Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung bei Sturz eines Besuchers im Theater

 

Normenkette

ThürBauO § 32 Abs. 6; VStättR § 21

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Urteil vom 05.08.2005; Aktenzeichen 10 O 2486/04)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin vom 12.9.2005 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des LG Erfurt vom 5.8.2005 - Az.: 10 O 2486/04 - wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten und Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt für die zweite Instanz Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung gegen das klageabweisende Urteil des LG Erfurt vom 5.8.2005, soweit die Stadt E. (erstinstanzlich Beklagte zu 1) betroffen ist.

Die Klägerin klagt auf materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen eines Sturzes im neuen Theater in E. am 20.12.2003. Dieser habe sich nach der Pause des zweiten Aktes (nach der Premiere "City of Angels") zugetragen, als sie ihren Sitzplatz (Nr. 12) im zweiten Rang wieder habe einnehmen wollen. Die Klägerin sei in der zweiten oder dritten Reihe an der Rutschhemmung der Stufe mit dem linken Schuh hängen geblieben und mit dem rechten Schuh auf das Beleuchtungselement getroffen und gestürzt. Das LG hat die Klage gegen die Stadt abgewiesen, weil das der Klägerin angelastete (Mit)Verschulden in jedem Falle so überwiege, dass selbst dann, wenn man eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten (zu 1) - wegen des fehlenden Handlaufs (im aufsteigenden Zuschauerraum des neu errichteten Theaters E.) - annehme, diese hinter dem Eigenverschulden der Klägerin zurücktreten müsse.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer beabsichtigten Berufung.

Die Klägerin meint, das Urteil sei rechtsfehlerhaft, weil das LG keine Feststellungen dazu getroffen habe, dass bzw. ob die Klägerin die Stufen zu ihrem Sitzplatz unachtsam begangen habe. Das LG habe auch die angebotenen Beweise, dass die Klägerin den Treppenaufgang ordnungsgemäß benutzt habe, nicht erhoben. Die Unfallursache beruhe allein darauf, dass im Zuhöreraufgang ein Handlauf gefehlt habe. Ein solcher sei bauordnungsrechtlich - nach der Thüringer Bauordnung - vorgeschrieben und habe zum Unfallzeitpunkt gefehlt. Wäre ein Handlauf vorhanden gewesen, hätte sie sich daran festhalten können. Hierdurch wäre der Unfall vermieden worden.

Die beabsichtigte Berufung der Klägerin hat nach Auffassung des Senats im Ergebnis keinen Erfolg.

Zunächst besteht schon keine Pflicht der Stadt E., Handläufe im aufsteigenden Zuhörerraum auf den zwischen den Sitzreihen offenen Aufgängen anzubringen. Dass die Stadt nach dem Unfall solche teilweise - wie das Lichtbild Anlage zum Protokoll vom 2.6.2005/Bl. 127 d.A. zeigt - angebracht hat, ändert hieran nichts. Die "Entschärfung" einer Gefahrenstelle, deren Ursache in einer nicht ausreichend sorgfältigen Benutzung durch die jeweiligen Theaterbesucher liegt, bedeutet noch kein Anerkenntnis einer Verkehrssicherungspflicht (st. Rspr. des 4. Zivilsenats des OLG Jena, vgl. z.B.: OLG Jena, Urt. v. 10.11.2004 - 4 U 432/04; Beschl. v. 10.5.2005 - 4 U 988/04; ebenso: BGH NJW 1966, 1456 [1458]).

Eine solche Pflicht zur Anbringung von Handläufen ergibt sich nicht aus § 32 ThürBauO. Diese Vorschrift betrifft (nur) Treppen, Rettungswege und Aufzüge mit Öffnungen. Für solche baulichen Anlagen schreibt § 32 Abs. 6 ThürBauO allerdings zwingend vor, dass Treppen mindestens einen festen und griffsicheren Handlauf haben müssen. Gemeint ist damit ein Handlauf in Richtung des Treppenlaufs, also nach oben bzw. unten und nicht in Verlängerung der (einzelnen) Treppenstufen. Solche Handläufe sind in einem Zuschauerraum nicht anzubringen; das wäre auch technisch unsinnig, weil dann die Zuschauer solche Handläufe - quer zu den Sitzreihen - erst überwinden müssten, wenn sie ihre Sitzplätze einnehmen wollen. § 32 ThürBauO ist für Baulichkeiten wie einen Theaterzuschauerraum mithin schon nicht einschlägig.

Einschlägig für solche Versammlungsräume, die mehr als 100 Besucher fassen und die eine Bühne bzw. eine Szenefläche haben und für Vorführungen bestimmt sind, ist vielmehr die Richtlinie über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (VStättR), worauf der Streithelfer erstinstanzlich zu Recht hingewiesen hat (vgl. Teil 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1 VStättR). Es geht hier nicht um Treppenaufgänge, die zu dem eigentlichen Versammlungsraum führen, sondern um den eigentlichen Versammlungsraum - den Theaterraum - selbst, der vom Parkett über den ersten Rang zum zweiten Rang hin immer steiler aufsteigt (vgl. Libi a.a.O.). Für solche ansteigenden Reihen für Besucherplätze und Stufengänge - nicht Treppen - schreibt die VStättR aber keine Handläufe vor. Vielmehr sind solche Stufengänge für je höchstens 4 m Höhenunterschied in Gruppen zusammenzufassen und durch (sog.) Umwehrungen - dies können fest verankerte Stuhlreihen sein - gegeneinander abzugrenzen (vgl. § 21 Abs. 1 VstättR); bei steil ansteigenden (abfallenden) Reihen mit einem größeren als 0,40 m Höhenunterschied ...

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