht entgegen § 88 VwGO über den Antrag der Antragstellerin hinausgegangen. Zwar führt das Normenkontrollurteil in seinem Tatbestand einen auf die gesamte Landschaftsschutzverordnung bezogenen Antrag auf. Dieser Teil des Tatbestandes ist indessen fehlerhaft. Das Oberverwaltungsgericht hat in Wahrheit nur über den von der Antragstellerin gestellten Antrag entschieden, die Verordnung hinsichtlich eines Teilbereichs für nichtig zu erklären. Gemäß § 105 VwGO in Verbindung mit § 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO sind die Anträge im Protokoll festzustellen. Die Stellung eines Sachantrags gehört zu den für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten, deren Beachtung gemäß § 105 VwGO in Verbindung mit § 165 ZPO durch das Protokoll bewiesen wird (vgl. Urteil vom 6. Oktober 1982 – BVerwG 7 C 17.80 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 26, S. 3). Deshalb beweist das Protokoll, dass der Antrag in der eingeschränkten Fassung gestellt worden ist. Über diesen Antrag hat das Normenkontrollgericht durch am Tag der mündlichen Verhandlung verkündetes Urteil entschieden. Bei einem Widerspruch zwischen Urteilstatbestand und Sitzungsprotokoll geht dieses gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 314 Satz 2 ZPO vor und nimmt dem Tatbestand insoweit die Beweiskraft. Der Tatbestand ist in einem solchen Fall fehlerhaft und kann nach §§ 118, 119 VwGO in dem dafür vorgesehenen Verfahren berichtigt werden. Die Normenkontrollentscheidung des Oberverwaltungsgerichts lässt nicht erkennen, dass sie von der Vorstellung eines zu weiten Antrags beeinflusst sein könnte.

2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Unterschriften

Bardenhewer, Hahn, Graulich

 

Fundstellen

ZfBR 2001, 419

BRS 2002, 838

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