Leitsatz (amtlich)

a) Um den Anforderungen an eine Wiedergabe der Marke i. S. v. § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu genügen, muss die angemeldete Marke so klar und eindeutig dargestellt sein, dass nachträgliche Änderungen zweifelsfrei ausgeschlossen sind.

b) Durch § 3 Abs. 2 MarkenG soll im öffentlichen Interesse ausgeschlossen werden, dass technische Lösungen oder Eigenschaften einer Ware monopolisiert und daher Mitbewerber auf Grund der Markeneintragung daran gehindert werden können, ihre Waren mit diesen technischen Lösungen oder Eigenschaften zu versehen.

c) Auch wenn die Beurteilung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft) bei dreidimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, schwieriger sein kann als bei herkömmlichen Markenformen, folgt daraus kein erweitertes Schutzhindernis nach dieser Vorschrift.

 

Normenkette

MarkenG § 3 Abs. 1-2, § 8 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 32 Abs. 2, § 33 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

BPatG (Beschluss vom 17.12.1997)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des 28. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des BPatG v. 17.12.1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit ihrer am 21.12.1995 eingereichten Anmeldung begehrt die Anmelderin die Eintragung einer dreidimensionalen Marke für die Waren "motorgetriebene Flurförderzeuge und sonstige fahrbare Arbeitsmaschinen mit Fahrerkabine, insbesondere Gabelstapler" entsprechend der nachfolgenden Abbildung:

Die Markenstelle des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben.

Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Anmelderin ihren Eintragungsantrag weiter.

Durch Beschluss v. 23.11.2000 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 EG folgende Fragen zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 lit. b, c und e MarkenRL zur Vorabentscheidung vorgelegt (BGH v. 23.11.2000 - I ZB 15/98, GRUR 2001, 334 = WRP 2001, 261 - Gabelstapler):

1. Ist bei der Feststellung der Unterscheidungskraft i. S. v. Art. 3 Abs. 1 lit. b der genannten Richtlinie bei dreidimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, ein strengerer Maßstab an die Unterscheidungskraft anzulegen als bei anderen Markenformen?

2. Besitzt Art. 3 Abs. 1 lit. c neben Art. 3 Abs. 1 lit. e der Richtlinie für dreidimensionale Marken, die die Form der Ware darstellen, eine eigenständige Bedeutung? Ist bejahendenfalls bei der Prüfung von Art. 3 Abs. 1 lit. c - andernfalls bei lit. e - das Interesse des Verkehrs an der Freihaltung der Produktform dergestalt zu berücksichtigen, dass eine Eintragung jedenfalls grundsätzlich ausgeschlossen ist und in der Regel nur bei Marken in Betracht kommt, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie erfüllen?"

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat hierüber durch Urteil v. 8.4.2003 (EuGH, Urt. v. 8.4.2003 - Rs. C-53/01, Rs. C-54/01, Rs. C-55/01, Slg. 2003, I-3161 = GRUR 2003, 514 = WRP 2003, 627 - Linde, Winward u. Rado) wie folgt entschieden:

"1. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft i. S. v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates v. 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist bei dreidimensionalen Marken, die aus der Form der Ware bestehen, kein strengerer Maßstab anzulegen als bei anderen Markenformen.

2. Neben Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Ersten Richtlinie 89/104 besitzt Art. 3 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie auch für dreidimensionale Marken, die aus der Form der Ware bestehen, eine Bedeutung.

Bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Ersten Richtlinie 89/104 ist in jedem Einzelfall das dieser Vorschrift zu Grunde liegende Allgemeininteresse daran zu berücksichtigen, dass dreidimensionale, aus der Form der Ware bestehende Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Sinne dieser Bestimmung zur Bezeichnung der Merkmale einer Ware oder einer Dienstleistung dienen können, von allen frei verwendet und vorbehaltlich des Artikels 3 Abs. 3 dieser Richtlinie nicht eingetragen werden können."

II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Die Bedenken des BPatG gegen eine wirksame Anmeldung der dreidimensionalen Marke greifen nicht durch. Die angemeldete Marke erfüllt die Anforderungen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG. Danach muss die Anmeldung, um den Erfordernissen für die Zuerkennung eines Anmeldetages nach § 33 Abs. 1 MarkenG zu genügen, u. a. die Wiedergabe der Marke gem. § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG enthalten. In der Anmeldung muss die Marke eindeutig bestimmt sein. Nach Begründung eines Anmeldetages kann die Marke nicht mehr verändert werden (vgl. BGH, Beschl. v. 26.10.2000 - I ZB 3/98, BGHReport 2001, 46 = GRUR 2001, 239 [240] = WRP 2001, 31 - Zahnpastastrang; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 39 Rz. 10; Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 32 Rz. 20). Deshalb muss die Marke so klar und eindeutig dargestellt sein, dass nachträgliche Änderungen zweifelsfrei ausgeschlossen werden können.

Diesen Erfordernissen genügt die vorliegende Markenanmeldung. Sie zeigt die grafische Darstellung eines im Einzelnen wiedergegebenen Gabelstaplers aus verschiedenen Blickwinkeln und enthält die Angabe, dass die Marke als dreidimensionale Marke in das Register eingetragen werden soll. Das entspricht den durch die Markenverordnung näher ausgestalteten weiteren Anmeldeerfordernissen (§ 32 Abs. 3, § 65 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 6 Nr. 3, § 9 Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 3 MarkenV). Zweifel an der Bestimmtheit der Wiedergabe der Marke nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG können hierdurch nicht begründet werden.

2. Die Markenfähigkeit i. S. v. § 3 Abs. 1 MarkenG kann der angemeldeten Marke, die aus der Form der Ware besteht, nicht abgesprochen werden.

Nach der Bestimmung des § 3 Abs. 1 MarkenG können Marken alle Zeichen sein, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Dazu gehört auch die Form einer Ware. Die Markenfähigkeit eines Zeichens ist nach § 3 Abs. 1 MarkenG abstrakt, d. h. ohne Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen allein danach zu prüfen, ob das Zeichen als solches geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden (vgl. EuGH, Urt. v. 18.6.2002 - Rs. C299/99, Slg. 2002, I-5475 = GRUR 2002, 804 [806] Tz. 37 = WRP 2002, 924 - Philips/Remington; BGH, Beschl. v. 8.12.1999 - I ZB 2/97, GRUR 2000, 321 [322] = WRP 2000, 298 - Radio von hier; Beschl. v. 21.9.2000 - I ZB 35/98, BGHReport 2001, 49 = GRUR 2001, 240 [241] = WRP 2001, 157 - SWISS ARMY).

Zudem darf ein Zeichen, um markenfähig i. S. v. § 3 Abs. 1 MarkenG zu sein, kein funktionell notwendiger Bestandteil der Ware sein. Sie muss über die technisch bedingte Grundform hinausreichende Elemente aufweisen, die zwar nicht physisch, aber doch gedanklich von der Ware abstrahierbar sind und die Identifizierungsfunktion der Marke erfüllen können (vgl. BGH v. 10.12.1998 - I ZB 20/96, BGHZ 140, 193 [197] = MDR 1999, 1015 - Farbmarke gelb/schwarz; Beschl. v. 13.4.2000 - I ZB 6/98, MDR 2001, 285 = GRUR 2001, 56 [57] = WRP 2000, 1290 - Likörflasche; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 3 Rz. 211 f.; Erdmann, HABM-ABl. 2001, Sonderheft, 22, 38; a. A. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 3 Rz. 18). Da die Selbstständigkeit der Marke in diesem Sinne ausschließlich ein gedankliches Erfordernis ist, ist eine willkürliche Ergänzung der Form der Ware nicht notwendig, um die Markenfunktion zu erfüllen (vgl. EuGH, Urt. v. 18.6.2002 - Rs. C-299/99, Slg. 2002, I-5475 = GRUR 2002, 804 [806] Tz. 50 = WRP 2002, 924 - Philips/Remington zu Art. 2 MarkenRL).

Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es rechtfertigen, die abstrakte Unterscheidungseignung der angemeldeten Formmarke nach § 3 Abs. 1 MarkenG zu verneinen (zur Markenfähigkeit dreidimensionaler Formmarken vgl. auch: BGH, Beschl. v. 14.12.2000 - I ZB 25/98, BGHReport 2001, 301 = GRUR 2001, 418 [419] - Montre; Beschl. v. 14.12.2000 - I ZB 26/98, BGHReport 2001, 299 = GRUR 2001, 416 [417] = WRP 2001, 403 - OMEGA, in der Veröffentlichung in GRUR mit der falschen Abbildung der Marke aus der nachstehenden Entscheidung "SWATCH"; Beschl. v. 14.12.2000 - I ZB 27/98, BGHReport 2001, 298 = GRUR 2001, 413 [414] = WRP 2001, 405 - SWATCH, in der Veröffentlichung in GRUR mit der falschen Abbildung der Marke aus der vorstehenden Entscheidung "OMEGA"). Dies folgt schon aus den nachstehend angeführten Merkmalen, aus denen sich eine von der Grundform eines Gabelstaplers abweichende Gestaltung ergibt (vgl. Abschn. II. 3.).

3. Der Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 MarkenG greift bei der in Rede stehenden Marke ebenfalls nicht durch.

Diesem Schutzhindernis unterfallen Zeichen, die ausschließlich aus einer Form bestehen, die durch die Art der Ware selbst bedingt ist, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist oder die der Ware einen wesentlichen Wert verleiht. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 MarkenG setzt Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL um. Dieser schließt es im öffentlichen Interesse aus, dass der Inhaber des Markenrechts technische Lösungen oder Eigenschaften einer Ware für sich monopolisieren und dadurch Mitbewerber auf Grund seiner Markeneintragung daran hindern kann, ihre Waren mit diesen technischen Lösungen oder Eigenschaften zu versehen. Darauf ist allerdings der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 MarkenG beschränkt. Ein etwaiges Freihaltebedürfnis i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL) ist auch bei Marken, die die Form der Ware darstellen, im Rahmen dieser Vorschrift und nicht durch eine weite Auslegung des § 3 Abs. 2 MarkenG (Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL) zu berücksichtigen. Denn § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kommt auch bei der vorliegenden Markenform eine selbstständige Bedeutung neben § 3 Abs. 2 MarkenG zu (vgl. zu Art. 3 Abs. 1 lit. c MarkenRL: EuGH, Urt. v. 8.4.2003 - Rs. C-53/01, Rs. C-54/01, Rs. C-55/01, Slg. 2003, I-3161 = GRUR 2003, 514 [518] Tz. 67 = WRP 2003, 627 - Linde, Winward u. Rado).

Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 MarkenG erfasst daher Formmarken, deren wesentliche Merkmale durch die Art der Ware selbst bedingt sind, einer technischen Funktion entsprechen oder wertbedingt sind (vgl. EuGH, Urt. v. 18.6.2002 - Rs. C-299/99, Slg. 2002, I-5475 = GRUR 2002, 804 [809] Tz. 78-80 = WRP 2002, 924 - Philips/Remington; Urt. v. 8.4.2003 - Rs. C-53/01, Rs. C-54/01, Rs. C-55/01, Slg. 2003, I-3161 = GRUR 2003, 514 [518] Tz. 72 = WRP 2003, 627 - Linde, Winward u. Rado). Davon kann bei der angemeldeten Marke nicht ausgegangen werden. Diese verfügt über eine Reihe von Gestaltungsmerkmalen, die weder durch die Art der Ware noch technisch oder wertbedingt sind. Dies sind der ein abgerundetes Fünfeck darstellende Fahrerkabinenrahmen, die durchweg abgerundeten Kantenlinien und das rundlich ausgeprägte Heck. Diese Merkmale dienen weder der Ermöglichung einer technischen Wirkung noch der Erzielung bestimmter Eigenschaften. Mitbewerber werden daher bei der Gestaltung ihrer Produkte auch nicht bei der Wahl technischer Lösungen oder Eigenschaften, mit denen sie ihre Produkte versehen wollen, behindert.

4. Das BPatG hat die angemeldete Marke für nicht (konkret) unterscheidungskräftig i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gehalten. Dieser Beurteilung kann nicht beigetreten werden.

a) Unterscheidungskraft i. S. d. genannten Bestimmung ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden.

Diese Grundsätze finden auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken Anwendung, die aus der Form der Ware bestehen. Bei ihnen ist kein strengerer Maßstab anzulegen als bei herkömmlichen Markenformen. Wie bei jeder anderen Markenform ist auch bei der dreidimensionalen, die Ware selbst darstellenden Markenform allein maßgebend, dass der Verkehr in dem angemeldeten Zeichen für die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen einen Herkunftshinweis sieht (vgl. EuGH, Urt. v. 8.4.2003 - Rs. C-53/01, Rs. C-54/01, Rs. C-55/01, Slg. 2003, I-3161 = GRUR 2003, 514 [517] Tz. 41 f., 46 = WRP 2003, 627 - Linde, Winward u. Rado; BGH, Beschl. v. 23.11.2000 - I ZB 18/98, GRUR-Int. 2001, 462 [463 f.] = WRP 2001, 265 - Stabtaschenlampen; v. 14.12.2000 - I ZB 27/98, BGHReport 2001, 298 = GRUR 2001, 413 [414] - SWATCH; v. 14.12.2000 - I ZB 26/98, BGHReport 2001, 299 = GRUR 2001, 416 [417] - OMEGA).

aa) Für Bildmarken, die sich in der bloßen Abbildung der Ware selbst erschöpfen, für die der Schutz in Anspruch genommen wird, geht der BGH auch bei der Anlegung des gebotenen großzügigen Prüfungsmaßstabs davon aus, dass ihnen im Allgemeinen die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche (konkrete) Unterscheidungskraft fehlen wird. Soweit die zeichnerischen Elemente einer angemeldeten Marke lediglich die typischen Merkmale der in Rede stehenden Ware darstellen und keine über die technische Gestaltung der Ware hinausgehenden Elemente aufweisen, wird einem Zeichen im Allgemeinen wegen seines bloß beschreibenden Inhalts die konkrete Eignung fehlen, mit ihm gekennzeichnete Waren von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden. Anders liegt der Fall, wenn sich die Bildmarke nicht in der Darstellung von Merkmalen erschöpft, die für die Art der Ware typisch oder zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind, sondern darüber hinausgehende charakteristische Merkmale aufweist, in denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht (vgl. BGH v. 26.10.2000 - I ZB 3/98, BGHReport 2001, 46 = GRUR 2001, 239 f. - Zahnpastastrang).

bb) Diese bei Bildmarken entwickelten Grundsätze sind in der Regel auch auf dreidimensionale Marken übertragbar, die in der Form der Ware bestehen. Zwar kann die Beurteilung, ob die Marke keine Unterscheidungskraft hat, bei dreidimensionalen Marken, die die Form der Ware darstellen, schwieriger sein als bei herkömmlichen Markenformen (vgl. EuGH, Urt. v. 8.4.2003 - Rs. C-53/01, Rs. C-54/01, Rs. C-55/01, Slg. 2003, I-3161 = GRUR 2003, 514 [517] Tz. 48, 49 = WRP 2003, 627 - Linde, Winward u. Rado), weil der Verkehr in dem Bereich der Waren, für die der Schutz beansprucht wird, sich (noch) nicht an die Herkunftskennzeichnung von Produktgestaltungen gewöhnt hat. Daraus darf indessen nicht für Formmarken ein erweitertes Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgeleitet werden. Bei der Feststellung der Unterscheidungseignung des angemeldeten Zeichens ist auch auf die besonderen Verhältnisse auf dem maßgeblichen Warengebiet abzustellen. Denn der Vergleich der tatsächlich vorhandenen Gestaltungsformen lässt einen Schluss darauf zu, ob der Verkehr der Marke einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft beilegt (vgl. BGH v. 14.12.2000 - I ZB 25/98, GRUR 2001, 418 [419] - Montre; v. 14.12.2000 - I ZB 27/98, BGHReport 2001, 298 = GRUR 2001, 413 [416] - SWATCH; v. 14.12.2000 - I ZB 26/98, BGHReport 2001, 299 = GRUR 2001, 416 [417] - OMEGA).

b) Den Anforderungen an die Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt die angemeldete Marke.

Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des BPatG, der Verkehr sei an die Formgebung der Ware seit langem gewöhnt und messe ihr keine kennzeichnende Funktion bei. Entgegen der Ansicht des BPatG bedarf es zur Feststellung einer Unterscheidungseignung der Marke weder eines fantasievollen Überschusses noch kommt es darauf an, dass der Verkehr an die bei der Markenanmeldung eingereichte Art von Zeichnungen - die Anmeldung ist für eine Marke, die die Warenform darstellt (Gabelstapler), erfolgt, so dass die Zeichnungen nicht zur Beurteilung anstehen - gewöhnt ist. Ausreichend ist vielmehr, dass die angemeldete Marke über die typischen Merkmale und die technisch notwendige Gestaltung eines Gabelstaplers hinaus charakteristische Elemente aufweist, in denen der Verkehr einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft sieht.

Der Gabelstapler zeichnet sich durch einen abgerundet ausgebildeten Fahrzeugkörper, durch kurvenlinienförmig begrenzte Radläufe und eine als Fünfeck ausgebildete Fahrerkabine aus. Diese Merkmale stellen auf dem maßgeblichen Warengebiet, dem Nutzfahrzeugsektor, eine charakteristische Formgebung dar, die sich in dieser Art bei anderen Gabelstaplern nicht findet. Dies vermag der Senat auf der Grundlage der zu den Akten gereichten Abbildungen von Gabelstaplern der Hersteller bzw. Marken S. , J. , M. , Mi. und T. selbst zu beurteilen.

III. Danach war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BPatG zurückzuverweisen, das nunmehr der Frage etwaiger sonstiger Eintragungshindernisse nachzugehen haben wird. Dabei wird es bei der Beurteilung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (Art. 3 Abs. 1 lit. d MarkenRL) zu berücksichtigen haben, dass dieser Bestimmung neben § 3 Abs. 2 MarkenG (Art. 3 Abs. 1 lit. e MarkenRL) für dreidimensionale Marken, die aus der Form der Ware bestehen, eine selbstständige Bedeutung zukommt und die Prüfung, wie bei anderen Markenformen auch, in jedem Einzelfall anhand der für das jeweilige Schutzhindernis maßgeblichen Anforderungen vorzunehmen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 8.4.2003 - Rs. C-53/01, Rs. C-54/01, Rs. C-55/01, Slg. 2003, I-3161 = GRUR 2003, 514 [518] Tz. 74, 76 f. = WRP 2003, 627 - Linde, Winward u. Rado). In die Beurteilung einzubeziehen ist das Interesse der Allgemeinheit an einer Freihaltung der Formenvielfalt (vgl. EuGH, Urt. v. 8.4.2003 - Rs. C-53/01, Rs. C-54/01, Rs. C-55/01, Slg. 2003, I-3161 = GRUR 2003, 514 [518] Tz. 73-75, 77 = WRP 2003, 627 - Linde, Winward u. Rado; Ullmann, in 100 Jahre Markenverband - Marken im Wettbewerb, NJW-Sonderheft 2003, 83 [85]). Liegt die als Marke beanspruchte Form der Ware innerhalb einer auf dem Warengebiet üblichen Formenvielfalt und sind die Möglichkeiten, die Produktgestaltung im Interesse einer Individualisierung zu variieren, beschränkt, kann dies dafür sprechen, dass die als Marke beanspruchte Form im Interesse der Allgemeinheit freizuhalten ist. In einem solchen Fall kann das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG begründet sein.

 

Fundstellen

BGHR 2004, 963

EBE/BGH 2004, 4

GRUR 2004, 502

WRP 2004, 752

BPatGE 2005, 291

LMK 2004, 143

MarkenR 2004, 242

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