Keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschafts- u. Wirtschaftsverwaltungsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelungen über den Widerruf der Teilentlastung nach § 4 Abs. 4 des Altschuldenhilfegesetzes gehen als lex specialis den allgemeinen Vorschriften über den Widerruf von Verwaltungsakten nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz vor und schließen somit auch die Anwendung der Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG aus.

Der Widerruf der Teilentlastung findet nicht nur in den Fällen statt, in denen die zuständige Behörde über Restitutionsanträge nach dem Vermögensgesetz negativ entschieden hat, sondern auch in den Fällen, in denen solche Anträge zurückgenommen worden sind.

Es steht im Ermessen der Kreditanstalt für den Wiederaufbau, ob sie die Neuberechnung der Teilentlastung nach dem Altschuldenhilfegesetz nach Abschluss von Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz jährlich vornimmt oder erst nach Abschluss sämtlicher Restitutionsverfahren. Auf Grund der Entscheidung zu einer jährlichen Neuberechnung und der darauf beruhenden ständigen Behördenpraxis ist insoweit eine Selbstbindung der Behörde eingetreten, wodurch im Einzelfall der Ermessensspielraum auf Null reduziert ist.

§ 4 Abs. 4 Altschuldenhilfegesetz begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine Wohnungsbaugesellschaft in Ostdeutschland, wendet sich gegen den Widerruf der Teilentlastung nach dem Altschuldenhilfe-Gesetz vom 23.06.1993 (BGBl. I S. 986 – ASchHG) mit der Begründung, der Bescheid sei unzureichend begründet, die Beklagte habe von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht, die Regelung verletzte die Grundrechte aus Art. 14 und Art. 3 GG.

Die Klägerin stellte unter dem 24.10.1994 einen Antrag auf Teilentlastung nach dem ASchHG. Sie erhielt eine Teilentlastung von 467.859.561,81 DM auf der Basis maßgeblicher und von ihr anerkannter Altverbindlichkeiten i. H. v. 982.632.254,31 DM und einer maßgeblichen Wohnfläche von 3.431.817,95 m². Bei der Berechnung der Wohnfläche waren die Flächen jener Wohnungen nicht berücksichtigt, die vor dem 01.01.1949 errichtet worden sind und die Gegenstand noch offener Restitutionsverfahren nach dem Vermögensgesetz waren. Nachdem im Jahre 1994 insoweit für eine Wohnfläche von 7.316,28 m² diese Restitutionsverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen worden waren, nahm die Beklagte eine Neuberechnung der zu gewährenden Teilentlastung unter Zugrundelegung einer entsprechend höheren maßgeblichen Wohnfläche vor. Dabei ergab sich, dass der Klägerin in Höhe von 935.107,50 DM zu viel Teilentlastung gewährt worden war. Mit Bescheid vom 21.06.2000 widerrief die Beklagte darauf die Teilentlastung in Höhe von 935.107,50 DM und forderte diesen Betrag zuzüglich der vom Erblastentilgungsfonds bis zum 21.06.2000 gezahlten Zinsen i. H. v. 224.556,58 DM sowie ab dem 22.06.2000 bis zum Zahlungseingang Tageszinsen i. H. v. 129,88 DM an.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 24.07.2000 Klage erhoben. Sie hält den Bescheid aus folgenden Gründen für rechtswidrig: Die Beklagte habe ihr Widerrufsermessen nicht ausgeübt. Sie hätte dabei die äußerst angespannte wirtschaftliche Lage der Klägerin vor dem Hintergrund der desolaten Lage der gesamten Wohnungswirtschaft in Ostdeutschland ebenso in die Abwägung einbeziehen müssen wie den Umstand, dass es sich bei den von der Klägerin anerkannten Altschulden in Wahrheit um in DDR-Zeiten von oben angeordnete Zwangskredite gehandelt habe, bei denen es sich eigentlich um Schein-Verbindlichkeiten gehandelt habe, die lediglich als Kontrollinstrument für die planwirtschaftlichen Aufgaben auf dem Gebiet des Wohnungsbaus gedient hätten. Die Jahrefrist des §§ 49 Abs. 1 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG, die mit Zugang des Jahresberichtes 1994 über den Stand der Privatisierung zu laufen begonnen habe, sei überschritten.

Der Bescheid leide schließlich auch unter einem Begründungsmangel, weil nicht dargelegt sei, auf welcher Ermächtigungsgrundlage die Tageszinsen erhoben würden. Die Beklagte habe im übrigen auch ihren Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage verkannt, ob die Neuberechnung der Teilentlastung erst nach Abschluss aller Restitutionsverfahren oder jährlich vorgenommen werden solle. Sie habe dabei den Gesichtspunkt berücksichtigen müssen, dass die Neuberechnung nach Abschluss aller Restitutionsverfahren einer wirtschaftlichen Stundung gleichkomme, für die es angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage der Klägerin gute Gründe gebe. Sie hätte außerdem zugunsten der Klägerin den Gesichtspunkt berücksichtigen müssen, dass es bei jährlicher Neuberechnung sehr viel schwerer sei, die wirtschaftliche Existenzgefährdung nachzuweisen, die einem nach § 59 BHO gestellten Erlassantrag zum Erfolg verhelfen könnte.

In alledem sei eine Verletzung der Klägerin in ihrem Ei...

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